Bundesverfassungsgericht

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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen Anordnung eines dinglichen Arrests in Höhe von rund 28 Mio. €

Pressemitteilung Nr. 50/2006 vom 9. Juni 2006


Im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Förderung der Entwicklung von Atomwaffen wurde der dingliche Arrest in das Vermögen des Beschwerdeführers angeordnet. Nachdem der Bundesgerichtshof zunächst den dinglichen Arrest in Höhe von rund 2,6 Mio € angeordnet hatte, erhöhte das Amtsgericht den Arrestbetrag auf rund 28 Mio € Die Gerichte stützten die Anordnung allein auf das Protokoll der Aussage eines in Malaysia vernommenen Zeugen. Dieser habe bekundet, dass der Beschwerdeführer eine Vergütungsvereinbarung über den Arrestbetrag geschlossen habe. Das Geld sei an eine Reihe von Firmen geflossen, die dem Beschwerdeführer und dessen Zulieferern gehörten. Aufgrund des Arrestes wurden Pfändungen und eine Sicherungshypothek angeordnet, deren Gesamtwert die Staatsanwaltschaft mit 1, 8 Mio. € veranschlagt.

Die gegen die Arrestanordnung gerichtete Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, da sie den Beschwerdeführer in seinem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG) verletzen. Die Gerichte hätten sich auf die Aussage eines einzelnen Zeugen gestützt, offensichtliche Zweifel an der Glaubhaftigkeit dieser Aussage aber nicht erörtert und darüber hinaus nicht geprüft, ob an Unternehmen gezahlte Beträge dem Beschwerdeführer wirtschaftlich zugerechnet werden könnten. Die Sache wurde zu erneuter Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Wird im Wege vorläufiger Sicherungsmaßnahmen das gesamte oder nahezu das gesamte Vermögen der Verfügungsbefugnis des Betroffenen entzogen, bedarf es angesichts des schwerwiegenden Eingriffs in das Eigentumsgrundrecht einer besonders sorgfältigen Prüfung und eingehenden Darlegung, welche tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen der Annahme zu Grunde liegen, dass es sich um strafbar erlangtes Vermögen handelt.

Gegenstand der Sicherungsmaßnahme ist nur der Vermögensvorteil, der dem Verfall unterliegen könnte, den also der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr erlangt hat (§ 73 Abs. 1 Satz 1 StGB). Der Erlös aus einer Straftat unterliegt danach nur dann dem Verfall, wenn der Täter zumindest zeitweise eine faktische (Mit )Verfügungsgewalt innegehabt hat. Der Vermögenszuwachs muss dem Täter auf irgendeine Weise wirtschaftlich zu Gute kommen. Das kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, wenn der Täter als Beauftragter, Vertreter oder Organ einer juristischen Person gehandelt hat und der Vorteil aus der Straftat in deren Vermögen fließt. Regelmäßig ist vielmehr davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die von dem Privatvermögen des Beauftragten, Vertreters oder Organs zu trennen ist.

Zur Begründung einer Verfallsanordnung gegen den als Organ einer Gesellschaft handelnden Täter bedarf es der Feststellung, ob dieser selbst etwas erlangt hat, das zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Wird der Vermögensvorteil von der Gesellschaft vereinnahmt, kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass der wirtschaftliche Wert der Geschäftsanteile im Privatvermögen des Täters steigt oder dass sich der Zufluss auf die Höhe einer späteren Entnahme aus dem Gesellschaftsvermögen auswirkt.

2. Diesen Anforderungen werden die angegriffenen Beschlüsse nicht gerecht. Die Annahme, der Beschwerdeführer habe einen Betrag von rund 28 Mio. € erhalten, ist unzureichend dargelegt. Es ist von Verfassungs wegen nicht hinnehmbar, die Annahme auf die Aussage eines einzigen Zeugen zu stützen, offensichtliche Zweifel gegenüber der Glaubhaftigkeit dieser Aussage aber nicht zu erörtern. Das Gewicht des Eingriffs macht es unverzichtbar, dass die anordnenden Gerichte die Frage der Glaubhaftigkeit der Aussage eingehend darlegen und begründen.

Gleichfalls allein auf die Aussage dieses Zeugen stützen die befassten Gerichte die Annahme, die gezahlte Vergütung sei an Firmen geflossen, die dem Beschwerdeführer oder seinen Zulieferern gehörten. Es ist unzureichend, auf eine Begründung zu verzichten, weshalb an Unternehmen gezahlte Beträge dem Beschwerdeführer wirtschaftlich so zugerechnet werden könnten, dass sich gegen ihn, nicht aber gegen die Unternehmen, eine Verfallsanordnung richten könnte. Die angegriffenen Beschlüsse lassen die Art der Beteiligung des Beschwerdeführers an den Unternehmen offen und ebenso seine Möglichkeiten, auf das dort vereinnahmte Geld zuzugreifen. Bei der Anordnung eines Arrestes in dieser Höhe genügen die Gerichte auch nicht den Anforderungen, wenn sie sich allein auf das Protokoll einer Zeugenaussage stützen und gleichzeitig darauf verzichten, sich die Finanzermittlungsakten in diesem Verfahren von der Staatsanwaltschaft vorlegen zu lassen, zumal die Staatsanwaltschaft ohnehin verpflichtet ist, diese mit der Anklageerhebung dem Gericht vorzulegen.