BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2162/93 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau V...
Lagemannstraße 30, Freudenberg -
gegen | das Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz) vom 13. August 1993 (BGBl I S. 1489) insoweit, als es dazu führt, dass die gemäß §§ 58, 59 des Güterkraftverkehrsgesetzes (BGBl I S. 256), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 21. Februar 1992 (BGBl I, S. 287) bestehenden Frachtenprüfstellen und der Beruf des Tarifeurs ohne Übergangsregelung entfallen, |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Papier
und die Richter Steiner,
Hoffmann-Riem
gemäß § 93 b in Verbindung mit § 93 a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. November 2000 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Aufhebung der Tarifbindung im Güterverkehr und den damit verbundenen Fortfall der Tätigkeit einer Frachtenprüfstelle.
I.
Die Beschwerdeführerin hat bis Ende 1993 eine Frachtenprüfstelle betrieben. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sie sich gegen das Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr insoweit, als dieses dazu führt, dass die Frachtenprüfstellen ihre Aufgaben verloren haben und der Tarifeurtätigkeit die Grundlage entzogen worden ist. Ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist von der 3. Kammer des Ersten Senats durch Beschluss vom 14. Juni 1994 zurückgewiesen worden.
1. Das bis Ende 1993 geltende Güterkraftverkehrsrecht sah für die Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen grundsätzlich verbindliche Regelungen über die Bestimmung der Beförderungsentgelte und die für den Beförderungsvertrag maßgebenden Beförderungsbedingungen (Tarife) vor. Im Bereich des Güterfernverkehrs wurden die Frachtsätze und alle anderen zur Bestimmung des Beförderungsentgelts notwendigen Angaben des Tarifs von Tarifkommissionen festgesetzt. Der Bundesminister für Verkehr erließ die so festgesetzten und von ihm genehmigten Tarife durch Rechtsverordnung. Im Bereich des Umzugsverkehrs galten die Vorschriften mit kleineren Modifikationen entsprechend.
Die Einhaltung der im Güterfernverkehr und im Umzugsverkehr festgelegten Tarife wurde von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr überwacht, einer bundesunmittelbaren Anstalt des öffentlichen Rechts. Die Unternehmen des Güterfern- bzw. des Umzugsverkehrs hatten der Bundesanstalt monatlich die für die Überwachung der Tarife und der Sonderabmachungen erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Das Unternehmen konnte eine Frachtenprüfstelle mit der Vorlage der Unterlagen beauftragen (§ 58 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. März 1983 <BGBl I S. 256>, zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 21. Februar 1992 <BGBl I S. 287; im Folgenden: GüKG a.F.>; § 43 Abs. 2 Satz 1 GüKG a.F. in Verbindung mit § 15 der Verordnung über die Tarifüberwachung nach dem Güterkraftverkehrsgesetz <BGBl I 1984, S. 1518; im Folgenden: GüKTV>). Eine Vorprüfung der Unterlagen durch eine Frachtenprüfstelle hatte für die Unternehmen neben der Sichtung und Ordnung der Unterlagen vor allem den Vorteil, dass sich eine nach GüKG zu leistende Umlage zur Deckung der Kosten der Bundesanstalt ermäßigte.
Frachtenprüfstellen bedurften nach § 58 Abs. 2 Satz 2 GüKG a.F. der Zulassung durch die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr. Sie durften nach § 59 Abs. 1 GüKG a.F. nicht zugelassen werden, wenn nicht die Gewähr dafür gegeben war, dass die mit der Frachtenprüfung Befassten persönlich zuverlässig und fachlich geeignet waren und die für die Durchführung der Prüfung gegebenen Richtlinien der Bundesanstalt ausgeführt wurden. Die Frachtenprüfstellen wurden außerdem von der Bundesanstalt überwacht (§ 17 Abs. 2 GüKTV).
