Bundesverfassungsgericht

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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Verweigerung von BAföG nach Fachrichtungswechsel

Pressemitteilung Nr. 84/2005 vom 14. September 2005

Beschluss vom 24. August 2005
1 BvR 309/03

Der Beschwerdeführer studierte ab dem Wintersemester 1996/1997 vier Semester Zahnmedizin. Ihm wurden Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) gewährt. Bereits während seines Studiums entschloss er sich, Humanmedizin zu studieren. Seine Bewerbungen um einen Studienplatz waren jedoch wegen der bestehenden Zulassungsbeschränkung zunächst erfolglos. Zum Wintersemester 1998/1999 wurde der Bf zur Humanmedizin zugelassen. Unter Anrechnung der in der Zahnmedizin erbrachten Leistungen wurde er in das dritte Fachsemester eingereiht. Den Antrag des Bf auf weitere Förderung nach dem BAföG lehnte das Förderungsamt mit der Begründung ab, er habe erst nach dem vierten Fachsemester gewechselt. Seine hiergegen gerichtete Klage wurde in letzter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) abgewiesen.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob das Urteil des BVerwG auf, da es den Bf in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Allgemeiner Gleichheitssatz) verletzt. Die Sache wurde an das BVerwG zurückverwiesen.

Rechtlicher Hintergrund:

§ 7 Abs. 3 BAföG regelt, ob ein Auszubildender, der eine förderungsfähige Ausbildung abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt hat, für eine andere Ausbildung Leistungen der Ausbildungsförderung erhält. Nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG in der Fassung von 1996 (im Folgenden: a.F.) ist bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen die Förderung einer anderen Ausbildung nur möglich, wenn der Wechsel der Fachrichtung "bis zum Beginn des dritten Fachsemesters" erfolgt. Von der Förderungshöchstdauer des neuen Studiums wird die in der nicht beendeten Ausbildung verbrachte Zeit abgezogen.

(§ 7 Abs. 3 BAföG sieht nunmehr vor, dass die Förderung einer anderen Ausbildung möglich ist, wenn der Wechsel der Fachrichtung zum Beginn des vierten Fachsemesters erfolgt).

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. benachteiligt in der Auslegung, die ihr das Bundesverwaltungsgericht gegeben hat, den Bf gegenüber jenen Studenten, die ohne Anrechnung der im ersten Studium erbrachten Leistungen zum Beginn des dritten Fachsemesters wechseln. Diese Benachteiligung des Bf ist nicht durch hinreichend gewichtige Gründe gerechtfertigt.

Der Gesetzgeber hatte § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. vor allem damit begründet, dass der Auszubildende im Interesse eines sinnvollen Einsatzes der Fördermittel angehalten werden müsse, sich vor Beginn des dritten Fachsemesters darüber klar zu werden, ob die Ausbildung in einer bestimmten Fachrichtung seinen Neigungen und seinem Leistungsvermögen entspricht. Diese Erwägung trägt die rechtliche Benachteiligung des Bf. nicht. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich sein Neigungswandel bereits im ersten Fachsemester vollzogen. Ein Wechsel in das Wunschstudium gelang ihm allein wegen der dort vorhandenen Zulassungsbeschränkung erst nach dem vierten Fachsemester.

Darüber hinaus dauerte die Förderung der Vergleichsgruppen insgesamt gleich lang: Ein Student, der ohne Anrechnung von Leistungen zum dritten Fachsemester wechselte, wurde für zwei Semester der Erstausbildung und für die Förderungshöchstdauer der anderen Ausbildung gefördert. Demgegenüber erhielt der Bf zwar für vier Semester seines ersten Studiums Förderungsleistungen; dafür wäre aber die Förderungshöchstdauer des neuen Studiums wegen der Anrechnung um zwei Semester gekürzt worden.

§ 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BAföG a.F. ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ein Student die Fachrichtung auch dann noch "bis zum Beginn des dritten Fachsemesters" wechselt, wenn er zwar mehr als zwei Semester in der bisherigen Fachrichtung studiert hat, unter Berücksichtigung der Anrechnung dieser Fachsemester aber die maßgebliche Zeitschwelle nicht überschreitet.

Karlsruhe, den 14. September 2005