Bundesverfassungsgericht

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Mündliche Verhandlung der Verfassungsbeschwerde von elf Landkreisen gegen die organisatorische Umsetzung von „Hartz IV“

Pressemitteilung Nr. 43/2007 vom 5. April 2007

2 BvR 2433/04

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Donnerstag, 24. Mai 2007, 10:00 Uhr,
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schloßbezirk 3, 76131 Karlsruhe

die Verfassungsbeschwerde von elf Kreisen bzw. Landkreisen. Diese wenden sich gegen die Zuweisung der Zuständigkeit für einzelne Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Hartz IV") ohne vollständigen Ausgleich der sich daraus ergebenden Mehrbelastungen. In dem Verfassungsbeschwerdeverfahren - 2 BvR 2433/04 - beanstanden die Beschwerdeführer zudem die Verpflichtung, Arbeitsgemeinschaften mit der Bundesagentur für Arbeit zu bilden.

Die Verhandlungsgliederung finden Sie im Anhang an diese Pressemitteilung

Rechtlicher Hintergrund der Verfassungsbeschwerden:

Am 29. Dezember 2003 wurde das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ("Hartz IV") verkündet. Kern des Regelungsanliegens war die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer einheitlichen Leistung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sah vor, dass die Bundesagentur für Arbeit Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sein sollte. Die Bundesratsmehrheit bestand demgegenüber auf einer kommunalen Zuständigkeit für die Arbeitsvermittlung und für die Leistungen an Arbeitslose. Im Vermittlungsausschuss einigten sich Bundestag und Bundesrat auf eine zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern geteilte Leistungsträgerschaft.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind nunmehr den kreisfreien Städten und Kreisen bzw. den anderen durch Landesrecht bestimmten Trägern die näher in § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 4 SGB II genannten besonderen Betreuungsleistungen für die hilfebedürftigen Erwerbsfähigen zugewiesen. Dies sind die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder, die häusliche Pflege von Angehörigen, Schuldnerberatung, psychosoziale Betreuung und Suchtberatung. Zum anderen sind die kommunalen Träger zuständig für Leistungen für Unterkunft und Heizung, zu denen auch die Kosten für die Wohnungsbeschaffung, wie Kaution und Umzugskosten zählen (§ 22 SGB II). Die kommunale Trägerschaft erstreckt sich schließlich auf Leistungen für Erstausstattungen sowohl für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten als auch für die Bekleidung einschließlich des Bedarfs bei Schwangerschaft und Geburt sowie auf Leistungen für mehrtägige Klassenfahrten (§ 23 Abs. 3 SGB II).

In den übrigen Fällen ist die Bundesagentur zuständig. Zu den Leistungen in der Trägerschaft der Bundesagentur gehören insbesondere alle arbeitsmarktrechtlichen Eingliederungsleistungen wie etwa Beratung, Vermittlung, Förderung von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Förderung der Berufsausbildung und der beruflichen Weiterbildung sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wie Arbeitslosengeld II, Sozialgeld, Mehrbedarfe, befristeter Zuschlag nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld sowie Sozialversicherungsbeiträge.

Damit die Arbeitsuchenden die Grundsicherung trotz der geteilten Leistungsträgerschaft "aus einer Hand" empfangen, sollen die Träger der Leistungen - die Bundesagentur und die kommunalen Träger - zur einheitlichen Wahrnehmung ihrer Aufgaben Arbeitsgemeinschaften (§ 44 b SGB II) errichten. Alternativ zu dem Grundmodell der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung in Arbeitsgemeinschaften hat der Gesetzgeber ein Optionsmodell geregelt, nach dem versuchsweise an Stelle der Agenturen für Arbeit bis zu 69 kommunale Träger als Träger der Leistungen nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II zugelassen werden können.

Vorbringen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG).