Der Gesetzgeber hatte den Güterkraftverkehrsunternehmen die Möglichkeit der Vorprüfung durch Frachtenprüfstellen vor allem deshalb eröffnet, damit die Leistungsfähigkeit der Straßenverkehrsgenossenschaften - zu denen die Beschwerdeführerin nicht gehörte - als Wirtschaftsorganisationen des Kraftverkehrsgewerbes mit Hilfe des Entgeltes für die Vorprüfung erhalten und gefördert wurde. Den Straßenverkehrsgenossenschaften sollte allerdings kein Monopol für die Vorprüfung zustehen. Deshalb wurden auch andere Stellen zugelassen, wie der Betrieb der Beschwerdeführerin. Die Güterkraftverkehrsunternehmen waren allerdings nicht gehalten, eine Frachtenprüfstelle einzuschalten. Vielmehr konnten sie die Unterlagen auch direkt bei der Bundesanstalt einreichen.
2. Zum 1. Januar 1994 ist das Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterfernverkehr (Tarifaufhebungsgesetz - TAufhG - vom 13. August 1993, BGBl I S. 1489) in Kraft getreten (vgl. Art. 12 Satz 1 TAufhG). Ziel der Neuregelungen ist die Ausweitung der Liberalisierung des Güterverkehrs in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf den Binnenverkehr, da die Märkte für den nationalen und grenzüberschreitenden Verkehr mehr und mehr verflochten sind. Daneben soll die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Transportgewerbes gesichert werden. Eingeführt wird die freie Preisbildung bei den Beförderungsentgelten; die bisher obligatorischen Tarife werden aufgehoben. § 20 GüKG a.F., der bislang die Tarifpflicht regelte, wurde in eine Ermächtigung des Bundesministers für Verkehr umgeformt, die durch die Aufhebung der Tarife gebotenen Änderungen vorzunehmen (vgl. Art. 1 Ziff. 15 TAufhG). §§ 20 a bis 23 GüKG a.F., die unter anderem Regelungen über die Festsetzung der Tarife enthielten, wurden aufgehoben (Art. 1 Ziff. 16 TAufhG). In § 29 GüKG a.F. wurde die Pflicht des Unternehmens des Güterfernverkehrs, das Beförderungsentgelt in den geführten Büchern ersichtlich zu machen, gestrichen. § 40 GüKG a.F., der die Tarife und die Bildung von Tarifkommissionen für den Umzugsverkehr vorsah, wurde aufgehoben.
Die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr wurde in eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr umgewandelt und trägt nun die Bezeichnung Bundesamt für Güterverkehr. Die Aufgaben, die Einhaltung der Tarife durch die Unternehmen des Güterverkehrs zu überwachen, entfiel. Das Bundesamt erhielt durch die Neufassung des § 58 GüKG die Aufgabe, Erhebungen zur Beurteilung der Struktur und der Entwicklung des Straßengüterverkehrs als Bundesstatistik mit Auskunftspflicht durchzuführen (Art. 1 Ziff. 38 TAufhG). § 59 GüKG, der unter anderem die Zulassungsbedingungen für die Frachtenprüfstellen enthalten hatte, regelte jetzt Vorgehensweisen bei der Erhebung und Aufbereitung der Bundesstatistik (Art. 1 Ziff. 39 TAufhG).
Folge des Tarifaufhebungsgesetzes ist also, dass die Tarifpflicht und damit auch die Tarifüberwachung beseitigt sind. Damit ist zugleich das Tätigkeitsfeld der Frachtenprüfstellen fortgefallen.
3. Die Beschwerdeführerin ist als Kauffrau seit 1983 Leiterin und seit 1991 Inhaberin der Firma T., Frachtenprüfstelle. In dieser Firma waren elf Mitarbeiter beschäftigt, denen zum 31. Dezember 1993 gekündigt wurde. Der bestehende Vertrag über die Tätigkeit als Frachtenprüfstelle wurde von der Bundesanstalt für den Güterfernverkehr mit Schreiben vom 2. Juni 1993 unter Bezugnahme auf das In-Kraft-Treten des Tarifaufhebungsgesetzes zum 31. Dezember 1993 - unter Einhaltung der vertraglich für eine ordentliche Kündigung vorgesehenen Frist - gekündigt.
