Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerden im Zusammenhang mit Tierversuchen

Pressemitteilung Nr. 43/2000 vom 6. April 2000

Beschluss vom 20. März 2000
1 BvR 1834/97

I.

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde (Vb) einer Biologiestudentin gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin (Bf) wollte erreichen, zoologische Praktika ohne Tierversuche oder Übungen an eigens getöteten Tieren durchführen zu dürfen. Ihre Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

1. Die Bf ist Biologiestudentin einer Universität in Baden-Württemberg. Sie hält es für Unrecht, Tieren Schmerzen zuzufügen oder diese zu töten und wollte erreichen, Praktika ohne Tierversuche oder Übungen an getöteten Tieren durchführen zu können. Auf ihre Klage stellte das BVerwG mit Urteil vom 18. Juni 1997 fest, dass der Gewissensfreiheit der Bf (Art. 4 Abs. 1 GG) die Lehrfreiheit der Hochschullehrer (Art. 5 Abs. 3 GG) gegenüberstehe. Beide Grundrechtspositionen seien auszugleichen. Studierende müssten zunächst gleichwertige alternative Lehrmethoden darlegen, die die Hochschullehrer sodann zu prüfen und in Erwägung zu ziehen hätten. Einen solchen Beitrag habe die Bf nicht ausreichend geleistet. Ungeachtet dessen müssten die Hochschullehrer ihre Entscheidungen unter Berücksichtigung des Tierschutzgesetzes immer daran messen lassen, ob sie ein gleichwertiges Ergebnis im Unterricht nicht auf schonendere Weise erreichen können.

Gegen dieses Urteil erhob die Bf Vb und rügte insbesondere eine Verletzung ihrer Gewissensfreiheit und ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Verlange man von ihr, gleichwertige alternative Lehrmethoden darzulegen, sei sie von vornherein unterlegen. Dem Konflikt könne sie nicht auf zumutbare Weise ausweichen.

2. Die Annahmevoraussetzungen für die Vb liegen nicht vor.

Die Vb hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung; denn das BVerwG hat die Frage des Ausgleichs von Gewissens- und wissenschaftlicher Lehrfreiheit eingehend und erschöpfend erörtert. Seine Ausführungen zur Darlegungslast der betreffenden Studenten hinsichtlich des Vorliegens alternativer Lehrmethoden einerseits und der Verpflichtung der Hochschule andererseits, solches Vorbringen gewissenhaft zu prüfen, lassen für die Zukunft erwarten, dass im Streitfall Lösungen gefunden werden, die den Anforderungen eines möglichst schonenden Ausgleichs der widerstreitenden Grundrechtspositionen gerecht werden.

Dies gilt selbst bei einer etwaigen verfassungsrechtlichen Verankerung des Tierschutzes. Weit-reichendere Konsequenzen, als sie das BVerwG für den Tierschutz bereits gezogen hat, würden sich auch dann schwerlich ergeben können. Weiterer verfassungsrechtlicher Klärungsbedarf besteht nicht.

Schließlich betreffen die geltend gemachten Grundrechtsverletzungen die Bf auch unter Berücksichtigung der mit einem Wechsel der Universität verbundenen Belastungen nicht in existentieller Weise. Den größten Teil dieser Belastungen hätte sie bei frühem und nachdrücklichem Bemühen um einen zumutbaren Wechsel der Universität vermeiden können.

Insgesamt hat das BVerwG einen Ausgleich der widerstreitenden Grundrechtspositionen gefunden, gegen den durchschlagende verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.

II.

Zwei weitere Vb, die entsprechende Sachverhalte betreffen, hat die Kammer ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 172/98 und 360/98). Diese Beschlüsse enthalten keine schriftliche Begründung.

Karlsruhe, den 6. April 2000