Bundesverfassungsgericht

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Landeskinderklausel des bremischen Privatschulgesetzes verfassungsgemäß

Pressemitteilung Nr. 22/2005 vom 3. März 2005

Beschluss vom 23. November 2004
1 BvL 6/99

Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass bei der Gewährung wirtschaftlicher Hilfe an die Träger privater Ersatzschulen in Bremen nach der dort geltenden Landeskinderklausel nur Schülerinnen und Schüler berücksichtigt werden, die in Bremen ihre Wohnung oder Hauptwohnung haben. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts.

Rechtlicher Hintergrund und Sachverhalt:

Privatschulen in Bremen, die auf gemeinnütziger Grundlage betrieben werden und keinen erwerbswirtschaftlichen Gewinn erstreben, erhalten vom Land einen Zuschuss. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 des bremischen Gesetzes über das Privatschulwesen und den Privatunterricht werden bei der Berechnung des Zuschusses nur die Schüler zahlenmäßig berücksichtigt, die in Bremen wohnen. In der Förderungspraxis des Landes Bremen wirkte sich die Landeskinderklausel für Ersatzschulen, die Schüler aus Niedersachsen aufnehmen, zunächst nicht aus. Denn das Land Niedersachsen leistete auf Grund einer mit Bremen getroffenen Vereinbarung für diese Schüler finanzielle Beiträge an das Land Bremen, die an die jeweiligen Privatschulen weitergeleitet wurden. Diese Vereinbarung wurde von Niedersachsen jedoch zum 1. August 1995 gekündigt. Der Träger einer Ersatzschule in Bremen erhob daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) auf Feststellung, dass Bremen bei der Berechnung der Finanzhilfe für die von ihm betriebene Schule weiterhin auch Schüler berücksichtigen muss, die ihren Hauptwohnsitz nicht in Bremen haben. Das VG hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Landeskinderklausel mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Die Landeskinderklausel verstößt nicht gegen die Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 GG.

Art. 7 Abs. 4 GG gewährleistet jedermann das Recht, private Schulen zu errichten. Neben der Gründungsfreiheit garantiert Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG die Privatschule als Institution. Die Länder sind verpflichtet, das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schützen. Eine Handlungspflicht des Staates wird aber erst dann ausgelöst, wenn das Ersatzschulwesen als Institution in seinem Bestand bedroht ist. Das gilt auch für die Gewährung finanzieller Leistungen. Zu einer solchen Hilfe ist der Staat nur verpflichtet, wenn anders das Ersatzschulwesen in seinem Bestand eindeutig nicht mehr gesichert wäre.

Das Ersatzschulwesen im Land Bremen als verfassungsrechtlich geschützte Institution ist durch die Landeskinderklausel nicht gefährdet. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die in den Schuljahren 1996/97 bis 1998/99 die Schule des Klägers des Ausgangsverfahrens besuchten, nahm gegenüber dem Schuljahr 1995/96 nicht ab, sondern zu. Diese Entwicklung setzte sich in den folgenden Jahren fort. Die Entwicklung an den übrigen Ersatzschulen Bremens verlief ähnlich. Auch bei ihnen gingen auf Grund der Landeskinderklausel ganz überwiegend die Schülerzahlen nicht zurück.

2. Die Landeskinderklausel verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Zwar werden bremische Privatschulen, die neben Schülern aus Bremen auch landesfremde Schüler aufnehmen, durch die Landeskinderklausel gegenüber bremischen Privatschulen benachteiligt, die nur Landeskinder beschulen. Dies ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Legitimer Zweck der Regelung ist es, die Haushaltsmittel auf die Aufgabenerfüllung gegenüber den landesansässigen Schülern und Eltern zu konzentrieren. Die - in die Zuständigkeit der Länder fallende - Ausgestaltung des Schulwesens dient primär der Ausbildung und Unterrichtung der im eigenen Land wohnhaften Schüler. Diese unterliegen im Land ihres Wohnsitzes der Schulpflicht, die sie grundsätzlich an Schulen dieses Landes zu erfüllen haben. Nur die Beschulung von Landeskindern an den Ersatzschulen des Landes entlastet daher die eigenen öffentlichen Schulen um die auf diese Schüler entfallenden Kosten. Der geringeren Höhe der Förderung von Ersatzschulen, die auch landesfremde Schüler unterrichten, entspricht also der geringere Entlastungseffekt, den diese Schulen für das öffentliche Schulwesen Bremens haben.

Karlsruhe, den 3. März 2005