Mit der am 18. Dezember 1993 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin unmittelbar gegen die Regelungen des Tarifaufhebungsgesetzes, soweit sie dadurch in ihren Grundrechten betroffen ist. Sie beantragt,
1. das Gesetz zur Aufhebung der Tarife im Güterverkehr (Tarifaufhebungsgesetz) vom 13. August 1993 (BGBl I S. 1489) wegen Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 12, 14, 2 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und aus Art. 19 Abs. 1 GG insoweit für verfassungswidrig und gegebenenfalls für nichtig zu erklären, als das Gesetz bei seinem In-Kraft-Treten am 1. Januar 1994 dazu führt, dass die gemäß §§ 58, 59 GüKG a.F. bestehenden Frachtenprüfstellen und damit der Beruf des Tarifeurs sowie die Grundlage dieses Berufes im Bereich der Tarifüberwachung ab diesem Zeitpunkt ohne jegliche Überleitungsregelung für die betroffenen Grundrechtsträger entfallen;
2. hilfsweise : den Gesetzgeber - die zuständigen Gesetzgebungsorgane des Bundes - zu verpflichten, das angefochtene Gesetz durch eine Überleitungsregelung zu ergänzen, die geeignet ist, die mit der Tarifaufhebung verbundenen Härten, soweit diese die Tarifeure und Betreiber der Frachtenprüfstellen (§§ 58, 59 GüKG a.F.) unzumutbar treffen, angemessen zu mildern.
Zur Begründung trägt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor:
Die Frachtenprüfung sei die Grundlage ihres Unternehmens und ihres Berufs. Die Tätigkeit als Tarifeur setze voraus, dass im Bereich des Güterkraftverkehrs ein Tarifsystem existiere und dass Frachtenprüfstellen zugelassen seien. Die Neuregelung führe dazu, dass sowohl die Berufswahl als auch die Berufsausübung faktisch unmöglich seien. Sie könne den gewählten Beruf der Tarifeurin nicht mehr zur Grundlage ihrer Erwerbstätigkeit machen und habe den über Art. 14 GG geschützten Betrieb ihrer Frachtenprüfstelle mit Ablauf des Jahres 1993 stilllegen müssen.
Art. 12 Abs. 1 GG komme zwar in der Regel nur für solche Bestimmungen als Maßstabsnorm in Betracht, die sich gerade auf die berufliche Betätigung beziehen und diese unmittelbar zum Gegenstand haben. Der besondere Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG sichern wolle, könne aber auch durch Vorschriften berührt werden, die infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet seien, die Freiheit der Berufswahl mittelbar zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung sei im vorliegenden Fall gegeben. Die mit der Neuregelung beabsichtigte Angleichung deutscher Regelungen an EG-Regelungen dienten nicht einem überragenden Gemeinschaftsgut, weil das Tarifbildungssystem im deutschen Güterfernverkehr mit dem EG-Recht vereinbar sei. Die gesetzgeberische Prognose, dass die Aufhebung der Tarife zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Transportgewerbes beitrage, sei zweifelhaft. Im Gegenteil gefährde die Neuregelung die Existenz vieler mittelständischer Transportunternehmen. Das Gesetz sei auch nicht erforderlich, um die angestrebten Ziele zu erreichen, da Alternativen bestünden, zum Beispiel eine grundsätzliche Beibehaltung des Tarifsystems bei denkbarer europäischer Vereinheitlichung, eine erst spätere Liberalisierung oder ein nur schrittweiser Abbau der Tarifbindungen.
Im Übrigen sei das Gesetz jedenfalls deswegen verfassungswidrig, weil Übergangsregelungen fehlten. Die Vorschriften erfassten beruflich etablierte Personen und Unternehmen, die ihre Tätigkeit seit langer Zeit ausgeübt hätten, mit einer solchen gesetzlichen Regelung nicht bereits seit längerer Zeit hätten rechnen müssen und daher zu einer rechtzeitigen Umstellung ihrer beruflichen Verhältnisse nicht in der Lage gewesen seien. Der Gesetzgeber sei daher verpflichtet, die Frachtenprüfstellen übergangsweise mit sachnahen Tätigkeiten zu betrauen, z.B. an der dem Bundesamt für Güterverkehr obliegenden Marktbeobachtung zu beteiligen.
