BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 1387/17 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K…, |
- Bevollmächtigte:
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Kanzlei Klingner & Kollegen,
Budapester Straße 49, 20359 Hamburg -
gegen |
den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts |
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vom 22. Juni 2017 - 4 Bs 125/17 - |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Masing,
Paulus
und die Richterin Ott
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 30. Juni 2017 einstimmig beschlossen:
- Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
G r ü n d e :
I.
1. Der Beschwerdeführer und Antragsteller ist Anmelder und vorgesehener Leiter einer geplanten Veranstaltung mit dem Tenor „Antikapitalistisches Camp - Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen“, die über den Zeitraum des am 7. und 8. Juli 2017 in Hamburg stattfindenden G20-Gipfels in Form eines politischen Protestcamps stattfinden soll. Für Einzelheiten zum Tatbestand wird auf den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 -, www.bverfg.de, verwiesen.
2. Am 28. Juni 2017 hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts einem Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 1 BVerfGG teilweise stattgegeben und die Freie und Hansestadt Hamburg verpflichtet, über die Duldung des vom Antragsteller angemeldeten Protestcamps nach versammlungsrechtlichen Grundsätzen nach weiterer Maßgabe der Entscheidungsgründe zu entscheiden.
3. Der Antragsteller gibt an, im Zuge eines versammlungsbehördlichen Kooperationsgesprächs am 29. Juni 2017 hätten ihm die Vertreter der Versammlungsbehörde mitgeteilt, im Protestcamp werde nicht genächtigt werden dürfen, Küchen würden nicht zugelassen und nur einige Toiletten würden erlaubt.
Ein Bescheid der Versammlungsbehörde ist nicht ergangen.
Der Antragsteller beantragt nunmehr wörtlich,
den Beschluss des Gerichts vom 28.7.2017 (Ziffer 1.) wie folgt klarstellend zu ergänzen:
1. Die Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch die Behörde für Inneres und Sport - Polizei - wird verpflichtet, über die Duldung der Veranstaltung mit dem Tenor „Antikapitalistisches Camp - Alternativen zum Kapitalismus leben und sichtbar machen“ als Versammlungsbehörde nach Maßgabe der Entscheidungsgründe (2 b cc) sowie der nachstehenden Vorgaben versammlungsrechtlich zu entscheiden:
Auf dem jeweiligen Versammlungsgelände ist
- das Übernachten der Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer zuzulassen;
- zu gestatten, dass Zelte zu Übernachtungszwecken in ausreichender Zahl für alle Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aufgestellt werden;
- die Versorgung der Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Essen und Getränken zu erlauben;
- zu gestatten, dass Toiletten in ausreichender Zahlung (sic.) für alle Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer aufgestellt werden.
4. Nach Auffassung des Antragstellers nutze die Versammlungsbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg die Interpretationsspielräume des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts, um das angemeldete Protestcamp zu verhindern. Nach dem Verständnis des Antragstellers seien nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts sowohl das Übernachten wie auch weitere Infrastruktur und Essensversorgung der Campteilnehmer zuzulassen. Es bedürfe dieser Klarstellung, um die Durchsetzung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit zu ermöglichen. Andernfalls liefe der Rechtsschutz des Antragstellers ins Leere. Der weitere Eilantrag sei zum jetzigen Zeitpunkt zulässig, denn bereits jetzt stehe fest, dass die zu erwartende Verfügung nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entsprechen werde. Dem Antragsteller sei nicht zuzumuten, auf die Verfügung zu warten, da die Versammlung bereits am Freitag, dem 30. Juni 2017 beginnen solle. Erst recht sei das Durchlaufen des Instanzenzugs nicht zumutbar, da dies einen effektiven Rechtsschutz nicht mehr ermöglichen würde.
II.
Der Antrag auf Klarstellung und Ergänzung ist als Antrag auf Erlass einer weiteren einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG auszulegen. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Mai 2017 - 2 BvR 27/17 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 10. April 2017 - 1 BvQ 13/17 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvQ 9/14 -, juris, Rn. 2; stRspr). Daran fehlt es hier. Eine solche Inanspruchnahme ist dem Antragsteller in Ansehung des erweiterten versammlungsrechtlichen Eildienstes der Hamburgischen Verwaltungsgerichtsbarkeit (http://justiz.hamburg.de/verwaltungsgericht/) auch zumutbar.
Nach dem Beschluss vom 28. Juni 2017 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. Juni 2017 - 1 BvR 1387/17 -, www.bverfg.de, Rn. 29) ist „ein Ausgleich geboten, der dem Antragsteller die Durchführung eines Protestcamps anlässlich des G20-Gipfels möglichst weitgehend ermöglicht, andererseits müssen aber nachhaltige Schäden des Stadtparks verhindert und die diesbezüglichen Risiken für die öffentliche Hand möglichst gering gehalten werden.“ Dieser Ausgleich kann grundsätzlich nicht durch das Bundesverfassungsgericht selbst hergestellt werden, sondern verlangt eine Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen vor Ort, wie sich schon aus den Maßgaben der Entscheidung selbst ergibt. Die Kammer hat hierzu ausgeführt: „Hierbei kann auch berücksichtigt werden, in welchem Umfang die Maßnahmen notwendige Infrastruktur zu eigenständigen Versammlungselementen darstellen und wieweit sie darüber hinausgehen. Insbesondere sind die Behörden berechtigt, die Errichtung von solchen Zelten und Einrichtungen zu untersagen, die ohne Bezug auf Akte der Meinungskundgabe allein der Beherbergung von Personen dienen sollen, welche anderweitig an Versammlungen teilnehmen wollen.“
Es ist Sinn des Subsidiaritätsprinzips, die Realisierung solcher Anforderungen den fachnahen Instanzen vor Ort zu überlassen. Gelingt dieser Ausgleich nicht im Rahmen der Kooperation zwischen den Beteiligten, ist er folglich, gegebenenfalls auf der Grundlage behördlicher Entscheidungen, vor den Verwaltungsgerichten zu suchen. Es ist grundsätzlich weder Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts noch ist es ihm in der Regel möglich, diesen Ausgleich im Einzelfall selbst herbeizuführen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Masing | Paulus | Ott | |||||||||