Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde der Partei "Die Grauen"

Pressemitteilung Nr. 65/1998 vom 18. Juni 1998

Beschluss vom 27. Mai 1998
2 BvR 378/98

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde der Partei "Die Grauen - Graue Panther Bundesverband" (= Beschwerdeführerin) nicht zur Entscheidung angenommen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes im Verfahren über die Gewährung staatlicher Mittel an die F.D.P.

I.

Nachdem der Bundesschatzmeister der F.D.P. im Januar 1996 einen "Antrag auf Abschlagszahlungen nach § 21 Parteiengesetz" (PartG) gestellt hatte und entsprechende Abschlagszahlungen erfolgt waren, setzte die Präsidentin des Deutschen Bundestags durch Bescheid vom Februar 1997 die staatlichen Mittel zur Parteienfinanzierung für 1996 zugunsten der F.D.P. (Bundesverband) in Höhe von rund 10,5 Millionen DM fest.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Klage zum Verwaltungsgericht (VG). Zur Begründung trug sie vor, die F.D.P. habe keinen für die Festsetzung der Mittel formal ausreichenden Antrag gestellt. Dadurch sei das Recht der Beschwerdeführerin auf Chancengleichheit verletzt. Denn wegen der im PartG geregelten absoluten Obergrenze sei die staatliche Finanzierung zugunsten der Beschwerdeführerin dadurch geringer ausgefallen.

Das VG gab der Klage im November 1997 statt und hob den Festsetzungsbescheid auf. Weiterhin gewährte es der Beschwerdeführerin im Dezember 1997 einstweiligen Rechtsschutz und gab der Bundesrepublik als vorläufige Maßnahme auf, bis zur endgültigen Klärung der Mittelfestsetzung von der F.D.P. den für ihren Bundesverband ausgezahlten Betrag zurückzufordern.

Auf die Anträge des Bundestags und der F.D.P. ließ das Oberverwaltungsgericht (OVG) im Februar 1998 die Berufungen gegen dieses Urteil zu. Daneben hob es auf die zugelassenen Beschwerden im Eilverfahren die Anordnung, die Mittel vorläufig von der F.D.P. zurückzufordern, wieder auf. Die Erfolgsaussichten der Berufungen (= Hauptsacheverfahren) seien offen. Im Eilverfahren sei deshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen. Besondere Bedeutung komme dabei dem verfassungsrechtlichen Gebot zu, im Rahmen der staatlichen Parteienfinanzierung das durch das Grundgesetz garantierte Recht aller Parteien auf Chancengleichheit zu wahren. Die danach gebotene Abwägung gehe zu Lasten der Beschwerdeführerin aus. Müßte die F.D.P. die für 1996 gewährten Mittel im Wahljahr 1998 zurückzahlen, so hätte dies für sie einschneidende Konsequenzen. Die mögliche Benachteiligung der Beschwerdeführerin sei dagegen vergleichsweise gering.

Gegen die Aufhebung der vorläufigen Rückforderungsverpflichtung wendete sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Verfassungsbeschwerde und rügte u.a. eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz), Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie) und Art. 21 GG (Politische Parteien).

II.

Die 1. Kammer des Zweiten Senats hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

  1. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

    Das OVG war nicht verpflichtet, bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine umfassende rechtliche Prüfung der Hauptsache vorzunehmen. Nach Sinn und Zweck des Eilverfahrens kann dies grundsätzlich nicht Aufgabe der Gerichte sein. Denn damit würde die Effektivität dieses Verfahrens und damit des gerichtlichen Rechtsschutzes insgesamt geschwächt. Der summarische Charakter des Eilverfahrens steht mit Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsschutzgarantie) nicht in Widerspruch.

    Eine umfassendere rechtliche Prüfung der Hauptsache kann zwar dann geboten sein, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ein solcher Ausnahmefall ist hier aber nicht gegeben. Das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes tritt nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens. Eine Rückforderung der staatlichen Finanzierungsmittel von der F.D.P. wäre gegebenenfalls auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich.

  2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

    Die konkrete Abwägung der widerstreitenden Interessen, die das OVG vornahm, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Entscheidung läßt keine Auslegungsfehler erkennen, die auf eine grundsätzlich unrichtige Auffassung von der Bedeutung und vom Umfang des Schutzbereichs eines Grundrechts schließen lassen. Das OVG hat das verfassungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit der politischen Parteien ausdrücklich bei der Abwägung berücksichtigt und die wesentlichen Belange sowohl der Beschwerdeführerin als auch der F.D.P. in die Abwägung eingestellt.

    Insbesondere beeinträchtigt die angegriffene Entscheidung das Recht der Beschwerdeführerin auf Chancengleichheit nicht in einer der endgültigen Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung gleichkommenden Weise. Eine der Beschwerdeführerin günstige Entscheidung hätte zwar die Finanzkraft der F.D.P. möglicherweise geschwächt. Hiervon hätte aber nicht nur die Beschwerdeführerin, sondern hätten alle anderen Konkurrenten ebenso profitiert. Die Wettbewerbslage zwischen den Parteien wäre deshalb im Hinblick auf die Beschwerdeführerin kaum verändert worden.

    Gegenstand der Kammerentscheidung war nicht die Frage, ob die F.D.P. Mittel zur staatlichen Parteienfinanzierung für 1996 endgültig zurückzuzahlen hat; diese Hauptsachefrage ist noch offen und im Berufungsverfahren vor dem OVG zu klären.