Indem der Bundesgesetzgeber in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II die Kreise für einzelne Leistungen der Grundsicherung für zuständig erkläre, greife er unzulässig auf die kommunale Ebene durch. Die Aufgabenzuweisung an die Kommunen sei nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes grundsätzlich den Ländern vorbehalten; diese müssten den Kommunen Kostenersatz für die mit der Aufgabenzuweisung verbundenen Belastungen leisten. Weise hingegen der Bund die Aufgabe zu, sei das Land gegenüber den Kommunen nicht zum Kostenersatz verpflichtet. Es gebe auch keine direkten Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen, die zum Ausgleich genutzt werden könnten. Damit habe der Bund gegen das Verbot verstoßen, die finanziellen Verhältnisse der Kommunen ohne Einschaltung der Länder zu ordnen. Zudem hätte der Bund, wenn er schon Aufgaben an die Kommunen zuweise, einen vollständigen Mehrbelastungsausgleich vorsehen müssen. Stattdessen könne er nicht einmal sicherstellen, dass der gewährte unzureichende Ausgleich von den Ländern an ihre Kommunen weitergeleitet werde.

Die Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 2433/04 beanstanden zudem die in § 44 b SGB II getroffene Regelung über die Errichtung von Arbeitsgemeinschaften mit der Bundesagentur für Arbeit. Der Gesetzgeber verstoße gegen die Garantie kommunaler Selbstverwaltung, wenn er anordne, dass die kommunalen Träger die Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf Arbeitsgemeinschaften übertragen sollen. Dadurch werde den Kommunen die Aufgabenwahrnehmung einerseits entzogen, andererseits blieben sie weiterhin Aufgabenträger. Diese Konstruktion diene allein dem Beibehalten einheitlicher Aufgabenwahrnehmung trotz der Lastenzuweisung insbesondere für die Leistungen für Unterkunft und Heizung an die Kommunen. Die Kommunen müssten die Wahrnehmung der Aufgaben an die Arbeitsgemeinschaften übertragen, obwohl sie Aufgabenträger und damit finanzierungsverantwortlich blieben.

Hinweis

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an der mündlichen Verhandlung teilnehmen wollen, wenden sich bitte schriftlich an

Herrn Oberamtsrat Kambeitz,
Postfach 1771, 76006 Karlsruhe,
Fax: 0721 9101-461

Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und eine Telefon- oder Faxnummer anzugeben.

Verhandlungsgliederung zur mündlichen Verhandlung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts am 24. Mai 2007

A. Einführende Stellungnahmen (je zehn Minuten) 
    I. Beschwerdeführer
II. Bundesregierung
B. Zulässigkeit 
C. Begründetheit 
    I. Selbstverwaltungsgarantie
1. Garantie der Selbstverwaltung der Gemeindeverbände
(Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG)
2. Aufgabenzuweisung durch Bundesgesetz
    II. Angegriffene Regelungen
1. Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
(§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II)
2. Aufgabenwahrnehmung
(§ 44 b Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 SGB II)
a) Bedeutung der "Soll"-Vorschrift
(§ 44 b Abs. 3 Satz 2 SGB II)
b) Garantie eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung und
gemeinsamer Aufgabenvollzug von Gemeindeverbänden und
Bundesagentur für Arbeit in den Arbeitsgemeinschaften
3. Finanzierung durch Bundesmittel (§ 46 SGB II)
D. Auswirkungen einer Entscheidung 
E. Abschließende Stellungnahmen 

Akkreditierungshinweise für die Verhandlung am 24. Mai 2007

Akkreditierung

Alle Medienvertreter haben sich schriftlich bis zum Montag, 21. Mai 2007, 12:00 Uhr zu akkreditieren (Fax Nr. 0721 9101-461). Die Akkreditierungen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt. Nach Ablauf der Frist eingegangene oder per E-Mail gesendete Akkreditierungen können nicht berücksichtigt werden.

Auch die Pool-Mitglieder für die Fernseh- und Fotoaufnahmen (siehe unten) sind innerhalb der genannten Frist schriftlich mitzuteilen. Die Anträge werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt.

