Bundesverfassungsgericht

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Weitere Entscheidungen zum "genetischen Fingerabdruck"

Pressemitteilung Nr. 36/2001 vom 6. April 2001

Beschluss vom 15. März 2001
2 BvR 1841/00

Im Anschluss an die grundsätzliche Billigung der Vorschriften über den "genetischen Fingerabdruck" bei verurteilten Straftätern (Beschluss vom 14. Dezember 2000, 2 BvR 1741/99, Pressemitteilung Nr. 8/2001 vom 18. Januar 2001) hat die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 15. März 2001 in vier Fällen die Anwendung dieser Bestimmungen für verfassungswidrig erklärt.

Dem Beschluss liegen vier Verfahren zugrunde. Die Beschwerdeführer (Bf) waren alle mehrfach mit Diebstählen, Körperverletzungen oder Betäubungsmitteldelikten straffällig geworden und zu Geld- und Freiheitsstrafen zwischen 6 Monaten und 2 Jahren, jeweils auf Bewährung, verurteilt worden. In allen Fällen hatten die Amtsgerichte die Speicherung des "genetischen Fingerabdrucks" auf der Grundlage von § 2 DNA-IfG i. V. m. § 81 g Abs. 1 StPO angeordnet. Rechtsmittel der Bf blieben erfolglos.

Das BVerfG hat in allen Fällen die Beschlüsse der Amtsgerichte und die sie bestätigenden Beschlüsse der Landgerichte aufgehoben, weil durch sie die Bf in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt werden. Die Begründungen der Fachgerichte lassen sämtlich nicht erkennen, dass die erforderliche umfangreiche und gründliche Prüfung des Einzelfalls durchgeführt worden ist. In diesem Zusammenhang weist die Kammer erneut darauf hin, dass die Speicherung des "genetischen Fingerabdrucks" nur unter engen Voraussetzungen angeordnet werden darf. So entbindet der Umstand, dass ein Betroffener sich eine Katalogtat des § 81 g StPO hat zuschulden kommen lassen, nicht in jedem Fall von einer einzelfallbezogenen Prüfung, ob es sich dabei um eine Straftat von erheblicher Bedeutung gehandelt hat. Gibt es etwa aufgrund milder Strafen oder einer Strafaussetzung zur Bewährung Hinweise darauf, dass ein von der Regel abweichender Ausnahmefall vorliegt, muss die Entscheidung sich damit im Einzelnen auseinandersetzen. Ebenso wenig genügt die reine Erwähnung vorangegangener Verurteilungen für eine Gefahrenprognose. Die Prognose muss auf den Einzelfall bezogen sein und unter Berücksichtigung der Lebenssituation die Persönlichkeit des Betroffenen würdigen. Bei der Beurteilung der von einem Betroffenen heute ausgehenden Gefahren fällt die seit der letzten Straftat verstrichene Dauer ebenso ins Gewicht wie besondere Umstände, die zur damaligen Tat geführt haben. Eine Strafaussetzung zur Bewährung ist in diese Würdigung einzubeziehen. Sie schließt nicht automatisch die negative Prognose aus. Will das Gericht von ihr abweichen, muss es dies jedoch im einzelnen begründen.

Karlsruhe, den 6. April 2001