Bundesverfassungsgericht

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Informationen zur mündlichen Verhandlung in Sachen „Sportwetten“ am 8. November 2005

Pressemitteilung Nr. 96/2005 vom 10. Oktober 2005

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am 8. November 2005 die Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin, die sich gegen das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten zu festen Gewinnquoten (Oddset-Sportwetten) durch private Anbieter wendet.

Die Beschwerdeführerin besitzt eine Konzession als Buchmacherin und betreibt ein Wettbüro für Pferdewetten. Im Jahr 1997 beantragte sie bei der Stadt München die Genehmigung zur Veranstaltung von Oddset- Sportwetten, hilfsweise zu deren Vermittlung an Veranstalter im EU- Ausland, was die Stadt als nicht erlaubnisfähig ablehnte. Die von der Beschwerdeführerin hiergegen erhobene Klage blieb in letzter Instanz ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht führte aus, dass die Veranstaltung und Vermittlung von Wetten auf den Ausgang von Sportereignissen, bei denen der Veranstalter für den Fall der richtigen Voraussage der Ergebnisse feste Gewinnquoten verspricht, ohne behördliche Erlaubnis nach Bundesrecht gemäß § 284 StGB mit Strafe bedroht und deshalb verboten seien (BVerwGE 114, S. 92 ff.). Für eine Zulassung der Veranstaltung und Vermittlung von Oddset-Sportwetten durch private Anbieter bestünden auf Bundesebene nur Regelungen für Pferdewetten. Die Zulassung privater Veranstalter für Oddset-Sportwetten sehe dagegen weder das Bundes- noch das Landesrecht vor. Vielmehr behalte das Landesrecht die Veranstaltung allgemeiner Oddset-Sportwetten dem Staat bzw. mittel- oder unmittelbar ihm gehörenden Unternehmen vor. Die dem zugrunde liegenden gesetzgeberischen Erwägungen (Eindämmung und Kanalisierung des natürlichen Spieltriebs, Verhinderung von krankhafter Spielsucht und Vermögensverfall, Vermeidung von Begleitkriminalität, Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Spielablaufs) rechtfertigten die Überantwortung der Veranstaltung von Oddset-Sportwetten an die öffentliche Hand und den Ausschluss privat veranstalteter Oddset- Sportwetten. Auch das europäische Gemeinschaftsrecht lasse die mit dem Verbot einhergehende Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu, weil sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sei.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung ihrer Rechte aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit), Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) sowie des EU-Rechts. Oddset-Sportwetten seien schon kein Glücksspiel im Sinne von § 284 StGB, sondern ein Geschicklichkeitsspiel, da die Sachkenntnis des Spielers für seinen Wettabschluss und die Höhe des Wetteinsatzes eine maßgebliche Rolle spiele. Es handle sich auch nicht um eine gesellschaftlich unerwünschte Betätigung. Einen Grund für die Monopolisierung der Oddset- Sportwetten beim Staat gebe es nicht. Die zur Rechtfertigung des strafbewehrten Verbots des öffentlichen Glücksspiels angeführten Gefahren seien für Oddset-Sportwetten nicht hinreichend belegt. Seit 1991 gebe es bereits ein privates Sportwetten-Angebot, da private Unternehmer sich das liberalisierte Gewerberecht der ehemaligen DDR zu Nutze gemacht und Oddset-Sportwetten auch in Deutschland eingeführt hätten. Ein Verbot von Oddset-Sportwetten sei darüber hinaus unverhältnismäßig, da die damit verfolgten Ziele nicht konsequent erreicht werden könnten: Über das Internet könnten Bundesbürger bei im Ausland ansässigen Anbietern Sportwetten abschließen. Der EuGH habe eine staatliche Monopolisierung des Glücksspiels nur insoweit für gemeinschaftsrechtskonform erklärt, soweit es um eine Reduzierung der Spielmöglichkeiten ginge und die Finanzierung sozialer Aufgaben nur eine Nebenfolge und nicht Hauptgrund der Anbieterrestriktion sei. Davon könne in der Bundesrepublik Deutschland angesichts mehrerer tausend Annahmestellen der staatlichen Veranstalter im Deutschen Lotto- und Totoblock der Gründung und des öffentlichkeitswirksamen Betreibens von "ODDSET" und der fiskalischen Interessen an den aus den staatlichen Monopolbetrieben erzielten Einnahmen nicht die Rede sein. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe im angegriffenen Urteil auf eine etwaige Unverhältnismäßigkeit der Beschränkung der Berufsfreiheit hingewiesen, sofern für staatlich veranstaltetes Glücksspiel "aggressiv" geworben werde. Schließlich liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber privaten Unternehmen, deren Gesellschaftsanteile in öffentlicher Hand seien, und Anbietern von Pferdewetten vor.

Karlsruhe, den 10. Oktober 2005