Bundesverfassungsgericht

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2012 – ein Jahr im Zeichen großer Verfahren

Das vergangene Jahr war geprägt durch eine außergewöhnlich hohe Zahl umfangreicher und komplexer Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Beispielhaft seien hier nur genannt:

  • EFSF/Beteiligungsrechte des Bundestages („9-er Gremium“);
  • Asylbewerberleistungsgesetz / Grundleistung;
  • Wahlrecht betreffend negatives Stimmgewicht / Überhangmandate;
  • Plenarentscheidung zum Einsatz der Streitkräfte im Inneren (Luftsicherheitsgesetz);
  • ESM-Vertrag und Fiskalpakt;
  • Absprachen im Strafprozess;
  • Anti-Terror-Datei.

Dies trug wesentlich dazu bei, dass die seit dem Jahr 2006 massiv gestiegene Arbeitsbelastung des Gerichts unvermindert andauert.

Trotz verschiedener interner Optimierungen der Verfahrensabläufe liegt die Gesamtzahl der Verfahren im Jahr 2012 immer noch bei knapp 6.000 Eingängen.

Die Zahl der Eingaben im Allgemeinen Register, bei denen erfahrungsgemäß mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung Umschreibungen in das Verfahrensregister stattfinden, hat mit über 10.000 Gesamteingängen sogar einen neuen Höchststand erreicht.

Umso bedauerlicher ist es, dass die Diskussion um eine dauerhafte Entlastung des Gerichts bislang zu keinem Ergebnis geführt hat. Der Vorschlag des Gerichts zur Einführung einer so genannten „Mutwillensgebühr“ hat bisher leider keine hinreichende Unterstützung im politischen Raum gefunden.
Überzeugende und praktikable Alternativvorschläge, die dem Charakter des Bundesverfassungsgerichts als „Bürgergericht“ entsprechen, sind demgegenüber jedoch auch nicht ersichtlich. Das Gericht wird deshalb das Ziel einer dringend notwendigen, dauerhaften Entlastung mit unvermindertem Engagement weiter verfolgen.

Mit dem „Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren“ vom 24. November 2011 sind für das Bundesverfassungsgericht erstmalig die Instrumente der Verfahrensrüge und der Verzögerungsbeschwerde eingeführt worden. Danach wird ein Verfahrensbeteiligter, der infolge einer überlangen Verfahrensdauer vor dem Bundesverfassungsgericht einen Nachteil erleidet, angemessen entschädigt.

Im Jahr 2012 sind 33 Verzögerungsbeschwerden eingelegt worden. Eine Entschädigung hat die Beschwerdekammer des Bundesverfassungsgerichts bislang in keinem dieser Fälle zugesprochen.

Aus Sicht des Gerichts bleibt zu hoffen, dass die vergleichsweise moderate Zahl von Verzögerungsbeschwerden auch künftig Bestand haben und damit die zuvor dargestellte Gesamtbelastung des Gerichts nicht noch mehr ansteigen wird.

Karlsruhe, im Februar 2013

Prof. Dr. Andreas Voßkuhle
Präsident des Bundesverfassungsgerichts