Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Zur Anzahl der Vornamen eines Kindes

Pressemitteilung Nr. 18/2004 vom 20. Februar 2004

Beschluss vom 28. Januar 2004
1 BvR 994/98

Eine Mutter (Beschwerdeführerin; Bf), die sich gegen die Begrenzung der Anzahl der für ihren Sohn zu bestimmenden Vornamen wehrte, blieb mit ihrer Verfassungsbeschwerde (Vb) ohne Erfolg. Die Vb wurde von der 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur Entscheidung angenommen.

1. Die Bf hatte beim Standesamt erklärt, ihrem neugeborenen Sohn zwölf Vornamen geben zu wollen. Nachdem sie die Vornamen beziehungsweise deren Reihenfolge im Laufe des Verfahrens mehrmals geändert hatte, beantragte die Bf schließlich mit der Beschwerde, das Kind solle die Vornamen "Chenekwahow, Tecumseh, Migiskau, Kioma, Ernesto, Inti, Prithibi, Pathar, Chajara, Majim, Henriko und Alessandro" erhalten. Dabei sollte die von ihr gewählte Reihenfolge der Namen deren jeweilige Vorrangigkeit bei der Namensgebung zum Ausdruck bringen.

Das Landgericht wies das Standesamt an, dem Kind die vier Vornamen "Chenekwahow, Tecumseh, Migiskau und Ernesto" beizuschreiben. Die Namenswahl dürfe nicht dem Kindeswohl widersprechen. Zwölf Vornamen hätten aber einen erheblich belästigenden Charakter für das Kind. Es müsste sich die richtige Reihenfolge und Schreibweise der größtenteils ungewöhnlichen Namen merken und würde durch diese immer wieder auffallen. Das weiter angerufene Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf änderte den Beschluss der Vorinstanz geringfügig dahingehend ab, dass dem Kind zusätzlich der Name "Kioma" zu geben sei. Das OLG machte sich die Begründung des Landgerichts zu eigen und stellte zusätzlich darauf ab, dass die Selbstidentifikation des Kindes mit zunehmender Zahl seiner Vornamen nicht mehr gewährleistet sei.

Mit ihrer dagegen gerichteten Vb rügt die Bf die Verletzung ihrer Grundrechte unter anderem aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

2. Die Vb hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist sie zur Durchsetzung der Grundrechte der Bf angezeigt. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg. Die angegriffene Entscheidung des OLG verletzt die Bf insbesondere nicht in ihrem Elternrecht.

Das Recht der Eltern, Sorge für ihr Kind zu tragen, umfasst auch das Recht, ihrem Kind einen Namen zu geben. Die Entscheidung, welchen Namen es tragen soll, haben die Eltern in Ausübung der Verantwortung für das Kind zu treffen. Dies betrifft auch die Wahl eines Vornamens. Dabei sind die Eltern mangels einschlägiger Bestimmungen im Namensrecht in der Wahl des Vornamens grundsätzlich frei. Dieses Recht findet aber dort eine Grenze, wo seine Ausübung das Kindeswohl zu beeinträchtigen droht. Der Staat hat die Pflicht, das Kind als Grundrechtsträger vor verantwortungsloser Namenswahl durch die Eltern zu schützen.

Diesen Anforderungen entspricht die Entscheidung des OLG. Seine Ausführungen dazu, das die Bf die ihr bei der Namenswahl gesetzten Grenzen nicht eingehalten habe, halten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Zwar hätten die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden Wertungen mit Blick auf das Elternrecht der Bf in verfassungsrechtlich vertretbarer Weise auch anders ausfallen können. Dem richterlichen Ermessen muss jedoch ein gewisser Spielraum bleiben, der die Berücksichtigung der besonderen Lage des Einzelfalles ermöglicht. Es ist daher noch nicht grundrechtswidrig, wenn der zuständige Richter das einfache Recht so anwendet, dass sich über dessen "Richtigkeit" streiten lässt.

Die Bf ist durch die angegriffene Entscheidung auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Das Recht zur Namensbestimmung ist Eltern grundrechtlich nicht im Interesse eigener Persönlichkeitsentfaltung, sondern allein im Rahmen ihrer Sorgeverantwortung im Interesse ihrer Kinder eingeräumt.

Karlsruhe, den 20. Februar 2004