BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1201/99 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau H. ,
Europaplatz 2, Braunfels -
gegen a) | den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 1999 - BVerwG 2 B 93.98 (2 PKH 5.98) -, |
b) | den Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juni 1998 - 1 UE 2971/93 -, |
c) | das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juli 1993 - III / 1 E 3733/88 -, |
d) | den Widerspruchsbescheid
des Direktors des Landespersonalamtes Hessen vom 30.
November 1988 - I - P 2025 c -, |
e) | den Bescheid des Regierungspräsidenten in Darmstadt vom 4. Mai 1988 - I 6/3 a - B 2 - |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die
Richterin Präsidentin Limbach
und die Richter Kirchhof,
Jentsch
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473)
am 19. November 1999 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Beschwerdeführerin, deren verstorbener Ehemann vom 26. August 1942 bis zum 8. Mai 1945 Berufssoldat war, wendet sich gegen die Versagung von Versorgungsbezügen nach dem G 131.
Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil sie jedenfalls in der Sache keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 96, 245 <248>).
1. Die geltend gemachte Verletzung rechtlichen Gehörs im Hinblick auf die Frage des versorgungsrechtlich nach § 53 G 131 maßgeblichen Zeitraums für das Eintreten des schädigenden Ereignisses - hier: die geltend gemachte dauernde Dienstunfähigkeit infolge Kriegsverwundung als früherer Wehrmachtssoldat - liegt nicht vor. Die Rüge, der Hessische Verwaltungsgerichtshof habe sie darauf hinweisen müssen, daß es versorgungsrechtlich nur auf die Kriegsbeschädigungen ankomme, die ihr verstorbener Ehemann nach seiner Aufnahme als Berufssoldat erlitten habe, greift nicht durch. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet lediglich dann einen Hinweis, wenn das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozeßbeteiligter nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerfGE 84, 188 <190>). Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Spätestens mit der rechtzeitigen Ablehnung der beantragten Prozeßkostenhilfe durch den Hessischen Verwaltungsgerichthof war die Beschwerdeführerin darüber unterrichtet, daß von versorgungsrechtlicher Relevanz nach dem G 131 nur die vom verstorbenen Ehemann der Beschwerdeführerin während seiner Zeit als Berufssoldat vom 26. August 1942 bis zum Mai 1945 erlittenen Kriegsverwundungen sein könnten.
2. Die im Hinblick auf den angewandten "Stichtagsmaßstab" - Ernennung zum Berufssoldaten in der Wehrmacht - erhobene Gleichheitsrüge bei der Auslegung von § 53 Abs. 1 G 131 trägt nicht. Der allgemeine Gleichheitssatz ist im Versorgungs- und Rentenrecht nur dann verletzt, wenn die (un-)gleiche Behandlung des geregelten Sachverhalts mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also bezogen auf den jeweils zur Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt (BVerfGE 76, 256 <329>; 79, 223 <236>; Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Januar 1991 - 2 BvR 1403/90 u.a. -, NVwZ 1991, S. 662 <663>). Art. 3 Abs. 1 GG hindert den Besoldungs-, Versorgungs- und Rentengesetzgeber danach nicht, Stichtage einzuführen, obwohl das unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfGE 87, 1 <43>; 97, 103 <114 f.>). Dies gilt aufgrund des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen der Gesetzgeber das Besoldungs- und Versorgungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, auch und gerade, wenn sich die tatsächliche Situation derer, die gerade noch in den Genuß einer Regelung kommen, nur geringfügig von der Lage derer unterscheidet, bei denen diese Voraussetzungen fehlen (vgl. Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. April 1995 - 2 BvR 794/91 u.a. -, DVBl 1995, S. 1232, 1233; Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Juli 1999 - 2 BvR 544/97 -, DVBl 1999, S. 1421, 1422). Die verfassungsgerichtliche Prüfung von Stichtagsregeln beschränkt sich folglich darauf, ob der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war.
Die hier beanstandete versorgungsrechtliche Stichtagsregelung unterscheidet im Hinblick auf im Zweiten Weltkrieg erlittene Kriegsbeschädigungen von sogenannten "Stichtagsverpassern" - d.h. den erst nach dem 8. Mai 1935 in die frühere Wehrmacht eingetretenen Berufssoldaten - zwischen solchen die das Opfer in der Rechtsstellung eines Berufssoldaten der Wehrmacht erlitten hat und solchen, die es vor der Begründung dieses berufsmäßigen Dienstverhältnisses erlitten hat. Versorgungsleistungen nach § 53 G 131 sind nur denjenigen ehemaligen Berufssoldaten (und ihren Hinterbliebenen) zu gewähren, deren Dienstunfähigkeit allein auf kriegsbedingte Beschädigungen zurückzuführen ist, die sie nach ihrer Aufnahme als Berufssoldaten erlitten haben. Der sachliche Anknüpfungspunkt für diese Differenzierung findet sich im Beamtendienstrecht bei der Dienstunfähigkeit infolge einer "(Dienst)beschädigung". Bei Beamten wird unter "Dienst" nur der Beamtendienst verstanden. Die entsprechende Anwendung des Merkmals "Dienst" auf Berufssoldaten ergibt, daß der gemäß G 131 betroffene Berufssoldat die versorgungsrechtlich relevanten Beschädigungen nach seiner berufsmäßigen Aufnahme in die frühere Wehrmacht erlitten haben muß. Durch diese Stichtagsbestimmung wird Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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