Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Dosenpfand

Pressemitteilung Nr. 59/2002 vom 27. Juni 2002

Beschluss vom 24. Juni 2002
1 BvR 575/02

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde diverser Getränkeunternehmen und Einzelhandelsgesellschaften, die das sogenannte Dosenpfand betrifft, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerinnen (Bf) wollten verhindern, dass die Bundesregierung die Zahlen über die Mehrwegquote für Bier und Mineralwasser bekannt gibt. Sollten diese Zahlen den in der Verpackungsordnung festgesetzten Grenzwert unterschreiten, wird sechs Monate danach die Verpflichtung zur Erhebung des Dosenpfandes wirksam. Ein entsprechender Eilantrag der Bf blieb beim Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin erfolglos. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat nunmehr die gegen diese Eilentscheidungen erhobene Verfassungsbeschwerde (Vb) nicht zur Entscheidung angenommen. Damit hat sich auch ein in der letzten Woche gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

Nach der Begründung der Kammer hat die Vb in erster Linie aus prozessualen Gründen keine Aussicht auf Erfolg. Die Bf haben nämlich nicht alles ihnen mögliche getan, um auch ohne Verfassungsbeschwerde die ihnen angeblich drohende Rechtsverletzung zu verhindern. Sie haben lediglich einstweiligen Rechtsschutz bei den Verwaltungsgerichten verlangt, es hingegen unterlassen, das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfahren durchzuführen. Die Erschöpfung des Rechtsweges in der Hauptsache ist aber geboten, wenn sich dort die Chance bietet, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen. Bereits im Januar 1999 - nach der Bekanntgebung der Ergebnisse der Regelerhebung für das Jahr 1997 - war den Bf bewusst, dass eine Nacherhebung über die Mehrwegquote durchgeführt werden würde. Welche Rechtsfolgen sich aus einer nochmaligen Unterschreitung der Mehrwegquote ergeben würden, war ihnen bekannt. Dennoch haben die Bf - entgegen ihrer eigenen Ankündigung - keine vorbeugende Unterlassungsklage gegen diese erneute Bekanntmachung erhoben. Hätten sie dies rechtzeitig - jedenfalls bei Stellung ihres Antrags auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im November 2000 - getan, wäre es den Gerichten möglich gewesen, den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht weiter aufzuklären. Im Klageverfahren ist eine eingehende Auseinandersetzung mit den verschiedenen und einander widersprechenden Studien, auf die sich die Beteiligten jeweils berufen hatten, möglich. Eine Entscheidung, ob die Regelung des § 9 Verpackungsverordnung eine geeignete Maßnahme und einen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Bf darstellt, setzt die Bewertung dieser Studien voraus. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, diese notwendige und im Klageverfahren zu leistende umfassende Aufklärung im Rahmen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens erstmalig vorzunehmen. Ein Klageverfahren hätte zudem die Möglichkeit geboten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht mit den aufgeworfenen, zum Teil rechtlich schwierigen und bisher in der fachgerichtlichen Rechtsprechung höchstrichterlich nicht entschiedenen Fragen hätte befassen können. Gründe dafür, dass die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens von vornherein aussichtslos oder den Bf aus anderen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre, sind nicht ersichtlich.

Karlsruhe, den 27. Juni 2002