Bundesverfassungsgericht

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Wahlkreiseinteilung Krefeld bleibt - Verfahren beim BVerfG erfolglos

Pressemitteilung Nr. 79/2001 vom 26. Juli 2001

Beschluss vom 22. Mai 2001, Beschluss vom 18. Juli 2001, Beschluss vom 18. Juli 2001
2 BvE 1/99
2 BvR 1176/99
2 BvR 1252/99

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrere Verfahren entschieden, die sich auf die geänderte Wahlkreiseinteilung in der Stadt Krefeld beziehen. Der Deutsche Bundestag hatte durch Änderung des Bundeswahlgesetzes 1996 die Zahl der Wahlkreise von 328 auf 299 verringert. Dadurch ist der frühere Wahlkreis 79, der die kreisfreie Stadt Krefeld umfasste, weggefallen. Er wurde auf die Wahlkreise 111 und 150 aufgeteilt, die neben dem Stadtgebiet Krefeld aus Teilen der benachbarten Landkreise bestehen. Gegen diese Einteilung sind verschiedene Verfahren beim Bundesverfassungsgericht eingeleitet worden. Ihnen blieb der Erfolg versagt.

1. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 22. Mai 2001 die Organklagen der Kreisverbände und des Unterbezirks Krefeld von CDU, SPD und Grünen als unzulässig verworfen. Die Antragsteller sind nicht antragsbefugt, weil eine Verletzung ihnen zustehender Rechte nicht ersichtlich ist. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass die geänderte Wahlkreiseinteilung das Recht der Antragsteller auf Mitwirkung der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt. Die Kreisverbände und der Unterbezirk nehmen selbst nicht mit eigenen Wahlvorschlägen an der Bundestagswahl teil. Die Kreiswahlvorschläge werden nicht von ihnen eingereicht, sondern von einer übergeordneten Organisationseinheit. Soweit die Antragsteller geltend machen, durch das derzeitige Übergewicht der politischen Parteien in den benachbarten Landkreisen würden ihre politischen Ziele als Krefelder Parteigliederungen bei der Kandidatenaufstellung nicht gebührend berücksichtigt, beanspruchen sie rechtlichen Schutz gegen einen innerparteilichen Wettbewerb bei der Aufstellung der Wahlkreiskandidaten. Eine mit der Organklage rügefähige Verletzung eigener Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG wird dadurch nicht begründet. Ebenso ist nicht ersichtlich, dass die Wahlkreiseinteilung dadurch gegen Art. 21 Abs. 1 GG verstößt, dass sie eine Bündelung des politischen Willens des Einzelnen gar nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen zuließe und damit die Mitwirkung an der politischen Willensbildung beeinträchtigt wäre. Auch das Selbstorganisationsrecht der Antragsteller ist nicht verletzt. Es ist nicht zwingend vorgeschrieben, dass die Parteien sich in der Organisation ihrer Untergliederungen an den Wahlkreisgrenzen orientieren. Eine Verletzung der Chancengleichheit scheidet aus, da der Wahlkreiszuschnitt in der Stadt Krefeld alle Antragsteller gleichermaßen betrifft.

Az.: 2 BvE 1/99 u.a.

2. Die 4. Kammer des Zweiten Senats hat mit Beschluss vom 18. Juli 2001 die Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Krefeld gegen die geänderte Wahlkreiseinteilung nicht zur Entscheidung angenommen. Sie ist unzulässig. Der Regelungsbereich der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG ist durch die Wahlkreiseinteilung nicht berührt. Die Wahlkreiseinteilung für die Wahlen zum Deutschen Bundestag ist Aufgabe des Bundesgesetzgebers. Es ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Wahlkreisneueinteilung für Krefeld in die Selbstverwaltungsgarantie eingegriffen worden ist. Zwar gehört zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie unterfallen, auch die Mitwirkung an Planungen und Maßnahmen die das Gemeindegebiet oder Teile dieses Gebiets nachhaltig betreffen und die Entwicklung der Gemeinde beeinflussen. Dass hier ein solches Recht der Stadt Krefeld besteht, ist jedoch nicht erkennbar. Die Beschwerdeführerin beruft sich nur vage auf die Störung von identitätsbildenden Kommunikationsstrukturen. Wodurch die Wahlkreiseinteilung sie an der Regelung der örtlichen Angelegenheiten hindern soll, ist nicht ersichtlich.

