Bundesverfassungsgericht

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Zur Neugestaltung der Besoldungstabellen

Pressemitteilung Nr. 62/2004 vom 29. Juni 2004

Beschluss vom 06. Mai 2004
2 BvL 16/02

Die durch das Dienstrechtsreformgesetz erfolgte Änderung des Aufsteigens in den Grundgehaltsstufen mit den neuen Grundgehaltssätzen der Besoldungsgruppe A 14 ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit sie auf zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens am 1. Juli 1997 im Dienst befindliche Beamte der Besoldungsgruppe A 14 in der Dienstaltersstufe 12 alten Rechts vom 1. Januar 1998 an ohne weitere Übergangsregelung anwendbar ist. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens auf Vorlage des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg entschieden.

1. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Durch das Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 wurde die Anzahl der Gehaltsstufen von 14 auf höchstens 12 vermindert. Der bisherige Zwei-Jahres-Rhythmus gilt nur noch bis zur fünften Stufe, danach steigt das Grundgehalt bis zur neunten Stufe im Abstand von drei Jahren und darüber hinaus nur noch im Abstand von vier Jahren. Gleichzeitig wurden die Grundgehälter in den unteren Stufen gegenüber dem bisherigen Recht maßvoll angehoben. Die Endgrundgehälter blieben unverändert. Diese Änderungen gelten für alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes am 1. Juli 1997 im Dienst befindlichen Beamten.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens ist Beamter im Dienst des Landes Baden-Württemberg mit Bezügen nach der Besoldungsgruppe A 14. Am 30. Juni 1997 befand er sich in der damaligen Besoldungsstufe 12. Er beantragte ohne Erfolg, ihm vom 1. Januar 1998 an Dienstbezüge auf der Basis des vor dem 1. Juli 1997 geltenden Besoldungsrechts zu gewähren. Das Reformgesetz behandle verschiedene Altersgruppen ungleich. Das neue Recht führe bei ihm zu einem Lebenseinkommensverlust von über 25.000 DM. Neuangestellte junge Beamte kämen hingegen durch die neue Grundgehaltstabelle in den Genuss von Einkommensverbesserungen. Bei Beamten in der Grundgehaltsendstufe ändere sich kaum etwas. Nach Überzeugung des vom Kläger in zweiter Instanz angerufenen VGH ist die Neuregelung jedenfalls insoweit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, als sie seit dem 1. Juli 1997 auf den Kläger als damals im Dienst befindlichen Beamten der Besoldungsgruppe A 14 in der Dienstaltersstufe 12 alten Rechts anwendbar ist. Der VGH legte diese Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor.

2. In den Gründen der Entscheidung heißt es:

Die zur Prüfung vorgelegte Regelung verstößt weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz noch gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums. Der Gesetzgeber hat im Bereich des Besoldungsrechts einen weiten Spielraum politischen Ermessens. In dessen Grenzen darf er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen. Das Bundesverfassungsgericht kann besoldungsrechtliche Regelungen nur daraufhin überprüfen, ob sie sich bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen.

Davon kann hier keine Rede sein. Das Dienstrechtsreformgesetz will das öffentliche Dienstrecht zeitgemäß und anforderungsgerecht erneuern. Zu diesem Zweck soll insbesondere der Leistungsgedanke bei der Bezahlung stärker berücksichtigt werden. Steigerungen im Grundgehalt sollen leistungsabhängig und nicht durch reinen Zeitablauf erfolgen. Das vorlegende Gericht hält die Neuregelung für systemwidrig. Damit greift die Vorlage nach den geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäben jedoch zu kurz. Die durch das Reformgesetz bewirkte Besoldungsanhebung in den frühen Dienstjahren wie auch die durch die Verlängerung der Aufstiegsintervalle bewirkte Absenkung der Besoldung in den späteren Dienstjahren beruhen auf dem jeweiligen persönlichen Bedarf der Beamten in den einzelnen Zeitabschnitten wie auch auf dem Gesichtspunkt des möglichen Leistungszuwachses. Letzteren hält der Gesetzgeber in den Anfangsjahren für höher als in den späteren Dienstjahren. Damit liegen hinsichtlich der einzelnen Dienstaltersphasen jeweils konkrete und auf die zu regelnde Sache bezogene Erwägungen des Gesetzgebers vor, die er folgerichtig auf die jeweils betroffenen Beamtengruppen erstreckt. Schon deshalb fehlt es an der behaupteten Systemwidrigkeit.

Auch der Annahme des VGH, der Gesetzgeber habe mit der neuen Struktur der Grundgehaltssätze nur das Lebenseinkommen bei nahezu unverändert bleibendem Gesamtlebenseinkommen umschichten wollen, folgt der Zweite Senat nicht. Zwar wird diese Formulierung in den Gesetzesmaterialen verwendet, sie dient jedoch lediglich zur plakativen Umschreibung der neuen Besoldungsstruktur in abstrakter Weise. Vielmehr geht aus dem Gesamtzusammenhang hervor, dass insgesamt eine Absenkung des Gesamtslebenseinkommens beabsichtigt war. Dadurch sollen die neu eingeführten leistungsbezogenen Bezahlungselemente wie die vorgezogene Erhöhung des Grundgehalts und die Zahlung von Leistungsprämien und - zulagen finanziert werden, um so in der Gesamtbetrachtung die Neuregelungen für Bund, Länder und Gemeinden kostenneutral zu halten. Auch unter dem Gesichtspunkt des Leistungsgedankens ist es durchaus konsequent, die Neuregelung auf alle Beamten zu erstrecken. Zwar bewirkt die Neuregelung eine leistungsunabhängige Absenkung der Besoldung in den fortgeschritteneren Dienstjahren. Auch folgt der Aufstieg innerhalb der neuen Besoldungsstufen im Grundsatz nach wie vor einem Automatismus. Die längeren Leistungsintervalle bieten jedoch zum einen eine Perspektive, bei herausragenden Leistungen vorzeitig in die nächsthöhere Stufe aufzurücken. Zum anderen sind sie geeignet, einer unterdurchschnittlichen Leistung mit der Konsequenz einer noch längeren Verweildauer in der Leistungsstufe entgegen zu wirken. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums mit dem darin verankerten Alimentationsprinzip schränken den weiten Typisierungsspielraum des Gesetzgebers nicht über die Grenzen des allgemeinen Gleichheitssatzes hinaus ein.

Karlsruhe, den 29. Juni 2004