Bundesverfassungsgericht

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Semesterticket verfassungsrechtlich unbedenklich

Pressemitteilung Nr. 114/2000 vom 30. August 2000

Beschluss vom 04. August 2000, Beschluss vom 04. August 2000
1 BvR 1510/99
1 BvR 1410/99

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde (Vb) nicht zur Entscheidung angenommen, mit der die Verfassungswidrigkeit des sogenannten Semestertickets geltend gemacht worden war.

1. Der Beschwerdeführer (Bf), Student an der Gesamthochschule Duisburg, hatte im Verwaltungsrechtsweg die Erstattung des auf das Semesterticket entfallenden Anteils an seinem Studentenbeitrag begehrt. Er blieb in allen Instanzen, zuletzt beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), erfolglos.

Mit der Vb machte der Bf Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz und sein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durch das Urteil des BVerwG geltend.

2. Die 2. Kammer hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen und zur Begründung u.a. sinngemäß ausgeführt:

Die allgemeine Handlungsfreiheit des Bf wird durch seine zwangsweise Mitgliedschaft in der Studierendenschaft nicht verletzt. Zwar sind inzwischen in den Hochschulgesetzen einiger Bundesländer keine öffentlich rechtlich verfassten Studierendenschaften mehr vorgesehen.

Daraus folgt jedoch nicht, dass dieses Institut mittlerweile verfassungsrechtlich unzulässig geworden wäre.

Auch soweit durch die finanzielle Belastung des Bf in seine allgemeine Handlungsfreiheit eingegriffen wird, ist der Eingriff durch die mit der Einführung des Semestertickets verfolgten Gemeinwohlbelange gerechtfertigt. Schließlich ist auch die Auslegung des BVerwG, wonach die Finanzierung des Semestertickets mit den Regelungen des Nordrhein-Westfälischen Landesrechts vereinbar ist, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach ist der Studierendenschaft auch die Wahrnehmung solcher Aufgaben erlaubt, die mit dem Rückgriff auf Leistungen Dritter verbunden sind und nicht allen Studierenden gleichermaßen zugute kommen. Angesichts der ausbildungsbedingten finanziellen Bedürftigkeit der Studierenden und der Reduzierung von Fahrtkosten durch das Semesterticket begegnet es keinen Bedenken, die Verbilligung der Fahrtkosten als Wahrnehmung eines studienspezifischen sozialen Belangs anzusehen. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Einführung des Semestertickets daneben oder zusätzlich einen allgemeinpolitisch-ökologischen Effekt hat, hierbei handelt es sich um einen unbedenklichen Nebeneffekt.

Die Finanzierung des Semestertickets stellt auch keine verfassungswidrige Sonderabgabe, sondern einen Beitrag dar. Die Gegenleistung besteht in der erheblich verbilligten Nutzungsmöglichkeit des öffentlichen Personennahverkehrs. Dabei ist es unerheblich, dass dieser Vorteil nicht allen Studierenden zugute kommt. Die Geeignetheit des Semestertickets zur Verbesserung der sozialen Situation der Studierenden ist an den Vorteilen für die Gesamtheit der Studierenden zu messen. Die finanzielle Belastung von 14 DM pro Monat ist auch im Hinblick auf die Verbesserung der örtlichen Umweltbedingungen, die Entspannung der Parkplatzsituation sowie die Möglichkeit, das Ticket zu Freizeitzwecken zu nutzen, die im Prinzip allen Studierenden zugute kommt, verhältnismäßig.

Aus den gleichen Erwägungen hat die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG eine weitere Vb nicht zur Entscheidung angenommen. Der dortige Bf hatte sich gegen Äußerungen des allgemeinen Studentenausschusses zum verkehrspolitischen und ökologischen Nutzen des Semestertickets gewandt. Die Kammer hat unter Bezug auf den Beschluss 1 BvR 1510/99 festgestellt, dass die Studierendenschaft sich dementsprechend zur Einführung des Semestertickets werbend äußern darf.

Karlsruhe, den 30. August 2000