Art. 14 GG sei verletzt, weil das Tarifaufhebungsgesetz zu einer Einschränkung der eigentumsrechtlichen Position der Inhaber der Frachtenprüfstellen am Gewerbebetrieb führe. Auch hätten die Betreiber von Frachtenprüfstellen mit der Zulassungsentscheidung eine öffentlichrechtliche Rechtsposition erworben, die unter dem Schutz der Eigentumsgewährleistung stehe, jetzt aber entzogen würde.
Die Neuregelung verletze außerdem das Rechtsstaatsprinzip, weil sie "unechte Rückwirkung" entfalte.
4. Die Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr, hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, da der Antrag nicht erkennen lasse, welche Normen des Tarifaufhebungsgesetzes als verfassungswidrig angesehen würden. Auch hinsichtlich der Rüge der Verletzung des Art. 14 GG sei sie unzulässig, da Hoffnungen und Chancen verfassungsrechtlich nicht geschützt seien.
Jedenfalls aber sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Der Beschwerdeführerin werde durch die Tarifaufhebung keine wirtschaftliche Aktivität verboten. Vielmehr werde lediglich den Transportunternehmen kein staatlich festgesetzter Tarif mehr vorgeschrieben, der der Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit möglich gemacht habe. Es fehle daher am Tatbestandsmerkmal des "Eingriffs" in ein Grundrecht.
Der Grundsatz des Vertrauensschutzes komme der Beschwerdeführerin nicht zugute. Die Tarifaufhebung sei seit 1988/89 im Zuge der Arbeiten der auf Beschluss der Bundesregierung vom 16. Dezember 1987 eingesetzten Deregulierungskommission in der allgemeinen Diskussion. Im grenzüberschreitenden Verkehr bestünden bereits seit Anfang 1990 keine Tarife mehr. Der Koalitionsbeschluss zur Tarifaufhebung auch im Binnenverkehr stamme aus dem Juni 1991 und sei in der Fachpresse ausführlich behandelt worden. Der Entwurf des Tarifaufhebungsgesetzes stamme aus dem Juni 1992 und sei den Verbänden zugeleitet worden. Begleitend dazu habe mit der Arbeitsgemeinschaft Frachtenprüfstellen eine ausführliche Diskussion über die Folgen der Tarifaufhebung stattgefunden. Die Verkündung des Tarifaufhebungsgesetzes sei im August 1993 erfolgt. Die Bundesanstalt für den Güterfernverkehr habe die mit den Frachtenprüfstellen bestehenden Verträge, auch die Verträge mit der Beschwerdeführerin, Mitte 1993 gekündigt. Angesichts dieser Abfolge gebe es keinen Anlass für die von der Beschwerdeführerin geforderte Übergangsregelung.
5. Die Arbeitsgemeinschaft Frachtenprüfstellen e.V. trägt im Wesentlichen vor, dass es den Frachtenprüfstellen angesichts des Ablaufs des Gesetzgebungsverfahrens nicht möglich gewesen sei, sich auf die neue Rechtslage einzurichten.
II.
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung kommt ihr nicht zu (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Soweit die Verfassungsbeschwerde Fragen der Berufs- und Eigentumsfreiheit aufwirft, sind sie durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Grundrechte angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Denn die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
1. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist in erster Linie das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.
a) Art. 12 GG schützt die freie Berufswahl und freie Berufsausübung. Die Berufsfreiheit umfasst jede Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient; auch eine mit der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe verknüpfte Tätigkeit ist ein Beruf (vgl. BVerfGE 7, 377 <397 f.>; 54, 301 <313>; 97, 228 <252 f.>). Die Beschwerdeführerin hatte den Beruf als Tarifeurin ausgeübt und dabei insbesondere die im Güterfernverkehrs- und Umzugsverkehrsrecht vorgesehenen Aufgaben einer Frachtenprüfstelle wahrgenommen. Der Wegfall eines Zulassungsverfahrens für Frachtenprüfstellen belastet die Beschwerdeführerin nicht. Ihre Verfassungsbeschwerde greift nicht dies an, sondern die Beseitigung der Tarifregulierung, die ihr eine bestimmte berufliche Betätigung ermöglichte.
