Bundesverfassungsgericht

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Anträge gegen das Lebenspartnerschaftsgesetz ohne Erfolg

Pressemitteilung Nr. 64/2002 vom 17. Juli 2002

Urteil vom 17. Juli 2002
1 BvF 1/01

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute sein Urteil in den Normenkontrollverfahren der Landesregierungen von Bayern, Sachsen und Thüringen über das Lebenspartnerschaftsgesetz verkündet und festgestellt, dass das angegriffene Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Damit können gleichgeschlechtliche Paare unter den Voraussetzungen dieses Gesetzes eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Seit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes schon eingetragene Lebenspartnerschaften haben weiterhin Bestand.

Der Hintergrund der Verfahren ist in der Pressemitteilung Nr. 38/2002 vom 26.März 2002 dargestellt. Sie kann auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts eingesehen werden.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist verfassungsgemäß.

1. Einstimmig hat der Erste Senat entschieden, dass das Gesetz verfassungsgemäß zustande gekommen ist. Es bedurfte nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Keine der im Gesetz enthaltenen Vorschriften regelt die Einrichtung und das Verwaltungsverfahren von Landesbehörden. Sie können deshalb eine Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes nach Art. 84 Abs. 1 GG nicht begründen.

Das Gesetz ist auch nicht deshalb zustimmungspflichtig, weil in einer seiner Bestimmungen vor der Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes noch Zuständigkeiten des Standesbeamten benannt waren. Diese Fassung des Gesetzes ist in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise berichtigt worden, weil sie offensichtlich unrichtig war. Die offensichtliche Unrichtigkeit als Zulässigkeitsvoraussetzung der Berichtigung eines Gesetzesbeschlusses kann sich nicht allein aus dem Normtext, sondern auch unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs und der Materialien des Gesetzes ergeben. Dass der beschlossene Normtext offensichtlich unrichtig gewesen ist, ergibt sich aus dem klaren Widerspruch zwischen ihm und der Gesetzesbegründung, nach der im Lebenspartnerschaftsgesetz gänzlich auf die Benennung einer zuständigen Behörde verzichtet werden sollte. Die berichtigte und so verkündete Textfassung entspricht auch dem im Gesetz zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, den Ländern die Bestimmung der für Lebenspartnerschaftsangelegenheiten zuständigen Behörde zu überlassen. Dies ist durch die Stellungnahmen der Präsidenten von Bundestag und Bundesrat zum Berichtigungsverfahren und die dazu angehörten Obleute der Fraktionen im Rechtsausschuss bestätigt worden.

Die Aufteilung des eingebrachten Gesetzentwurfs in das vom Bundesverfassungsgericht zu prüfende Lebenspartnerschaftsgesetz und in ein weiteres Gesetz mit insbesondere verfahrensrechtlichen Ausführungsregelungen, das bisher nicht zustande gekommen ist, löst ebenfalls nicht die Zustimmungsbedürftigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes aus. Der Bundestag darf eine Gesetzesmaterie so in zwei oder mehrere Gesetze aufteilen, dass nur ein Teil der beabsichtigten Gesamtregelung dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegt, um damit auszuschließen, dass der Bundesrat den anderen Teil verhindert, der für sich genommen nicht zustimmungspflichtig ist. Dies folgt aus dem Recht des Bundestages zur Gesetzgebung. Weder wird dadurch das Recht der Länder, an der Gesetzgebung des Bundes mitzuwirken, in unzulässiger Weise eingeschränkt noch verschieben sich hierdurch die verfassungsrechtlich zugewiesenen Gewichte von Bundestag und Bundesrat bei der Gesetzgebung zu Lasten der Länder. Mit einer solchen Vorgehensweise richtet der Bundestag vielmehr seine Gesetzgebung an der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern aus. Dabei hat der Senat weiter dahingestellt gelassen, ob der Aufteilung eines Rechtsstoffes auf mehrere Gesetze im Einzelfall doch verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt sein könnten. Denn jedenfalls ist die im Falle des Lebenspartnerschaftsgesetzes vorgenommene Aufteilung frei von Willkür, weil sie ein legitimer Weg ist, dem Parlament die Realisierung seines Gesetzesvorhabens zu ermöglichen.

2. Das Gesetz verstößt nach Auffassung der Senatsmehrheit von 5:3 nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, der die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft berührt nicht die grundrechtlich geschützte Eheschließungsfreiheit. Verschiedengeschlechtliche Paare können nämlich durch dieses neue Institut nicht vom Eheschluss abgehalten werden, da es ihnen verschlossen bleibt. Eine schon eingegangene Lebenspartnerschaft steht nach dem Gesetz einer Eheschließung nicht entgegen. Das Gesetz lässt allerdings offen, welche rechtlichen Folgen ein Eheschluss für eine bestehende Lebenspartnerschaft nach sich zieht. Der Senat hält es unter Berücksichtigung der tief greifenden Folgen für die einzelnen Betroffenen für nahe liegend, dass der Gesetzgeber die notwendige Lückenfüllung nicht den Gerichten überlässt, sondern selbst vornimmt.

