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"Ausgleichsfonds" des Hessischen Sonderurlaubsgesetzes ist mit dem GG unvereinbar

Pressemitteilung Nr. 141/1999 vom 16. Dezember 1999

Beschluss vom 09. November 1999
2 BvL 5/95

Der Zweite Senat des BVerfG hat auf eine gerichtliche Vorlage § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes des Landes Hessen über Sonderurlaub für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Jugendarbeit von Februar 1994 (HSUG) für unvereinbar mit dem GG erklärt. Die Vorschrift betrifft die Verpflichtung von Arbeitgebern, einen Ausgleichsfonds zu finanzieren, aus dem Lohnfortzahlungen bei Freistellungen zur Mitarbeit in der Jugendarbeit finanziert werden.

I.

1. Das HSUG ist bereits zweimal vom BVerfG beanstandet worden. Nach der früheren Rechtslage in Hessen mußte der Arbeitgeber bezahlten Sonderurlaub ohne Ausgleich gewähren. Diese Regelung hat das BVerfG mit Beschluß vom 11. Februar 1992 für unvereinbar mit der Berufsfreiheit der Arbeitgeber aus Art. 12 Abs. 1 GG erklärt (die Pressemitteilung vom 1. April 1992 Nr. 12/92 wird auf Anfrage übersandt).

Daraufhin änderte der Landesgesetzgeber das HSUG und traf für Altfälle eine Übergangsregelung. Auch diese Vorschrift erklärte das BVerfG für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG, weil sie in der Sache die vom BVerfG bereits für verfassungswidrig erklärte Norm für die Übergangsfälle wiederholte (Beschluß vom 15. Juli 1997; die Pressemitteilung Nr. 92/97 vom 28. Oktober 1997 wird auf Anfrage übersandt).

2. Im Februar 1994 wurde das Gesetz erneut geändert und in den §§ 6 und 7 HSUG ein Ausgleichsfonds geschaffen. Danach gilt: Private Arbeitgeber, die Arbeitnehmern für die Zeit des Sonderurlaubs für Jugendarbeit Lohn zahlen müssen, haben einen Anspruch auf Erstattung dieser Kosten. Zu deren Finanzierung ist ein Ausgleichsfonds geschaffen. In diesen haben Arbeitgeber mit mehr als 50 Arbeitsplätzen jährlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.

Hiergegen wehrte sich ein in Hessen ansässiges Unternehmen und erhob Klage gegen die Zahlungspflicht bezogen auf das Jahr 1994. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (VG) setzte das Verfahren aus und legte dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vor, ob § 7 Abs. 2 Satz 1 HSUG, der die Erhebung der Ausgleichsabgabe vorsieht, mit dem GG vereinbar ist. Nach Auffassung des VG handelt es sich um eine unzulässige Sonderabgabe.

II.

Der Zweite Senat hat diese Auffassung des vorlegenden Gerichts bestätigt. § 7 Abs. 2 Satz 1 HSUG verstößt gegen Vorschriften der im GG geregelten Finanzverfassung. Bei der Ausgleichsabgabe handelt es sich um eine Sonderabgabe. Sie erfüllt nicht die verfassungsrechtlichen Kriterien für die Zulässigkeit derartiger Abgaben.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Die Ausgleichsabgabe ist weder eine Steuer noch eine Gebühr oder ein Beitrag, sondern eine Sonderabgabe, weil sie die Abgabenschuldner über die allgemeine Steuerpflicht hinaus mit Abgaben belastet, ihre Kompetenzgrundlage in einer Sachgesetzgebungszuständigkeit sucht und das Abgabeaufkommen einem Sonderfonds vorbehalten ist.

1. Die Finanzierung der Jugendarbeit ist eine Gemeinlast, die durch Steuern und damit durch die Allgemeinheit zu finanzieren ist, nicht aber einer einzelnen Gruppe überbürdet werden darf. Die Hessischen Arbeitgeber trifft keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit für die Jugendarbeit in Hessen; diese ist vielmehr eine allgemeine Aufgabe der Eltern, Schulen und Verbände und in wesentlichen Teilen auch steuerrechtlich als Tätigkeit von gemeinem Nutzen anerkannt.

Anders als beispielsweise der Bildungsurlaub von Arbeitnehmern betrifft die allgemeine Jugendarbeit die Arbeitgeber nicht mehr als alle übrigen Gruppen der Gesellschaft.

2. Die Ausgleichsabgabe hat eine Finanzierungsfunktion und muß deshalb diejenigen belasten, denen der Finanzierungszweck der Jugendarbeit zugute kommt. Wenn die Ausgleichsabgabe einen Fonds finanziert, der die Lasten des Sonderurlaubs auf die Gesamtheit der Arbeitgeber mit mehr als 50 Mitarbeitern verteilt, so verstößt diese Auswahl der Abgabenschuldner gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Arbeitgeber stehen der allgemeinen Aufgabe der Jugendarbeit nicht näher als andere Gruppen. Die Förderung der Jugendarbeit der Verbände und Vereine, der öffentlichen Jugendpflege und des Jugendsports ist vielmehr eine allgemeine Aufgabe der Rechtsgemeinschaft, deren Finanzierung durch die gesamte Rechtsgemeinschaft, nicht durch die Arbeitgeber zu sichern ist.

3. Es ist auch kein rechtfertigender Grund ersichtlich, weswegen das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe nicht in den Haushaltsplan einzustellen und damit der Budgethoheit des Parlaments zu unterwerfen sein sollte. Dadurch wird sichergestellt, daß das Parlament soweit es finanzwirtschaftliche Leistungen für Aufgaben der Jugendarbeitbewilligt, die Verwendung des Abgabenaufkommens im Rahmen der Haushaltsplanung parlamentarisch überprüft.