Bundesverfassungsgericht

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Zur Frage, ob LPG-Rechtsnachfolgerinnen "Fondsausgleichszahlungen" an ausscheidende Mitglieder zurückzahlen müssen

Pressemitteilung Nr. 55/1998 vom 20. Mai 1998

Beschluss vom 05. Mai 1998
1 BvR 1131/94

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde einer Agrargenossenschaft (= Rechtsnachfolgerin einer LPG) nicht zur Entscheidung angenommen. Das Verfahren betraf die Frage, ob "Fondsausgleichszahlungen" Inventarbeiträgen im Sinne des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes von 1991 (LwAnpG) gleichstehen und an ausscheidende Mitglieder zurückzuzahlen sind.

I.

1. Das LPG-Recht kannte mehrere Formen des genossenschaftlichen Zusammenschlusses. Sie unterschieden sich nach dem Umfang der Einbringungspflicht:

LPG Typ I: Einzubringen waren nur Ackerflächen; das Betriebsinventar (Vieh und Maschinen) sowie das Grünland wurden nicht in die LPG eingebracht. Es bildete die Grundlage für die individuell betriebene Viehwirtschaft.

LPG Typ III: Einzubringen waren die gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen und das Betriebsinventar.

Ab Mitte der 60er Jahre schlossen sich zunehmend LPG Typ I und Typ III zusammen. Aufgrund des in der Regel vergleichsweise geringeren Vermögens der LPG Typ I mußten deren Mitglieder zusätzlich zu dem zu erbringenden Pflichtinventar einen Ausgleich in Höhe der verbleibenden Differenz der LPG-Vermögen (= Fondsbesatz) leisten. Diese individuellen Leistungen der LPG Typ I-Mitglieder wurden als Fondsausgleichsbetrag bezeichnet. Die Höhe der Fondsausgleichsbeträge wurde durch eine Gegenüberstellung des genossenschaftlichen Fondsvermögens der am Zusammenschluß beteiligten LPG ermittelt. Gegengerechnet wurde sodann der auf das betreffende Mitglied entfallende Anteil am Vermögen der LPG Typ I. Des weiteren wurde das unmittelbar in die LPG Typ III eingebrachte Vermögen berücksichtigt. Soweit diese beiden Posten wertmäßig das einzubringende Vermögen überstiegen, verblieb ein rückzahlbarer Überinventarbeitrag. Soweit das eingebrachte Vermögen hinter dem einzubringenden Vermögen zurückblieb, war die Differenz bar zu entrichten.

2. Die Alleinerbin eines 1990 verstorbenen früheren LPG-Mitgliedes verlante von der Beschwerdeführerin u.a. die Rückzahlung eines Fondsausgleichsbetrages in Höhe von rund 26.000,-- DM. Die Erbin stützte ihren Antrag auf §§ 51a Abs. 1, 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LwAnpG (Wortlaut s. Anlage ). Der Verstorbene war Mitglied einer LPG Typ I gewesen, die sich später mit einer LPG Typ III zusammengeschlossen hatte. Das Kreisgericht Königs Wusterhausen gab dem Antrag statt und verpflichtete die Beschwerdeführerin, einen Abfindungsbetrag für Pflichtinventarbeitrag und Fondsausgleichsbetrag zu zahlen. Die Beschwerde zum Bundesgerichtshof blieb erfolglos.

Gegen diese gerichtlichen Entscheidungen erhob die Agrargenossenschaft Verfassungsbeschwerde zum BVerfG und rügte insbesondere die Verletzung der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 GG). Zur Begründung trugen sie u.a. vor: Das einzelne LPG-Mitglied habe weder ein Anrecht auf die Werte des genossenschaftlichen Eigentums noch einen Anspruch auf Auszahlung eines Teils hiervon gehabt. Das Kreisgericht habe mithin Grundrechte der Beschwerdeführerin dadurch verletzt, daß es den geschlossenen genossenschaftlichen Fonds der LPG Typ I bei Verschmelzung mit der LPG Typ III nach über 20jähriger Behandlung als genossenschaftliches Gesamthandseigentum persönlich auf die ehemaligen LPGMitglieder Typ I aufgeteilt habe.

II.

Die 1. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch ist ihre Annahme zur Durchsetzung der als verletzt bezeichneten Rechte angezeigt.

Zur Begründung heißt es u.a.:

  1. Die Eigentumsgarantie wird von den gerichtlichen Entscheidungen nicht berührt.

    Geldleistungspflichten berühren den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG regelmäßig nicht. Etwas anderes kommt nur dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse so grundlegend bbeeinträchtigen, daß sie eine erdrosselnde Wirkung haben. Hierfür ist nichts dargetan.

