Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit dem Grundstückskomplex "Komische Oper" in Berlin

Pressemitteilung Nr. 4/1998 vom 21. Januar 1998

Beschluss vom 30. Dezember 1997
1 BvR 2339/95

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat Verfassungsbeschwerden einer GmbH, die im Grundbuch als Eigentümerin eines zum Komplex "Komische Oper" gehörenden Grundstücks eingetragen ist, gegen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) und des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht zur Entscheidung angenommen. Beide Gerichte hatten entschieden, daß die Beschwerdeführerin Ansprüche auf das Grundstück nicht mehr geltend machen könne.

I.

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH mit Sitz in Westdeutschland. Ihre Geschäftsanteile befinden sich seit Gründung im Jahre 1899 (damals noch Aktiengesellschaft deutschen Rechts mit Sitz in Berlin-Charlottenburg) zu über 90% in den Händen der schwedischen Muttergesellschaft. 1936 erwarb die Beschwerdeführerin das fragliche Grundstück. 1951 wurde dieses unter staatliche Verwaltung gestellt.

Am 24. Oktober 1986 schlossen die Regierungen Schwedens und der DDR ein Abkommen zur Regelung vermögensrechtlicher Fragen. Mit diesem Abkommen sollten alle zwischen den Vertragspartnern offenen vermögensrechtlichen Ansprüche endgültig geregelt sein. Auf seiner Grundlage zahlte die DDR an Schweden eine Globalentschädigung, von der die schwedische Regierung der Muttergesellschaft der Beschwerdeführerin einen Betrag u.a. für das erwähnte Grundstück der Beschwerdeführerin zuwies.

Nachdem die Beschwerdeführerin die Aufhebung der staatlichen Verwaltung über das Grundstück beantragt hatte, veräußerte sie es 1992 an einen privaten Interessenten. Die Eigentumsübertragung (Eintragung des Käufers als Eigentümer im Grundbuch) wurde jedoch nicht vollzogen. Das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (Bundesamt) hatte zwischenzeitlich das Grundbuchamt um Eintragung eines Zustimmungsvorbehalts gemäß § 11c VermG i.V.m. § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG ersucht. Ein solcher Vorbehalt bringt zum Ausdruck, daß der im Grundbuch eingetragene Eigentümer das Eigentum am Grundstück nur mit Zustimmung des Bundesamtes veräußern kann.

Die Vorschriften lauten auszugsweise:

§ 11c VermG:

"Über Vermögenswerte, die Gegenstand der in § 1 Abs. 8 Buchst. b bezeichneten Vereinbarungen sind, darf nur mit Zustimmung des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen verfügt werden. Für Grundstücke, Gebäude und Grundpfandrechte gilt dies nur, wenn im Grundbuch ein Zustimmungsvorbehalt unter Angabe dieser Vorschrift eingetragen ist. Das Grundbuchamt trägt den Zustimmungsvorbehalt nur auf Ersuchen des Bundesamts zur Regelung offener Vermögensfragen ein. Gegen das Ersuchen können der eingetragene Eigentümer oder seine Erben Widerspruch erheben, der nur darauf gestützt werden kann, daß die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vorliegen".

§ 1 Abs. 8 Buchst. b VermG:

"Dieses Gesetz gilt vorbehaltlich seiner Bestimmungen über Zuständigkeiten und Verfahren nicht für vermögensrechtliche Ansprüche, die seitens der Deutschen Demokratischen Republik durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt wurden."

Gegen das Ersuchen des Bundesamts klagte die Beschwerdeführerin. In letzter Instanz wies das BVerwG die Klage ab. Zur Begründung hieß es u.a., das Ersuchen betreffe ein Grundstück, das Gegenstand des genannten Abkommens der Regierungen Schwedens und der DDR sei. Diesem Ergebnis stehe im Hinblick auf die Schweden gewährte Entschädigung und den der Muttergesellschaft der Beschwerdeführerin daraus zugeflossenen Betrag nicht entgegen, daß zwischen den Vertragsparteien ein Dissens darüber bestanden habe, ob von dem Begriff der schwedischen juristischen Personen in Art. 2 Abs. 1 des Abkommens auch Gesellschaften erfaßt werden sollten, die - wie die Beschwerdeführerin - ihren Sitz außerhalb Schwedens hatten, aber von einer Gesellschaft mit Sitz in Schweden beherrscht und kontrolliert wurden (sogenannte mittelbare Vermögenswerte). Die Beschwerdeführerin könne daher nur mit Zustimmung des Bundesamts über das Grundstück verfügen.

Mit im wesentlichen gleicher Begründung wies der BGH eine Klage der Beschwerdeführerin gegen das Land Berlin auf Auskunft und Rechnungslegung über die Verwaltung des in Rede stehenden Grundstücks ab.

Gegen beide Urteile erhob die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde und rügte insbesondere eine Verletzung der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG.

II.

Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

  1. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.

    Die Annahme der beiden Gerichte, Ansprüche auf das Grundstück hätten sich mit der im Abkommen von 1986 vereinbarten Entschädigungsleistung endgültig erledigt, betrifft die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts. Maßstab ist insoweit vorrangig das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Anhaltspunkte dafür, daß die Urteile auf Willkür im Sinne einer krassen Verkennung der Rechtslage beruhen, sind jedoch nicht ersichtlich.

    Die Gerichte haben in vertretbarer Weise nachvollziehbar begründet, weshalb sich das zwischenstaatliche Abkommen trotz des Dissenses der Vertragsparteien über den Begriff der "schwedischen juristischen Person" auch auf das fragliche Grundstück bezieht. Mithin hatte die Beschwerdeführerin aufgrund der Vereinbarung im zwischenstaatlichen Abkommen das Eigentum am Grundstück verloren und zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung keine Rechtsposition mehr inne, in die durch das VermG und dessen Auslegung durch das BVerwG und den BGH hätte eingegriffen werden können.

  2. Einen Verstoß gegen die Bindung des Richters an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) oder auch gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) lassen die angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen ebenfalls nicht erkennen. Die vom BVerwG und vom BGH zur Begründung dieser Entscheidungen angestellten Erwägungen überschreiten nicht die Grenzen richterlicher Entscheidungsbefugnis.

    Die Gerichte haben die Vorschriften des VermG auf der Grundlage anerkannter Methoden ausgelegt und dabei berücksichtigt, daß die an Schweden geleistete Entschädigung auch zum Ausgleich des Verlusts "mittelbarer Vermögenswerte" (s.o.) verwandt werden durfte und wie im Falle der Beschwerdeführerin durch Zahlungen an ihre Muttergesellschaft tatsächlich auch verwandt worden ist. Diese rechtliche Beurteilung ist wie die Auslegung des Abkommens selbst verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und hält sich im Rahmen herkömmlicher Gesetzesauslegung.