Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

"TV-Duell der Kanzlerkandidaten" vor der Bundestagswahl am 22. September 2002

Pressemitteilung Nr. 76/2002 vom 30. August 2002

Beschluss vom 30. August 2002
2 BvR 1332/02

Die Verfassungsbeschwerde (Vb) der Freien Demokratischen Partei (Beschwerdeführerin; Bf), die die Teilnahme ihres Vorsitzenden an dem gemeinsam von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF am 8. September 2002 geplanten "TV-Duell" zwischen dem Bundeskanzler und seinem Herausforderer erstrebt, wurde von der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen. Die Bf war mit ihrem Begehren vor den Verwaltungsgerichten ohne Erfolg geblieben. Dagegen richtet sich ihre Vb. Mit deren Nichtannahme hat sich auch ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Teilnahme durchgesetzt werden sollte, erledigt.

Zur Begründung führt die Kammer aus:

Die Voraussetzungen für die Annahme der Vb liegen nicht vor. Die Vb hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung und ist ohne hinreichende Aussicht auf Erfolg. Von Verfassungs wegen sind die angegriffenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht zu beanstanden.

Es verstößt insbesondere nicht gegen grundrechtliche Gewährleistungen, dass die Verwaltungsgerichte einen Teilnahmeanspruch der Bf nach dem Parteiengesetz mit der Begründung verneint haben, das "TV-Duell" sei eine redaktionell gestaltete, von den Rundfunkanstalten verantwortete Sendung, die trotz einer von ihr möglicherweise ausgehenden Werbewirkung nicht als Wahlwerbesendung qualifiziert werden könne und schon deshalb nicht dem in § 5 Abs. 1 Parteiengesetz verwendeten Begriff der öffentlichen Leistung unterfalle. Dieser Standpunkt beruht auf keiner grundsätzlich unrichtigen Anschauung von Reichweite und Bedeutung des Grundsatzes der Chancengleichheit.

Auch im Übrigen ist für einen Gleichheitsverstoß nichts ersichtlich, selbst wenn die Rundfunkanstalten einer strengen Bindung an den Grundsatz der Chancengleichheit unterliegen sollten. Nach den Feststellungen der Verwaltungsgerichte beruht die umstrittene Sendung auf einem schlüssigen und folgerichtig umgesetzten journalistischen Entwurf. Dieser steht unter dem Schutz der Rundfunkfreiheit. Nach diesem Konzept sollen die beiden Politiker, die allein ernsthaft damit rechnen können, zum Bundeskanzler gewählt zu werden, in einer Befragung durch zwei Moderatorinnen einander gegenüber gestellt werden. Demnach scheidet eine Teilnahme des Vorsitzenden der Bf aus, weil er keine realistische Aussicht darauf hat, nach der Wahl am 22. September 2002 das Amt des Bundeskanzlers zu übernehmen, was die Bf letztlich selbst nicht bestreitet. Diese Tatsache hat die Bf als Folge der bestehenden politischen Kräfteverhältnisse hinzunehmen. Ein Verstoß gegen ihren Anspruch auf Wahrung der Chancengleichheit liegt darin nicht.

Allerdings dürfen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein redaktionelles Konzept, das die Erfolgsaussichten von Beteiligten am Wahlwettbewerb nachhaltig mindern kann, nicht ohne Rücksicht auf diesen Umstand durchsetzen. Dies ist hier nach der Begründung der Verwaltungsgerichte auch nicht der Fall. Nach den der Bf verbleibenden Darstellungsmöglichkeiten in den Medien kann nicht von einer Verletzung der Chancengleichheit ausgegangen werden. Der zweiwöchige Zeitraum nach dem "TV-Duell" bis zum Wahltag ist in der "heißen Phase" des Wahlkampfs ein Zeitraum von nicht unerheblicher Länge. Die Bf kann an mehreren gewichtigen redaktionellen Beiträgen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu Themen des Wahlkampfs teilnehmen. Ihr Vorsitzender hat die Möglichkeit, sich an der Diskussionsrunde "Die Favoriten" am 17. September 2002 zu beteiligen. Außerdem hatte und hat die Bf die Gelegenheit, in weiteren redaktionellen Beiträgen des öffentlichen-rechtlichen wie des privaten Rundfunks die Gunst der Wähler zu gewinnen.

Karlsruhe, den 30. August 2002