Bundesverfassungsgericht

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Antrag Bayerns gegen "Moratorium Gorleben" unzulässig

Pressemitteilung Nr. 20/2002 vom 20. Februar 2002

Beschluss vom 05. Dezember 2001
2 BvG 1/00

Einstimmig hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Antrag der bayerischen Staatsregierung gegen die Entscheidung der Bundesregierung, die Erkundung des Salzstocks Gorleben vorläufig auszusetzen und am "Integrierten Entsorgungskonzept" nicht festzuhalten, als unzulässig verworfen.

Die bayerische Staatsregierung war der Auffassung, der Bund habe gegen Art. 20 Abs. 3 GG, die grundgesetzliche Kompetenzverteilung und den Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen, indem er im Rahmen des sogenannten "Atomkonsens" ohne Beteiligung der Länder dieses Erkundungsmoratorium vereinbart und die Möglichkeit der Wiederaufarbeitung von Atommüll ab Juli 2005 ausgeschlossen hat. Die Pflicht zur Erkundung des Salzstocks Gorleben folgt nach Auffassung der bayerischen Staatsregierung aus dem Grundsatz der Bundestreue. Durch das Moratorium verzögere der Bund ohne rechtfertigenden Grund die ihm obliegende Endlagerung und verlagere so die Verantwortung für die Entsorgung auf die Länder, die nach den Vorschriften des Atomgesetzes für die Zwischenlagerung und die Atomaufsicht zuständig seien.

Hinsichtlich der geplanten Errichtung standortnaher Zwischenlager seien die Länder vor allem unter Sicherheitsaspekten verstärkt gefordert. Die Entsorgung könne angesichts des sachlich bedingten Zwangs zur Zusammenarbeit von Bund und Ländern nur im Konsens durchgeführt werden.

Das Entsorgungskonzept könne deshalb, wie schon in der Vergangenheit, nur unter Beteiligung der Länder geändert werden.

Der Antrag der bayerischen Staatsregierung ist unzulässig, denn das Land Bayern ist insoweit nicht antragsbefugt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis im Bund-Länder-Streit ist eine Maßnahme oder Unterlassung, die innerhalb eines Bund und Land umspannenden materiellen Verfassungsrechtsverhältnisses eine Rechtsposition des Landes verletzten oder gefährden kann. Eine verfassungsrechtliche Position des Landes Bayern im Hinblick auf die Erkundung des Endlagers Gorleben besteht nicht. Die einfach-gesetzliche Pflicht des Bundes zur Errichtung eines Endlagers wird nicht über Art. 20 Abs. 3 GG zu einer verfassungsrechtlichen Pflicht gegenüber den Ländern erhöht. Ein irgendwie geartetes Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Entsorgung ist ausschließlich durch einfaches Gesetz und nicht durch die Verfassung begründet. Es gibt auch keine allgemeine Rücksichtnahmepflicht des Bundes, die von den Ländern im Bund-Länder-Streit eingeklagt werden könnte. Endlagerstätten werden in bundeseigener Verwaltung erkundet. Diese Zuständigkeit des Bundes haben die Länder zu achten. Der Grundsatz des bundesfreundlichen Verhaltens setzt als Kompetenzausübungsschranke für den Bund wegen seiner Akzessorietät eine korrespondierende Rechtsposition der Länder voraus. Allein der Umstand, dass das Land für den Vollzug bestimmter Gesetze zuständig ist, begründet noch keine solche Rechtsposition. Ein Anspruch darauf, vom Vollzug von Gesetzen, soweit dieser Landesaufgabe ist, verschont zu bleiben, besteht nicht. Ebenso wenig besteht eine verfassungsrechtliche Position der Länder hinsichtlich der Änderung des Entsorgungskonzepts, das der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes unterfällt. Eine solche kann auch nicht aus vorangegangenem Zusammenwirken hergeleitet werden. Auch wenn das "Integrierte Entsorgungskonzept" 1979 von Bund und Ländern bestätigt worden ist, stellt dieser Beschluss lediglich eine politische Erklärung hinsichtlich eines bereits bestehenden Bundesgesetzes dar.

Karlsruhe, den 20. Februar 2002