  2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LwAnpG verstößt in der Auslegung durch die Gerichte nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit Fondsausgleichsbeträge als den Inventarbeiträgen gleichstehende Leistungen angesehen werden.

    a) Zwar führt die Rechtsprechung zu einer unterschiedlichen Behandlung der LPG-Mitglieder, die von Anfang an einer LPG Typ III angehörten, und derjenigen einer LPG Typ I, die schließlich mit Typ III zusammengeschlossen wurde. Während die einen einen Abfindungsanspruch lediglich in Höhe des Inventarbeitrages haben, steht den anderen darüber hinaus auch noch ein Anspruch auf Rückzahlung des Fondsausgleichsbetrags zu.

    Diese Ungleichbehandlung ist jedoch durch das gesetzgeberische Anliegen, den ausscheidenden LPG-Mitgliedern bevorrechtigt das zurückzugewähren, was sie an eigenem Vermögen in die LPG eingebracht haben, gerechtfertigt. Der Zweck des § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LwAnpG besteht darin, bei der Berechnung des Wertes der Beteiligung an der LPG dem zur Vermögensbildung eingesetzten Kapital Vorrang vor der Nutzung des Bodens und der Inventarbeiträge sowie vor der Arbeitsleistung einzuräumen. Von daher ist dem Inventarbeitrag jede bewußte und gezielte Vermögensmehrung der LPG gleichzustellen, die dem Mitglied als Sach- oder Geldleistungen aus seinem Privatvermögen zuzurechnen ist. Diese Zielsetzung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie rechtfertigt die Ungleichbehandlung, die sich daraus ergibt, daß die später in die LPG Typ III eingetretenen Bauern einen höheren Auseinandersetzungsanspruch haben, weil sie mehr Kapital eingebracht haben.

    b) Die Beschwerdeführerin hat weiterhin die Ansicht vertreten, der Abfindungsanspruch hätte um den auf das jeweilige Mitglied entfallenden Anteil am Vermögen der LPG Typ I gekürzt werden müssen. Denn dieser "Rechnungsposten" sei seinerzeit beim Zusammenschluß der beiden LPG auch mindernd auf die Verpflichtung des LPG-Mitglieds Typ I angerechnet worden, einen Inventarbeitrag und eine Fondsausgleichszahlung zu leisten.

    Nach Auffassung der Kammer verstößt jedoch auch die Einbeziehung des den ehemaligen Mitgliedern der LPG Typ I gutgeschriebenen Anteils am "Fondsbesatz" der LPG Typ I nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

    Zum einen unterscheidet die Rechtsprechung im Rahmen des Abfindungsanspruchs nicht danach, ob der Vermögenszufluß zur LPG Typ III unmittelbar erfolgt ist oder auf einem rein rechnerischen Anteil am Vermögen der aufgenommenen LPG Typ I beruht.

    Zum anderen ist diese Einbeziehung zugunsten ehemaliger LPG Typ IMitglieder ebenfalls durch das Ziel des § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LwAnpG gerechtfertigt, bei der Berechnung des Werts der Beteiligung an der LPG dem eingesetzten privaten Kapital Vorrang vor der Nutzung des Bodens und der Inventarbeiträge sowie vor der Arbeitsleistung einzuräumen.

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 55/98 vom 20. Mai 1998

"§ 44 Vermögensauseinandersetzung in der LPG, Milchreferenzmenge, Lieferrechte für Zuckerrüben

(1) Ausscheidenden Mitgliedern steht ein Abfindungsanspruch in Höhe des Wertes ihrer Beteiligung an der LPG zu. Der Wert der Beteiligung stellt einen Anteil am Eigenkapital der LPG dar, der wie folgt zu berechnen ist:

1. Zunächst ist der Wert der Inventarbeiträge, die in Form von Sach- oder Geldleistungen eingebracht worden sind, einschließlich gleichstehender Leistungen, zurückzugewähren. Den Inventarbeiträgen steht der Wert des Feldinventars gleich, das dem Eintritt in die LPG von dieser übernommen wurde, soweit es nicht als Inventarbeitrag angerechnet wurde. Von dem Wert des eingebrachten Inventarbeitrags sind alle Rückzahlungen abzuziehen. Übersteigt der so ermittelte Wert aller eingebrachten Inventarbeiträge das Eigenkapital, sind die Ansprüche ausscheidender Mitglieder entsprechend zu kürzen.

(2) ... bis (6) ..."

"§ 51a Ansprüche ausgeschiedener Mitglieder

(1) Die Ansprüche nach § 44 stehen auch den ausgeschiedenen Mitgliedern zu, die ihre Mitgliedschaft nach dem 15. März 1990 beendet haben. § 49 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden.

(2) ...

(3) ..."