Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung zum Lebenspartnerschaftsgesetz

Pressemitteilung Nr. 38/2002 vom 26. März 2002

Az. 1 BvF 1/01, 1 BvF 2/01

Am 9. April 2002 verhandelt der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts über die Anträge der Regierungen von Bayern, Sachsen und Thüringen gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz. Dieses Gesetz mit Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft und den damit verbundenen Rechtsfolgen ist am 1. August 2001 in Kraft getreten. Das von den Regierungsfraktionen ebenfalls eingebrachte Lebenspartnerschaftsgesetzergänzungsgesetz, das zum großen Teil verfahrensrechtliche Ausführungsregelungen zum Lebenspartnerschaftsgesetz enthält, harrt noch der Beratung im Vermittlungsausschuss.

Die Lebenspartnerschaft wird nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz durch Erklärungen vor der zuständigen Behörde begründet, wobei das Gesetz selbst keine Bestimmung der Zuständigkeit enthält. Auf Antrag eines oder beider Lebenspartner endet die Partnerschaft durch aufhebendes Urteil. Die Rechtsfolgen der Lebenspartnerschaft ähneln teilweise den Rechtsfolgen der Ehe, teilweise weichen sie von ihnen ab. Ähnlichkeiten finden sich im Bereich des Unterhaltsrechts, ebenso ist eine gemeinsame Namensführung möglich. Im Gesetz ist die Möglichkeit eines Umgangsrechts mit Kindern des anderen Lebenspartners vorgesehen, ein Lebenspartner gilt als Familienangehöriger des anderen. Eingeführt worden ist ein gesetzliches Erbrecht des Lebenspartners, das dem des Ehegatten entspricht. Auch im Sozialrecht entstehen Rechtsfolgen aus der Lebenspartnerschaft, so die Einbeziehung in die Familienversicherung der Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung. Im Ausländerrecht sind die Familiennachzugsvorschriften entsprechend anwendbar.

Hingegen ist weder die Möglichkeit eines Versorgungsausgleichs bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft noch die der gemeinsamen Adoption von Kindern vorgesehen. Es fehlen Regelungen über eine Hinterbliebenenrente bzw.-versorgung. Steuerrechtliche Regelungen sind im Entwurf des Ergänzungsgesetzes enthalten. Das Lebenspartnerschaftsgesetz enthält darüber hinaus Neuregelungen im Bereich des Sorgerechts und des Mietrechts, die nicht nur eingetragenen Lebenspartnern, sondern auch Anderen zugute kommen.

Nach Auffassung der Regierungen Bayerns, Sachsens und Thüringens ist das Gesetz formell und materiell verfassungswidrig. Die formelle Verfassungswidrigkeit ergebe sich zum einen aus der unzulässigen Aufspaltung des Gesetzes in einen nicht zustimmungspflichtigen Teil - das Lebenspartnerschaftsgesetz - und einen zustimmungspflichtigen Teil, nämlich das Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz. Diese Aufspaltung sei missbräuchlich vorgenommen worden, um das Zustimmungsrecht des Bundesrates zu umgehen. Nach Auffassung der Antragssteller besteht zwischen den materiellen und den verfahrensrechtlichen, insbesondere den personenstandsrechtlichen Vorschriften ein untrennbarer Zusammenhang. Zum anderen enthalte das Lebenspartnerschaftsgesetz selbst nach wie vor eine Reihe zustimmungsbedürftiger Vorschriften. Das Gesetz sei auch materiell verfassungswidrig. Art. 6 Abs. 1 GG enthalte ein Abstandsgebot, das sich insbesondere aus der Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG und aus dem Schutz von Ehe und Familie als wertentscheidender Grundsatznorm herleite und vom Gesetz nicht gewahrt werde. Einzelne gesetzliche Regelungen verstießen zudem gegen eine Reihe anderer Verfassungsnormen wie Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.

Zu dem Verfahren haben der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung, der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, die Landesregierung Schleswig-Holstein, der Lesben- und Schwulenverband Deutschland sowie die Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche Stellung genommen.

Karlsruhe, den 26. März 2002