Der Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit kann durch diese Regelungen nur berührt sein, wenn sie gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Es genügt nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfaltet. Das ist bei vielen Normen der Fall. Vorausgesetzt ist vielmehr, dass die Norm, auf die die Maßnahme gestützt ist, berufsregelnde Tendenz hat (vgl. BVerfGE 70, 191 <214>; 81, 108 <121 f.>; 95, 267 <302>; stRspr).
b) Die angegriffenen Regelungen berühren den Schutzbereich der Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin nicht, denn ihnen fehlt eine den Beruf der Tarifeure regelnde Tendenz.
Zweck der Regelungen ist eine Marktneuordnung unter Berücksichtigung der europäischen Entwicklung und der vom Gesetzgeber vorgenommenen Einschätzung über die angemessenen Bedingungen der Wettbewerbsfähigkeit. Die gesetzliche Neuregelung, insbesondere die Aufhebung der Tarife, führt allerdings dazu, dass es eine Nachfrage nach der von der Beschwerdeführerin angebotenen Leistung nicht mehr gibt. Dies ist eine Folge daraus, dass der Gesetzgeber eine frühere wirtschaftspolitische Entscheidung über die rechtliche Ausgestaltung des Güterverkehrs revidiert und ein System intensiver Wirtschaftslenkung durch das einer Marktsteuerung ersetzt hat. Damit hat er für die in diesem Wirtschaftsbereich bisher Tätigen sowohl begünstigende als auch belastende Wirkungen herbeigeführt. Während die bisher tarifgebundenen Unternehmen nunmehr rechtliche Freiheit bei der Ausübung ihres Berufs vorfinden, ist für die mittelbar in das bisherige System der Wirtschaftslenkung einbezogenen Frachtenprüfstellen bzw. Tarifeure die Möglichkeit entfallen, eine auf die bisherige Bindung der Verkehrsunternehmen bezogene Tätigkeit fortzuführen.
Der Regelungsgehalt der neuen Vorschriften besteht im Wesentlichen in der Aufhebung der Reglementierungen der Beförderungsentgelte und -bedingungen im Güterkraftverkehr sowie in der deswegen erforderlichen Anpassung und Neuregelung des Aufgabenbereichs des Bundesamtes für den Güterverkehr. Die Rechtsfolgen sind nicht darauf gerichtet, den unternehmerischen Verhaltensspielraum der Beschwerdeführerin im Wege von Geboten oder Verboten oder gar von Sanktionen zu regeln. Die Betroffenheit der Beschwerdeführerin ist vielmehr eine faktische Wirkung der angegriffenen Vorschriften. Die Tarifüberwachung verliert ihre Grundlage, die nur bei bestehender Tarifpflicht gegebenen ist.
Dadurch aber werden die Wahl und Ausübung des Berufs eines Tarifeurs nicht als solche rechtlich beschränkt. Die Beschwerdeführerin kann ihn weiter wählen; dies aber wird faktisch ins Leere gehen, weil durch den Wegfall der Tarifbindung die Anreize für die Verkehrsunternehmen fehlen, die Leistungen der Beschwerdeführerin nachzufragen. In der Folge kann sie ihren Beruf nicht mehr mit der Chance der Sicherung einer Lebensgrundlage ausführen, ohne daran aber durch den Staat gehindert zu sein. Ziel der staatlichen Regelung ist es nicht, die berufliche Tätigkeit der Tarifeure in irgend einer Hinsicht zu steuern, sondern die Verkehrsunternehmen von bisherigen Bindungen freizustellen, von denen die Tarifeure allerdings bis dahin mittelbar profitiert hatten.
Der Gesetzgeber hatte die Tarifbindung in der Vergangenheit nach eigener wirtschaftspolitischer Einschätzung geschaffen, ohne dazu verfassungsrechtlich verpflichtet gewesen zu sein. Nunmehr hat er sich unter Nutzung seines Freiraums bei der Bestimmung wirtschaftspolitischer Ziele und der Beurteilung der zu ihrer Verfolgung geeigneten Maßnahmen und unter Respektierung der europäischen Entwicklung entschieden, die Rahmenbedingungen in Richtung auf eine Liberalisierung zu verändern. Eine Stoßrichtung auf die Tarifeure entsprach weder der Intention des Gesetzgebers noch der objektiven Tendenz der geschaffenen Regelung. Da die Tarifeure keine rechtlich gesicherte Position auf Fortbestand einer Nachfrage nach ihren Leistungen hatten, konnte der Gesetzgeber die neue wirtschaftspolitische Weichenstellung ohne besonderen Blick auf die Rechtsstellung der Tarifeure vornehmen. Berufsregelnden Charakter hat die Neuregelung zwar für die Verkehrsunternehmen, nicht aber für die Tarifeure (vgl. den parallelen Beschluss der Kammer vom 29. November 2000 - 1 BvR 422/94 -).
