Bundesverfassungsgericht

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Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Krankenhauswahlleistungen verfassungsgemäß

Pressemitteilung Nr. 14/2003 vom 26. Februar 2003

Beschluss vom 07. November 2002
2 BvR 1053/98

Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums gebietet es nicht, einem Beamten Beihilfen für die Inanspruchnahme von Wahlleistungen in der Krankenhausversorgung zu gewähren. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts und wies die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines Richters (Bf) aus Berlin zurück.

In dem Verfahren geht es um die Frage, ob sogenannte Wahlleistungen bei stationärer Behandlung in einem Krankenhaus von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden dürfen. Wahlleistungen umfassen insbesondere die Behandlung durch den Chefarzt und die Unterkunft im Ein- oder Zweibettzimmer. Seit 1. April 1998 sind aufgrund einer Änderung des Beihilferechts im Land Berlin Aufwendungen für Wahlleistungen bei stationärer Behandlung nicht mehr beihilfefähig. Dagegen bleiben Wahlleistungen bei stationärer Behandlung für am 1. April 1998 vorhandene Versorgungsempfänger, Schwerbehinderte und Personen, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, weiterhin beihilfefähig. Neben dem Land Berlin haben die Länder Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland und Schleswig-Holstein ebenfalls die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für stationäre Wahlleistungen ausgeschlossen. Aus einigen dieser Länder liegen dem BVerfG weitere Vb vor. Die im Bund und in den Ländern Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geltenden Beihilferegelungen sehen demgegenüber die grundsätzliche Beihilfefähigkeit auch der Aufwendungen für Wahlleistungen vor.

Der verheiratete Bf, der zwei Kinder hat, sieht insbesondere die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), den allgemeinen Gleichheitssatz sowie den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt.

In den Gründen der Entscheidung heißt es:

1. Zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums zählen die Fürsorgepflicht und das Alimentationsprinzip, die jedoch nicht die Beihilfe in ihrer gegenwärtigen Gestalt umfassen. Das System der Beihilfen kann geändert werden, ohne dass dies hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums berührt. Die Gewährung von Beihilfen folgt aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten darf bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet werden. Beihilfe soll die zumutbare Eigenvorsorge ergänzen und den Beamten von den durch die Besoldung nicht gedeckten notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang freistellen. Lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen fordert die Fürsorgepflicht jedoch nicht. Das Alimentationsprinzip verlangt vom Gesetzgeber, für den amtsangemessenen Unterhalt des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Dies umfasst von Verfassungs wegen lediglich die Kosten eines Krankenversicherungsschutzes, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Leistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich sind.

Danach ist die Gewährung von Beihilfe bei Aufwendungen für Krankenhauswahlleistungen nicht erforderlich. Ihre Inanspruchnahme ist für eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall regelmäßig nicht notwendig. Eine medizinische Vollversorgung ist nach der gegenwärtig geltenden Bundespflegesatzverordnung bereits aufgrund der allgemeinen Krankenhausleistungen gewährleistet. Die Krankenhausbehandlung nach dem Leistungsniveau der gesetzlichen Krankenversicherung stellt nicht etwa nur einen sozialen Mindeststandard dar. Je nach Zustand des Patienten kann das Eingreifen des Chefarztes auch im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen erforderlich und dem Patienten geschuldet sein. Auch eine aus medizinischen Gründen notwendige Unterbringung in einem Ein- oder Zweibettzimmer wird durch den allgemeinen Pflegesatz abgegolten. Der Dienstherr erfüllt seine Fürsorgepflicht, wenn er zu einer als vollwertig anzusehenden stationären Behandlung angemessene Beihilfen gewährt. Dabei darf er sich auf das Maß des medizinisch Gebotenen beschränken. Für die Angemessenheit der ergänzenden Beihilfe kommt es auf ein traditionelles Anspruchsniveau der Beamtenschaft nicht an. Die Gewährung von Beihilfen im bisherigen Umfang ist auch nicht unveränderlich. Jedenfalls gegenwärtig gebietet es die Fürsorgepflicht nicht, einem Beamten als Krankenhausversorgung mehr zu gewährleisten als den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung. Dass dies den Beamten vor die Alternative stellt, entweder auf die Inanspruchnahme von Wahlleistungen zu verzichten oder aber selbst Vorsorge durch Abschluss einer erweiterten Versicherung zu treffen, verstößt nicht gegen die Fürsorgepflicht.

Die Beihilfe-Neuregelung verletzt auch nicht das Alimentationsprinzip. Es entsteht keine verfassungswidrige Lücke in der amtsangemessenen Alimentation. Entschließt sich der Beamte, für die mögliche Inanspruchnahme von Krankenhauswahlleistungen eine erweiterte Versicherung abzuschließen, beeinflusst dies nicht den Umfang der vom Dienstherrn geschuldeten Alimentation. Denn dabei handelt es sich nicht mehr um die Vorsorge für im Krankheitsfall notwendige Aufwendungen.

Der Dienstherr schuldet auch dem Beamten mit Familie nur Vorkehrungen zur Abdeckung der Kosten einer erforderlichen Krankheitsvorsorge. Familienstand und Kinderzahl berücksichtigt der unterschiedlich hohe Familienzuschlag. Die Länder dürfen Beihilfen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen auch dort kürzen, wo dies einem überlieferten Bild der Beihilfengewährung nicht entspricht.

2. Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit für Krankenhauswahlleistungen ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, soweit er sich je nach Familienstand, Kinderzahl und Alter unterschiedlich auswirkt. Diesen Unterschieden tragen bereits die Dienstaltersstufen und der Familienzuschlag im Besoldungsrecht Rechnung. Die Beihilfefähigkeit der Krankenhauswahlleistungen für bei Inkrafttreten der Neuregelung vorhandene Versorgungsempfänger, Schwerbehinderte und Personen ab Vollendung des 55. Lebensjahrs lässt sich deshalb rechtfertigen, weil diesen Personengruppen eine ergänzende Versicherung nicht oder nicht zu zumutbaren Beiträgen möglich wäre.

3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes ist nicht verletzt. Insbesondere im Beihilferecht darf der Beamte nicht ohne Weiteres auf den unveränderten Fortbestand einer ihm günstigen Regelung vertrauen.

4. Das Land Berlin war gesetzgebungsbefugt. Die Länder dürfen die durch die Fürsorgepflicht gebotene Ergänzung der Regelalimentation mittels Beihilfen für Krankheitsfälle durch eigene Vorschriften festlegen. Es liegt schließlich auch kein Verstoß gegen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten vor, die diese Kompetenzausübung beschränken würde.

Karlsruhe, den 26. Februar 2003