Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Saarländisches Pressegesetz

Pressemitteilung Nr. 17/1998 vom 26. Februar 1998

Beschluss vom 14. Januar 1998
1 BvR 1995/94

Der Erste Senat des BVerfG hat mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das Gegendarstellungsrecht im Saarländischen Pressegesetz (SPresseG) wegen Unzulässigkeit verworfen.

I.

§ 11 SPresseG war im Mai 1994 geändert worden. Die Änderungen haben im wesentlichen folgenden Inhalt:

  • Die Verpflichtung, eine Gegendarstellung an gleichwertiger, der Seite der Erstmitteilung entsprechender Stelle, mit gleicher Schrift und gleicher Aufmachung abzudrucken (Abs. 3).
  • Die Gegendarstellung soll bei Verwendung graphischer oder fotografischer Mittel, die in einem Zusammenhang mit dem beanstandeten Text stehen, bei einem berechtigten Interesse der betroffenen Person oder Stelle mit gleichwertigen graphischen oder fotografischen Bestandteilen erfolgen (Abs. 3).
  • Zusätze zur Gegendarstellung sind nicht statthaft. Eine Erwiderung darf nicht auf derselben Seite erfolgen und muß sich, sofern sie in derselben Nummer des Druckwerks oder am selben Tag erscheint, auf tatsächliche Angaben beschränken.

Gegen diese gesetzlichen Bestimmungen erhoben die Saarbrücker Zeitung Verlag und Druckerei GmbH sowie acht verantwortliche Redakteurinnen und Redakteure der "Saarbrücker Zeitung" Verfassungsbeschwerde.

Sie rügten die Verletzung ihres Grundrechts auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG).

II.

Der Erste Senat hat entschieden, daß die Verfassungsbeschwerden unzulässig sind, weil ihnen der Grundsatz der Subsidiarität entgegensteht. Die Beschwerdeführer können Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren erlangen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Zwar sind die Beschwerdeführer durch § 11 Abs. 3 SPresseG selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen. Auch für Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze gilt jedoch der Grundsatz der Subsidiarität. Danach ist eine Verfassungsbeschwerde dann unzulässig, wenn der Beschwerdeführer in zumutbarer Weise Rechtsschutz durch die Anrufung der Gerichte erlangen kann. Ein Verweis auf den Rechtsweg ist besonders dann geboten, wenn das angegriffene Gesetz den Gerichten Entscheidungsspielräume beläßt, die für die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit Gewicht erlangen können.

Im vorliegenden Fall können die Beschwerdeführer Abhilfe auf dem Rechtsweg erlangen. Sofern ein Streit gerichtlich ausgetragen wird, haben die Zivilgerichte die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlage zu prüfen und ggf. die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Sie müssen bei der Auslegung und Anwendung von § 11 Abs. 3 SPresseG das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG beachten (vgl. auch Beschluß des Ersten Senats vom 14. Januar 1998 in den Verfahren 1 BvR 1861/93 u.a.; Pressemitteilung Nr. 16/98 vom 26. Februar 1998). Die Norm läßt für eine Berücksichtigung dieses Grundrechts auch ausreichenden Spielraum. Sie ist nicht derart rigide abgefaßt, daß das Ergebnis ihrer Anwendung auf den konkreten Streitfall restlos vorherbestimmt wäre.

Die Gerichte werden insbesondere zu klären haben, was die Pflicht, die Gegendarstellung an gleichwertiger, der Seite der Erstmitteilung entsprechender Stelle, mit gleicher Schrift und gleicher Aufmachung zu veröffentlichen, bedeutet und wie bei ihrer Auslegung und Anwendung die Anforderungen der Pressefreiheit mit dem Persönlichkeitsschutz des von der Presseberichterstattung Betroffenen in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden können. Das gilt erst recht für die Verpflichtung, bei graphischer oder fotografischer Anreicherung der Meldung auch die Gegendarstellung mit gleichwertigen graphischen oder fotografischen Bestandteilen auszustatten. Schließlich lassen selbst das Verbot von Zusätzen und die Beschränkung von Erwiderungen nach ihrem Sinn und Zweck noch Auslegungsspielräume.

Der Senat führt aus, daß den Beschwerdeführern der Verweis auf die Fachgerichte auch zumutbar ist. Insbesondere besteht kein unzumutbares Bußgeldrisiko, weil sich die Bußgeldvorschrift des § 22 Abs. 1 Nr. 3 SPresseG nicht auf die Neuregelungen des § 11 SPresseG bezieht.

Eine Ausnahme vom Grundsatz der Subsidiarität ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Bedeutung der Verfassungsbeschwerden geboten. Zwar werfen die Verfassungsbeschwerden Fragen auf, die in der Rechtsprechung des BVerfG noch nicht beantwortet sind. Insbesondere hat das Glossierungsverbot noch keine verfassungsrechtliche Prüfung erfahren. Das allein verleiht den Verfassungsbeschwerden aber keine allgemeine Bedeutung. Das Glossierungsverbot hat bislang nicht in einer größeren Zahl von Fällen zu Streit oder Zweifeln bei der Anwendung der presserechtlichen Bestimmungen geführt.

Karlsruhe, den 26. Februar 1998