2. Die Eigentumsfreiheit der Tarifprüfstellen (Art. 14 Abs. 1 GG) wird durch die Neuregelung ebenfalls nicht berührt. Art. 14 Abs. 1 GG schützt den konkreten Bestand an vermögenswerten Rechten vor ungerechtfertigten Eingriffen durch die öffentliche Gewalt (vgl. BVerfGE 31, 229 <239>). Bloße Chancen und tatsächliche Gegebenheiten sind aus dem Schutzbereich dieser Norm ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 68, 193 <222 f.>; 77, 84 <118>). Dies gilt auch dann, wenn diese Chancen der Reflex einer rechtlichen Regelung sind, die eine Nachfrage nach den Leistungen bewirkt, auf denen die Erwerbschance beruht. So liegt es hier. Eine andere rechtliche Beurteilung ist nicht etwa deshalb angezeigt, weil die Betreiber von Frachtenprüfstellen mit der Zulassungsentscheidung eine öffentlichrechtliche Rechtsposition erworben hätten. Die Zulassung gewährt eine Rechtsposition nur, solange es ein Zulassungserfordernis gibt. Nicht etwa schafft sie ein Recht auf Fortbestand des rechtlichen Zulassungsregimes. Mit Wegfall der Tarifbindung gab es kein rechtliches Interesse des Gesetzgebers an der Überprüfung der Zulassungsfähigkeit einer Tarifprüfstelle.
3. Die Beschwerdeführerin hat eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes erworben, der zumindest eine Übergangsregelung erforderlich gemacht hätte. Übergangsregelungen können im Zusammenhang von Neuregelungen aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geboten sein (vgl. BVerfGE 50, 265 <273 ff.>; 64, 72 <83 f.>; 72, 175 <196>), aber nur, wenn die Neuregelung einen Eingriff in den Schutzbereich der Grundrechtsnorm darstellt. Daran fehlt es hier.
Abgesehen davon hat der Staat die Beschwerdeführerin oder andere Frachtenprüfstellen nicht zu Investitionen und Dispositionen veranlasst. Der Gesetzgeber hat vielmehr lediglich die Möglichkeit der Vorprüfung durch Frachtenprüfstellen geschaffen, insbesondere um den Straßenverkehrsgenossenschaften zusätzliche Einnahmen zu bieten. Ein Unternehmen, dass sich auf diese Vorprüfungstätigkeit spezialisierte und sie als tragende Erwerbsquelle nutzte, konnte nicht darauf vertrauen, dass das System der Tarifpflicht und Tarifkontrolle auf Dauer aufrechterhalten bleiben würde.
Das spiegelt sich auch darin, dass die mit dem Tarifeur vertraglich vereinbarte Ermächtigung und Verpflichtung, von den Verkehrsunternehmen die zur Deckung der Kosten der Bundesanstalt vorgesehenen Umlagen zu erheben (§ 75 Abs. 1 GüKG a.F.), mit einer halbjährigen Frist zur ordentlichen Kündigung versehen war. Ein über diese von vornherein eingeschränkte Rechtsposition hinaus bestehendes Vertrauen kann aber nicht geschützt sein. Der Vertrag ist fristgerecht gekündigt worden.
Im Übrigen hat der zeitliche Vorlauf der Neuregelung - wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme dargestellt hat - mehrere Jahre betragen, so dass seit längerem eine grundsätzliche Änderung der Rechtslage absehbar war. Der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes erforderte daher nicht ein weiteres Hinausschieben der Regelung. Da die Beschwerdeführerin keine rechtlich geschützte Position inne hatte, gab es auch keine Pflicht zur übergangsweisen Ermöglichung einer anderen Betätigung im Umfeld des Bundesamtes für Güterverkehr.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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