Az.: 2 BvR 1176/99

3. Mit Beschluss vom 18. Juli 2001 hat die 4. Kammer des Zweiten Senats verschiedene Verfassungsbeschwerden wahlberechtigter Bürger der Stadt Krefeld ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg haben. Weder das passive Wahlrecht der einzelnen Bürger aus Art. 38 Abs. 1 GG noch der Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Demokratieprinzip sind durch die Wahlkreisneueinteilung verletzt. Wie die Kammer ausführt, hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts im Einzelnen die im Rahmen des jeweiligen Wahlsystems geltenden Maßstäbe, insbesondere den Grundsatz der Wahlgleichheit, zu beachten. Es ist grundsätzlich seine Sache, die mit der Parlamentswahl verfolgten Ziele, etwa die Funktionsfähigkeit des Parlaments, das Anliegen weit gehender integrativer Repräsentanz und die Gebote der Wahlgleichheit sowie der Chancengleichheit politischer Parteien zum Ausdruck zu bringen. Das Bundesverfassungsgericht achtet diesen Spielraum. Es prüft lediglich, ob dessen Grenzen überschritten sind, nicht aber, ob der Gesetzgeber zweckmäßige oder rechtspolitisch erwünschte Lösungen gefunden hat.

Eine Überschreitung des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums ist hier nicht festzustellen. Dabei sind zunächst die Grundsätze des § 3 Abs. 1 BWahlG heranzuziehen, dessen einzelne Regelungen jeweils durch verschiedene Prinzipien gerechtfertigt sind. Durch die Regelungen in Nr. 4 (Wahlkreis als zusammenhängendes Gebiet) und insbesondere in Nr. 5 (Einhaltung der Grenzen der Gemeinden, Landkreise und kreisfreien Städte) soll an die natürlichen, insbesondere an die administrativen und politischen Gegebenheiten angeknüpft werden. Dadurch soll betont werden, dass der Wahlkreisabgeordnete eine in sich geschlossene und unter vielen Gesichtspunkten miteinander verbundene Bevölkerungsgruppe repräsentieren soll. Die Bindung zwischen den Wählern und "ihrem" Abgeordneten soll gefördert werden. Dabei ist der Grundsatz der Einteilung der Wahlkreise unter Einhaltung der Grenzen der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte nicht zwingend. Sie "sollen nach Möglichkeit eingehalten werden". Nach diesen Maßstäben hat der Gesetzgeber seinen Beurteilungsspielraum hier nicht überschritten, ein Abwägungsfehler ist nicht zu erkennen. Sowohl die angegriffene Regelung nach dem Wahlkreisneueinteilungsgesetz als auch die Varianten, die im Gesetzgebungsverfahren erwogen oder von den Beschwerdeführern in diesem Verfahren vorgetragen wurden - und die jeweils das Gebiet der Stadt Krefeld ungeteilt gelassen hätten - weisen Vorteile und Nachteile auf. Sachfremde Kriterien, die bei der Entscheidung für die angegriffene Regelung herangezogen worden wären, sind nicht ersichtlich. Die Entscheidung, welche der Lösungen die sachgerechteste ist, steht dem Gesetzgeber und nicht dem Bundesverfassungsgericht zu. Auch eine Verletzung des Demokratieprinzips durch die Art, in der die Wahlkreise geschnitten sind, ist nicht ersichtlich. Die Probleme, welche Krefeld und die jeweiligen benachbarten Landkreise haben mögen, übersteigen nicht die Schwierigkeiten, welche in ländlich geprägten Wahlkreisen seit jeher auftreten.

Az.: 2 BvR 1252/99 u.a.

Zu den Beschlüssen vom 22. Mai 2001 - Az. 2 BvE 1/99 u.a. - und vom 18. Juli 2001 - Az. 2 BvR 1176/99 u. a. -

Karlsruhe, den 26. Juli 2001