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Aufgabenerweiterung für Bundesgrenzschutz ist verfassungsgemäß

Pressemitteilung Nr. 14/1998 vom 20. Februar 1998

Beschluss vom 28. Januar 1998
2 BvF 3/92

Der Zweite Senat des BVerfG hat in einem Normenkontrollverfahren entschieden, daß das GG es zuläßt, Aufgaben der Bahnpolizei und der Sicherung der Flughäfen dem Bundesgrenzschutz zu übertragen.

I.

Seit dem 1. April 1992 nimmt der Bundesgrenzschutz die Aufgaben der Bahnpolizei und des Fahndungsdienstes der Deutschen Bundesbahn sowie des Schutzes der Flughäfen vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs wahr. Dies beruht auf dem "Gesetz zur Übertragung der Aufgaben der Bahnpolizei und der Luftsicherheit auf den Bundesgrenzschutz" (Aufgabenübertragungsgesetz). Das Gesetz änderte das Bundesgrenzschutzgesetz und das Luftverkehrsgesetz.

Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte die Überprüfung der Vorschriften durch das BVerfG beantragt. Sie ist der Auffassung, daß Kompetenzen der Länder verletzt wurden. Diesen - und nicht dem Bund - oblägen nach dem GG die Abwehr allgemeiner Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie die polizeilichen Aufgaben der Strafverfolgung.

II.

Der Zweite Senat hat entschieden, daß die zur Prüfung gestellten Vorschriften mit dem GG vereinbar sind.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Der Bundesgesetzgeber darf dem Bundesgrenzschutz weitere Verwaltungsaufgaben zuweisen, wenn er sich für deren Wahrnehmung auf eine Kompetenz des GG stützen kann und die jeweilige Aufgabe nicht von Verfassungs wegen einem bestimmten Verwaltungsträger vorbehalten ist. Weiterhin darf durch die Zuweisung der neuen Aufgaben das Gepräge des Bundesgrenzschutzes als einer Sonderpolizei zur Sicherung der Grenzen des Bundes und zur Abwehr bestimmter, das Gebiet oder die Kräfte eines Landes überschreitender Gefahrenlagen nicht in Frage gestellt werden. Der Bundesgrenzschutz darf nicht zu einer allgemeinen, mit den Landespolizeien konkurrierenden Bundespolizei ausgebaut werden und damit sein Gepräge als Polizei mit begrenzten Aufgaben verlieren.

Nach diesem verfassungsrechtlichen Maßstab ist sowohl die Übertragung bahnpolizeilicher Aufgaben (1.) als auch die des Schutzes vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs auf Flugplätzen (2.) mit dem GG vereinbar.

  1. Der Senat legt dar, daß der Bund seit jeher für die Aufgaben der Bahnpolizei die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz hatte. Nach der Neugestaltung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen im Zuge der Neuordnung des Eisenbahnwesens durch verfassungsänderndes Gesetz vom 20. Dezember 1993 steht dem Bund die Verkehrsverwaltung seiner Eisenbahnen zu. In dieser Kompetenz sind die Aufgaben der Bahnpolizei auf dem Gebiet der Bahnanlagen mitenthalten. Das GG behält die Aufgaben der Bahnpolizei nicht einem bestimmten Verwaltungsträger vor. Es gilt insoweit die Regel, daß die Einrichtung der Bundesbehörden im einzelnen im Organisationsermessen des Bundes liegt. In diesem Rahmen ist es sachgerecht, daß der bundesweit organisierte Bundesgrenzschutz, dem bestimmte Teilbereiche der Abwehr von - Gebiet oder Kraft eines Landes überschreitenden - Gefahren übertragen sind, auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung bei dem bundesweiten Betrieb des Massenverkehrsmittels Eisenbahn gewährleistet.

    Die Behörden und Beamten des Bundesgrenzschutzes haben in ihrer Eigenschaft als Bahnpolizei auch polizeiliche Aufgaben der Strafverfolgung wahrzunehmen. Vor dem Aufgabenübertragungsgesetz waren Bedienstete der Bahn - Bahnpolizei oder Fahndungsdienst - mit polizeilichen Aufgaben der Strafverfolgung befaßt. Die Regelungen des Aufgabenübertragungsgesetzes begrenzen diese nun dem Bundesgrenzschutz zukommenden Aufgaben. Sie schließen eine Umwandlung des Bundesgrenzschutzes in eine mit Landespolizeien konkurrierende allgemeine Bundespolizei aus.

  2. Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung werden nach dem GG in bundeseigener Verwaltung wahrgenommen. Doch kann der Bund diese Aufgaben durch Gesetz den Ländern als Angelegenheiten der Auftragsverwaltung übertragen. Der Gesetzgeber hat von dieser Kompetenz Gebrauch gemacht. Es handelt sich um den Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs auf den Flughäfen, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten. Dem dienen Personen- und Gepäckkontrollen. Der Bund kann die übertragenen Aufgaben völlig oder teilweise zurücknehmen. Eine Regelung, nach der der Bundesminister des Innern auf Antrag eines Landes die Kontrolle durch den Bundesgrenzschutz ausführen läßt, ist mit dem GG vereinbar.

Die hiergegen von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens erhobenen Bedenken greifen nicht durch.