Bundesverfassungsgericht

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Anwendung von BAT-Ost in Berlin noch verfassungsrechtlich unbedenklich

Pressemitteilung Nr. 118/2000 vom 12. September 2000

Beschluss vom 09. August 2000
1 BvR 514/00

Die 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat eine Verfassungsbeschwerde (Vb) nicht zur Entscheidung angenommen, mit der die Verfassungswidrigkeit ungleicher tariflicher Regelungen in Ost- und West-Berlin geltend gemacht worden war.

1. Die Beschwerdeführerin (Bf) war in der DDR als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Nach der Wende wurde sie vom Berliner Umweltsenator übernommen. Sie arbeitete zunächst weiterhin in Ost-Berlin, später wurde ihre Abteilung in den Westteil verlegt. Seit dem 1. Januar 1997 liegt der Arbeitsplatz der Bf wieder im Ostteil der Stadt. Auf ihr Arbeitsverhältnis wurden zunächst die Regelungen des BAT-Ost angewandt. Ab Februar 1992 galt wegen ihrer auf unbestimmte Dauer angelegten Tätigkeit in West-Berlin der BAT. Seit dem 1. Januar 1997 behandelt das Land Berlin die Bf wieder nach BAT-Ost. Dies wirkt sich vor allem in einer wöchentlich um 1,5 Stunden längeren Arbeitszeit und einer geringeren Sonderzuwendung aus.

Die Klage der Bf auf Fortgeltung des BAT blieb in allen Instanzen erfolglos.

Mit der Vb rügt die Bf die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 3 GG.

2. Die 2. Kammer des Ersten Senats hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen und zur Begründung sinngemäß ausgeführt: Inwieweit der allgemeine Gleichheitssatz im Verhältnis zwischen den Tarifparteien Bindung entfaltet, kann hier dahinstehen, denn er ist jedenfalls nicht verletzt. Für die derzeitige tarifliche Ungleichbehandlung besteht aufgrund der unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zur Zeit noch ein sachlicher Grund. Zwar ist die Ungleichbehandlung der im öffentlichen Dienst in Berlin Tätigen je nach Anwendung des BAT und des BAT-Ost nach wie vor erheblich. Wenn auch die finanziellen Auswirkungen im Fall der Bf begrenzt sind, stellt insbesondere die wöchentlich um 1,5 Stunden längere Arbeitszeit eine bedeutsame Schlechterstellung dar. Hinzu kommen Unterschiede im Bereich des tariflichen Kündigungsschutzes und bei weiteren tariflichen Regelungen.

Die Unterschiede zwischen beiden Tarifgebieten haben seit 1990 allerdings deutlich abgenommen. Auch die Tarifvereinbarung des Jahres 2000 sieht eine weitere stufenweise Angleichung im Bereich der Vergütung vor (auf 90% bis 2002). Für das Land Berlin besteht zudem eine Gesamtvereinbarung zwischen Personalrat und Arbeitgeber mit der Zielvorgabe, dass bis zum 1. Januar 2001 ein einheitliches Recht "auf der Grundlage der Regelungen im Rechtskreis West gelten sollte".

Vor diesem Hintergrund stellen die weiterhin vorhandenen unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnisse auch zwischen dem West- und Ostteil Berlin jedenfalls zur Zeit noch einen zulässigen Differenzierungsgrund dar, wie die Kammer weiter ausführt. Die Tarifvertragsparteien haben, um der unterschiedlichen Wirtschaftskraft Rechnung zu tragen, eine relativ einfach handhabbare und typisierende Regelung getroffen. Diese knüpft an den Ort der Begründung des Arbeitsverhältnisses an. Die Länder wurden dadurch bei den Arbeitsverhältnissen entlastet, die auf ihrem Gebiet begründet worden sind. Die Besonderheiten, die sich für die Bf als sogenannte Rückkehrerin ergeben, sind jedenfalls mit Rücksicht auf die in Berlin verhältnismäßig weit vorangetriebene Angleichung hinzunehmen. Die Fälle, in denen der Zweck der Tarifregelung eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen kann, nämlich bei einem dauerhaften Einsatz im Westen oder bei Zahlung übertariflicher Leistungen durch den Arbeitgeber, sind von den Arbeitsgerichten korrigiert worden.

Wann eine Situation erreicht wird, in der es im Hinblick auf die Entwicklung der Strukturen der Verwaltung und die wirtschaftliche Lage der neuen Bundesländer nicht mehr gerechtfertigt wäre, in dieser Weise pauschal gegenüber den alten Bundesländern zu differenzieren, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

Das Gericht weist darauf hin, dass diese Entscheidung die beim Zweiten Senat anhängigen Verfahren zur abgesenkten Besoldung für Beamte in den neuen Ländern gemäß der Zweiten Besoldungsübergangs-Verordnung nicht berührt.

Karlsruhe, den 12. September 2000