Bundesverfassungsgericht

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Antrag der NPD auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt

Pressemitteilung Nr. 48/1998 vom 30. April 1998

Beschluss vom 30. April 1998
1 BvQ 9/98

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat den heute Mittag eingegangenen Antrag der NPD auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag bezog sich darauf, die sofortige Vollziehung der gerichtlich bestätigten Verbotsverfügung der Stadt Leipzig auszusetzen, soweit sie den für den 1. Mai 1998 angemeldeten Aufzug betrifft. Hinsichtlich der Kundgebung war die NPD bereits beim Oberverwaltungsgericht (OVG) erfolgreich.

Zur Begründung der Ablehnung heißt es u.a.:

Das BVerfG kann im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Der Antrag der NPD ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Er wirft vielmehr die Frage auf, ob die angegriffenen Entscheidungen dem Grundrecht der Antragstellerin auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG ausreichend Rechnung getragen haben. Das gilt in besonderem Maß für die Verbotsverfügung der Stadt Leipzig.

Dessen ungeachtet liegen die Voraussetzungen für den Erlaß der einstweiligen Anordnung nicht vor. Das OVG hat seine Entscheidung auf eine Gefahrenprognose gestützt, nach der das Versammlungsverbot zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist.

Eine verfassungsgerichtliche Nachprüfung dieser Prognose und eine verantwortliche Abwägung der betroffenen Rechtsgüter wäre nur in voller Kenntnis der maßgeblichen Umstände und unter Anhörung aller Beteiligten möglich. Dies läßt sich in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erreichen. Unter diesen Umständen sieht sich das BVerfG zu einer abweichenden Beurteilung nicht in der Lage.