Bundesverfassungsgericht

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Ausschluss der Apotheken vom verkaufsoffenen Sonntag verfassungswidrig

Pressemitteilung Nr. 3/2002 vom 16. Januar 2002

Urteil vom 16. Januar 2002
1 BvR 1236/99

Mit Urteil vom heutigen Tage hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts festgestellt, dass der Ausschluss der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen gemäß § 14 Abs. 4 des Ladenschlussgesetzes mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar und diese Vorschrift daher nichtig ist.

Dem Urteil liegt die Verfassungsbeschwerde einer Apothekerin zugrunde, die ihre Apotheke an einem verkaufsoffenen Sonntag geöffnet hatte und deswegen von den Berufsgerichten zu einer Geldbuße verurteilt worden war. Der Hintergrund des Verfahrens ist in der Pressemitteilung Nr. 97 vom 15. Oktober 2001 dargestellt, die auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts nachgelesen werden kann.

Der Senat stellt fest, dass § 14 Abs. 4 Ladenschlussgesetz, der Apotheken ausdrücklich von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen ausschließt, unverhältnismäßig stark in die Berufsfreiheit der Apotheker eingreift.

Berufsausübungsregeln - wie Vorschriften über die Ladenöffnungszeit - müssen durch Gemeinwohlbelange gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Es entspricht dem Gemeinwohlinteresse, Ladenschlusszeiten zu regeln. Insbesondere dienen diese dem Schutz des beschäftigten Personals vor überlanger Arbeitszeit. Dies gilt für Apotheken und sonstige Geschäfte gleichermaßen. Apotheken genießen hinsichtlich der Öffnungszeiten insofern eine Sonderstellung, als sie turnusmäßig Notdienst leisten müssen. Durch die Vorschriften der Arbeitszeitordnung und tarifrechtliche Regelungen wird insoweit gegen eine Überanstrengung des Apothekenpersonals Vorsorge getroffen.

Das Verbot der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen, die an höchstens vier Wochenenden im Jahr stattfinden, ist nicht erforderlich, um die Apothekenangestellten vor übermäßiger Arbeitsbelastung zu schützen. Aufgrund der Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes dürfen die Geschäfte lediglich fünf Stunden geöffnet haben und müssen am vorangehenden Sonnabend bereits um 14 Uhr statt um 16 Uhr schließen. Damit beläuft sich die Mehrbelastung für die Mitarbeiter auf drei Stunden zusätzlich an höchstens vier Wochenenden im Jahr. Diese kann durch die erwähnten arbeitsrechtlichen Regelungen aufgefangen werden.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Ausschluss der Apotheken von der Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen aus sonstigen überwiegenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wäre, wie der Senat ausführt. Während andere Geschäftsinhaber selbst entscheiden können, ob die Kosten und personalabhängigen Organisationsmaßnahmen einer Sonntagsöffnung diese angesichts des Nutzens derselben rechtfertigen können, bleibt diese Entscheidung den Apothekern verwehrt. Bei einer Abwägung zwischen den Interessen der Gemeinschaft an Arbeitsschutz für die Apothekenangestellten und den Interessen der Apotheker, an der Sonntagsöffnung teilnehmen zu dürfen, erweisen sich letztere als überwiegend. Dabei ist zugunsten der Apotheker, die auch kaufmännisch denken müssen, nicht nur der konkrete Umsatz, der an einem verkaufsoffenen Sonntag erzielt werden kann, zu berücksichtigen. Vielmehr fällt ebenso ins Gewicht das Interesse, sich als kundenfreundlich und serviceorientiert zu zeigen und deshalb die Apotheke an einem allgemeinen verkaufsoffenen Sonntag nicht geschlossen halten zu müssen. Die Verurteilungen der Beschwerdeführerin, die auf der verfassungswidrigen Norm beruhten, hat das Bundesverfassungsgericht aufgehoben.

Karlsruhe, den 16. Januar 2002