Allgemeines

Für Medienvertreter stehen auf der Presseempore insgesamt 43 Sitzplätze zur Verfügung. Davon sind 11 Plätze für die Mitglieder der Justizpressekonferenz reserviert. Soweit Medienvertreter auf der Presseempore keinen Platz haben, müssen sie sich nach der Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten in den 1. Stock begeben. Der weitere Aufenthalt vor dem Sitzungssaal ist nicht gestattet.

Im Presseraum stehen weitere 50 Sitzplätze zur Verfügung - davon sind 30 Plätze mit einem 230 V-Anschluss für Laptops ausgestattet. Außerdem steht ein Analog-Modem (mit TAE-Stecker) zur Verfügung. Es findet eine Tonübertragung aus dem Sitzungssaal statt.

Handys sind wegen der störenden Geräusche auszuschalten. Laptops dürfen im Sitzungssaal ebenfalls nicht benutzt werden.

Foto- und Fernsehaufnahmen

1. Foto-, Film- und Tonaufnahmen sind zulässig, bis der Vorsitzende des Senats die Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten festgestellt hat. Danach haben Fotografen und Kamerateams die Ebene des Sitzungssaals (auch äußeren Flurraum und Pressetribüne) zu verlassen. Zum Aufenthalt steht der Presseempfangsraum (1. OG) zur Verfügung.

Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher Sender mit jeweils maximal drei Kameras) sowie sechs Fotografen (vier Agenturfotografen und zwei freie Fotografen) zugelassen.

Die Bestimmung der "Pool-Mitglieder" bleibt den vorgenannten Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen überlassen.

Die "Pool-Mitglieder" verpflichten sich, auf entsprechende Anforderung die Aufnahmen anderen Rundfunkanstalten und Fotografen- Konkurrenzunternehmen zur Verfügung zu stellen.

2. Bei Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal darf durch Fotografen, Kameraleute und sonstige Medienvertreter das freie Blickfeld des Senats nach allen Seiten nicht verstellt werden. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Sitzungsamtsmeister ist Folge zu leisten.

Standorte für die Fernsehkameras (je zwei) sind der Mittelgang und (von der Richterbank aus gesehen) die rechte Seite im Sitzungssaal sowie die Pressetribüne.

3. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sowie in der Mittagspause sind Interviews, Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen im Sitzungssaal lediglich für den Zeitraum von 20 Minuten zugelassen. Für weitere Aufnahmen stehen der Presseempfangsraum (1. OG) oder das Foyer (EG) zur Verfügung.

Fahrzeuge der Fernsehteams

Für SNG-, Schnitt- und Übertragungsfahrzeuge steht nur eine begrenzte Anzahl von Standplätzen zur Verfügung.

Falls ein Standplatz benötigt wird, ist dies bereits bei der Akkreditierung anzugeben. Die Standplätze werden nach Eingang des Antrags vergeben.

Für die Zuweisung der Standplätze werden folgende Angaben benötigt: Größe, Gewicht, Kennzeichen und evtl. Strombedarf.

Anfahrt und Aufbau sind am Vortag der mündlichen Verhandlung von 9:00 bis 18:00 sowie am Tag der mündlichen Verhandlung zwischen 7:00 und 9:00 Uhr möglich.

Falls Strom über das Bundesverfassungsgericht bezogen werden soll, ist dies bis spätestens 15:00 Uhr am Vortag der mündlichen Verhandlung mitzuteilen.

Aufbau von Studios

Der Aufbau von Studios ist in Absprache mit der Pressestelle ausschließlich im Presseempfangsraum (1. OG) sowie im Foyer (EG) möglich. Die Namen und Kfz-Kennzeichen der Teams sind bis spätestens 15:00 Uhr am Vortag der mündlichen Verhandlung mitzuteilen.

Diese Hinweise finden ihre Grundlage in § 17 a BVerfGG in Verbindung mit den ergänzenden Regelungen des Ersten und Zweiten Senats.