Das Grundgesetz verlangt weiter, die Ehe als Lebensform anzubieten und zu schützen. Dieser Institutsgarantie hat der Gesetzgeber mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht zuwider gehandelt. Das Grundgesetz gewährleistet die Ehe in ihrer jeweiligen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Dabei sind allerdings die wesentlichen Strukturprinzipien zu beachten, die den Gehalt der Ehe prägen. Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch, dass die Ehe die Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist. Dieses Strukturprinzip der Ehe ist aber durch das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht betroffen. Vielmehr haben sämtliche eherechtlichen Regelungen nach wie vor unverändert durch das Gesetz Bestand. Da sich die Institutsgarantie nur auf die Ehe bezieht, kann ihr kein Verbot entnommen werden, gleichgeschlechtlichen Partnern die Möglichkeit einer rechtlich ähnlich ausgestalteten Partnerschaft zu eröffnen.

Schließlich verstößt das Lebenspartnerschaftsgesetz nicht gegen das in Art. 6 Abs. 1 GG als wertentscheidende Grundsatznorm für das gesamte Ehe- und Familienrecht enthaltene Gebot, der Ehe einen besonderen Schutz durch die staatliche Ordnung zu geben. Die Ehe wird durch das Gesetz weder geschädigt noch sonst beeinträchtigt. Dadurch, dass die Rechte und Pflichten der Lebenspartner in weiten Bereichen denen der Ehegatten nachgebildet sind, werden diese nicht schlechter als bisher gestellt und auch nicht gegenüber Lebenspartnern benachteiligt. Der Ehe drohen keine Einbußen durch ein Institut, das sich an Personen wendet, die miteinander keine Ehe eingehen können.

Mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft wird auch nicht gegen das Gebot verstoßen, die Ehe als Lebensform zu fördern. Der Ehe wird keine Förderung entzogen, die sie bisher erfahren hat. Aus der Zulässigkeit, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein Gebot herleiten, diese gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Das Fördergebot des Art. 6 Abs. 1 GG kann nicht als Benachteiligungsgebot für andere Lebensformen als die Ehe verstanden werden. Wenn die Rechtsordnung auch andere Lebensformen anerkennt, die mit der Ehe als Gemeinschaft verschiedengeschlechtlicher Partner nicht in Konkurrenz treten können, verringert sich weder der rechtliche Schutz noch die Förderung der Ehe. Es ist verfassungsrechtlich auch nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass solche anderen Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe ausgestaltet und mit geringeren Rechten versehen werden müssten. Sein Schutz- und Förderauftrag gebietet es dem Gesetzgeber allerdings, dafür Sorge zu tragen, dass die Ehe die Funktion erfüllen kann, die ihr von der Verfassung zugewiesen ist.

Die Besonderheit des Schutzes von Ehe und Familie liegt darin, dass allein diese, nicht dagegen andere Lebensformen von der Verfassung geschützt sind. Ihr die darüber hinausgehende Bedeutung beizumessen, die Ehe auch im Umfang stets mehr zu schützen als andere Lebensgemeinschaften, kann weder auf den Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 GG noch auf seine Entstehungsgeschichte gestützt werden. Die Förderpflicht des Staates hat sich am Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 GG auszurichten. Die Ehe ist vor Funktionseinbußen zu schützen. Dem Fördergebot zuwider handeln würde der Gesetzgeber deshalb, wenn er ein mit der Ehe austauschbares Institut mit derselben Funktion und etwa gleichen Rechten oder geringeren Pflichten anbieten würde. Dies ist bei der Lebenspartnerschaft jedoch nicht der Fall. Sie kann mit der Ehe schon deshalb nicht in Konkurrenz treten, weil der Adressatenkreis, an den sich das Institut richtet, nicht den der Ehe berührt. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist wegen dieses Unterschieds auch keine Ehe mit falschem Etikett, sondern ein aliud zur Ehe. Nicht ihre Bezeichnung begründet ihre Andersartigkeit, sondern der Umstand, dass sich in der eingetragenen Lebenspartnerschaft zwei gleichgeschlechtliche Partner binden können. Art. 6 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber nicht, Rechtsformen für ein auf Dauer angelegtes Zusammenleben auch anderen Personenkonstellationen als der Verbindung von Mann und Frau anzubieten. Durch das Merkmal der Dauerhaftigkeit werden solche Rechtsbeziehungen nicht zur Ehe.

Keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG hat der Erste Senat darin gesehen, dass verschiedengeschlechtlichen Paaren der Zugang zum Rechtsinstitut der eingetragenen Lebenspartnerschaft verwehrt ist. Ihnen steht im Gegensatz zu gleichgeschlechtlichen Paaren das Institut der Ehe offen. Der Unterschied, dass aus einer verschiedengeschlechtlichen Beziehung Kinder hervorgehen können, rechtfertigt es, diese Paare auf die Ehe zu verweisen, wenn sie ihrer Beziehung einen rechtlichen Rahmen geben wollen. Andere Einstandsgemeinschaften, zum Beispiel solche zwischen Geschwistern oder Verwandten, sind nach der Auffassung einer Senatsmehrheit von 7:1 ebenfalls mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften nicht vergleichbar und erfahren zudem schon nach geltendem Recht in bestimmtem Umfang eine rechtliche Absicherung. Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang fest, dass es dem Gesetzgeber generell nicht verwehrt ist, auch verschiedengeschlechtlichen Paaren oder Einstandsgemeinschaften neue Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Beziehung in eine Rechtsform zu bringen, die eine Austauschbarkeit mit der Ehe vermeidet. Ein verfassungsrechtliches Gebot hierzu besteht jedoch nicht.

3. Der Richter Papier und die Richterin Haas haben dem Urteil jeweils eine abweichende Meinung beigefügt.

Richter Papier stimmt der Entscheidung der Senatsmehrheit zur Bedeutung der Institutsgarantie der Ehe und den sich daraus ergebenden Folgerungen nicht zu. Über die wesentlichen Strukturprinzipien des Instituts der Ehe darf auch der Gesetzgeber nicht beliebig verfügen. Dazu zählt die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner. Die Einrichtung der Ehe wird nicht nur ihrer Bezeichnung nach, sondern in ihren strukturbildenden Merkmalen vor dem Zugriff des Gesetzgebers geschützt. Schafft der Gesetzgeber, wenn auch unter einem anderen Namen, eine rechtsförmlich ausgestaltete Partnerschaft zwischen Personen gleichen Geschlechts, die im übrigen in Rechten und Pflichten denen der Ehe entspricht, missachtet er ein wesentliches durch Art. 6 Abs. 1 GG vorgegebenes Strukturprinzip. Es ist ein Fehlschluss, anzunehmen, dass gerade aufgrund des Abweichens von einem wesentlichen Strukturprinzip des Art.6 Abs.1 GG die verfassungsrechtliche Institutsgarantie als Maßstab ausscheide. Deshalb hätte die Senatsmehrheit begründen müssen, dass das Lebenspartnerschaftsgesetz kein durch Art.6 Abs.1 GG geschütztes Strukturprinzip berührt. Die Bedeutung der Institutsgarantie geht über die Abwehr unberechtigter Eingriffe zu Lasten der Ehe hinaus. Deshalb ist die Annahme der Senatsmehrheit, die Institutsgarantie bleibe schon deshalb unberührt, weil das Lebenspartnerschaftsgesetz die die Ehe regelnden Bestimmungen nicht ändere, unzutreffend. Die Senatsmehrheit setzt keinerlei Grenzen für eine substantielle Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe.

Auch Richterin Haas stimmt der Auslegung des Art.6 Abs.1 GG durch die Senatsmehrheit nicht zu. Über die für das Institut der Ehe wesentlichen Strukturprinzipien kann der Gesetzgeber nicht verfgen. Dazu gehört die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner. Art.6 Abs.1 GG schtzt die Ehe als Institut wegen der in der Ehe potenziell angelegten Elternschaft und damit der Bedeutung der Ehe für Familie und Gesellschaft. Keine andere Personengemeinschaft wird vergleichbar vom Grundgesetz geschützt. Der Gesetzgeber kann sich den Anforderungen des Art.6 Abs.1 GG nicht dadurch entziehen, dass er die Bezeichnung Ehe vermeidet. Die Institutsgarantie des Art.6 Abs.1 GG steht daher der Einführung der Rechtsform einer Lebenspartnerschaft für Personen gleichen Geschlechts entgegen, wenn diese in Rechten und Pflichten der Ehe entspricht. Dies hätte umfassend geprüft werden müssen. Weiterer Ausführungen hätte es auch zur Vereinbarkeit der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit dem Gleichheitssatz bedurft. Auf der Grundlage der Senatsbegründung ist insbesondere nicht erkennbar, warum Einstandsgemeinschaften zwischen Geschwistern und Verwandten gleichen Geschlechts keine eingetragene Lebenspartnerschaft miteinander eingehen können. Es hätte konkreter Darlegung bedurft, warum derartige Einstandsgemeinschaften mit anderen Lebensgemeinschaften nicht vergleichbar sind oder weshalb die bestehenden gesetzlichen Regelungen eine Ungleichbehandlung rechtfertigen.

Karlsruhe, den 17. Juli 2002