Bundesverfassungsgericht

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Zum anwaltlichen Werberecht

Pressemitteilung Nr. 92/2001 vom 26. September 2001

Beschluss vom 12. September 2001
1 BvR 2265/00

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat sich in einer Entscheidung erneut mit der Beurteilung von Werbemaßnahmen durch die Berufsgerichte befasst. Die Beschwerdeführer (Bf) - Rechtsanwälte - waren wegen der Gestaltung einer Werbeanzeige und eines Internetauftritts mit einer Geldbuße und einem Verweis belegt worden.

Der Anwaltsgerichtshof sah in der Selbstdarstellung der Bf eine Verletzung der anwaltlichen Pflichten, da sie Merkmale reklamehafter Anpreisung enthalte. Die Einzelheiten der kritisierten Selbsteinschätzung sind in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts dargestellt. Insbesondere waren eine Anfahrtsskizze zum Büro der Bf im Internet unter der Überschrift "So kommen Sie zu Ihrem Recht", die Behauptung regelmäßiger Fortbildung der in der Kanzlei tätigen Rechtsanwälte und die Überschrift "Umfassende Rechtsberatung" in der Zeitungsanzeige beanstandet worden.

Die Kammer hat die Verurteilung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus:

Der Anwaltsgerichtshof hat die den Rechtsanwälten eröffnete, in Art. 12 GG wurzelnde Werbefreiheit verkannt. Die Kammer verweist insoweit auf das BGH-Urteil vom 1. März 2001 (abgedruckt in NJW 2001, 2087). Auch ist eine Anzeige, die informativ sowie formal und inhaltlich angemessen gestaltet ist und keinen Irrtum erregt, dem Rechtsanwalt grundsätzlich erlaubt. Insofern hätte der Anwaltsgerichtshof überprüfen müssen, ob die beanstandeten Selbstdarstellungen diesen Kriterien entsprechen. Die Bf haben in der mit "Umfassende Rechtsberatung" überschriebenen Zeitungsanzeige insgesamt neun Anwälte mit je zwei Interessenschwerpunkten aufgeführt. Jeder Interessenschwerpunkt tritt nur einmal auf. Hierdurch wird der Eindruck einer umfassenden Beratungskompetenz vermittelt, die in dieser Form nicht selbstverständlich in jeder Kanzlei anzutreffen ist. Ist die Aussage richtig, ist sie von Art. 12 Abs. 1 GG gedeckt. Die Angabe von Interessenschwerpunkten reicht als Nachweis für umfassende Kompetenz aber nicht aus. Nach der Berufsordnung für Rechtsanwälte können Interessenschwerpunkte allein auf der Grundlage angegeben werden, dass der betreffende Rechtsanwalt sich für das Gebiet "interessiert".

Voraussetzungen - sei es in Gestalt von Berufserfahrung, besonderen Kenntnissen oder vertiefter wissenschaftlicher Beschäftigung - normiert die Berufsordnung nicht. Insoweit sieht die Kammer durchaus die Gefahr einer unzulässigen, nämlich übertriebenen und irreführenden Anpreisung durch Angabe der Interessenschwerpunkte. Dies könnte jedenfalls vom betroffenen Publikum so empfunden werden, wenn es erführe, dass die Aufzählung im Belieben des Anbieters steht. Diese den Belangen einer geordneten Rechtspflege zuwiderlaufende Wirkung beruht aber weniger auf der beanstandeten Passage in der Anzeige der (Bf), als auf der unzulänglichen Regelung der Interessenschwerpunkte in der Berufsordnung für Rechtsanwälte. Der Anwaltsgerichtshof wird sich mit dieser Frage erneut zu befassen haben; ob die Berufsordnung verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben entspricht kann er selbst entscheiden.

Die Kammer hat darüber hinaus erneut klargestellt, dass eine Werbung - hier der Internetauftritt - nicht dadurch unzulässig wird, dass sie vom gewohnten Bild abweicht. Auch Ironie und Sprachwitz in werbenden Anzeigen müssen grundrechtsfreundlich erkannt und können nicht automatisch als unzulässige Anpreisung interpretiert werden.

Karlsruhe, den 26. September 2001