Bundesverfassungsgericht

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Gesetzgeber darf die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für künstliche Befruchtung auf Ehepaare beschränken

Pressemitteilung Nr. 22/2007 vom 28. Februar 2007

Urteil vom 28. Februar 2007
1 BvL 5/03

Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, dass der Gesetzgeber die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen für eine künstliche Befruchtung auf Personen beschränkt, die miteinander verheiratet sind. Dies entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 28. Februar 2007 auf eine Vorlage des Sozialgerichts Leipzig. (Zum Sachverhalt vgl. Pressemitteilung Nr. 76 vom 29. August 2006)

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

1. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht vor. Zwar schließt das Gesetz die gesetzlich versicherten Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft von der Sachleistung einer medizinischen Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft aus. Sie werden dadurch im Verhältnis zu Ehepaaren finanziell benachteiligt und müssen, wenn sie die gewünschte künstliche Befruchtung vornehmen wollen, die gesamten Kosten dafür selbst tragen.

Die Ungleichbehandlung wäre im System der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu rechtfertigen, würde die künstliche Befruchtung der Beseitigung einer Krankheit dienen. Dann hätte die Vorschrift, würde sie eine solche Leistung der gesetzlichen Krankenkasse nur Verheirateten, nicht aber unverheirateten Personen zugute kommen lassen, vor dem allgemeinen Gleichheitssatz keinen Bestand. Der Gesetzgeber hat jedoch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen, auch in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von vornherein veranlasst ist.

Der Gesetzgeber hatte hinreichende sachliche Gründe, die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Herbeiführung einer Schwangerschaft auf Ehepaare zu beschränken. Er durfte daran anknüpfen, dass das Bürgerliche Gesetzbuch in Ehegatten Partner einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft sieht und sie gesetzlich anhält, füreinander Verantwortung zu tragen. In der nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann diese Verantwortung nur freiwillig wahrgenommen werden. Es liegt im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, dass er die eheliche Partnerschaft als besonders geeignet ansieht, die mit den in Frage stehenden medizinischen Maßnahmen verbundenen Belastungen und Risiken gemeinsam zu bewältigen. Der Gesetzgeber durfte die Ehe auch wegen ihres besonderen rechtlichen Rahmens als eine Lebensbasis für ein Kind ansehen, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft. So ist die Ehe auf Lebenszeit angelegt und nur unter den Voraussetzungen der Aufhebung oder Scheidung wieder auflösbar, während nichteheliche Partnerschaften jederzeit beendet werden können. Die ehelichen Bindungen bieten einem Kind grundsätzlich mehr rechtliche Sicherheit, von beiden Elternteilen betreut zu werden. Auch sind Ehegatten einander gesetzlich verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie zu unterhalten. Dieser Unterhalt ist mit auf die Bedürfnisse der gemeinsamen Kinder ausgerichtet, begünstigt auch sie und bestimmt maßgeblich ihre wirtschaftliche und soziale Situation. Eine solche Verpflichtung besteht bei Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht.

2. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich garantierten Schutz von Ehe und Familie liegt ebenfalls nicht vor. Art. 6 Abs. 1 GG kann keine Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern. Es wäre dem Gesetzgeber allerdings verfassungsrechtlich nicht verwehrt, auch nichtehelichen Partnern den Weg einer Finanzierung der künstlichen Befruchtung durch die gesetzliche Krankenversicherung zu öffnen.