Bundesverfassungsgericht

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Verfassungsbeschwerde gegen Vorschriften des novellierten bayerischen Gesetzes zum Schutz der Gesundheit (Rauchverbot in Gaststätten) erfolglos

Pressemitteilung Nr. 111/2009 vom 1. Oktober 2009

Beschluss vom 10. September 2009
1 BvR 2054/09

Am 1. August 2009 trat in Bayern die Novellierung des Gesundheitsschutzgesetzes (GSG) in Kraft, in dem unter anderem der Anwendungsbereich des Rauchverbots und die Ausnahmeregelungen geändert worden sind. In der geänderten Fassung findet das Rauchverbot auf alle Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes Anwendung; die bisherige Einschränkung des Anwendungsbereichs auf öffentlich zugängliche Gaststätten wurde gestrichen. Gleichzeitig ist Gaststätteninhabern die Möglichkeit eröffnet worden, in vollständig abgetrennten Nebenräumen das Rauchen zuzulassen, wenn diese Räume deutlich als Raucherräume gekennzeichnet sind und die Belange des Nichtraucherschutzes dadurch nicht beeinträchtigt werden. Außerdem gibt es nach dem neuen Gesetz zwei Ausnahmen vom Rauchverbot: Es gilt nicht mehr in Bier-, Wein- und Festzelten, die nur vorübergehend und in der Regel an wechselnden Standorten betrieben werden, sowie in vorübergehend als Festzelten genutzten ortsfesten Hallen auf Volksfesten und vergleichbar großen Veranstaltungen. Ferner nimmt das neue Gesetz getränkegeprägte Gaststätten mit weniger als 75 m² Gastfläche und ohne abgetrennten Nebenraum von dem Verbot aus, wenn Kindern und Jugendlichen der Zutritt nicht gestattet ist und die Gaststätten am Eingangsbereich in deutlich erkennbarer Weise als Rauchergaststätten gekennzeichnet sind, zu denen Minderjährige keinen Zutritt haben.

Die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts hat eine Verfassungsbeschwerde einer Gaststätteninhaberin, die eine als "Pilsbar" bezeichnete Zweiraumgaststätte betreibt, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführerin ist durch die novellierten Bestimmungen des Gesundheitsschutzgesetzes nicht in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits geklärt. Im Urteil (1 BvR 3262/07 u.a.) vom 30. Juli 2008 hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden (vgl. Pressemitteilung Nr. 78/2008 vom 30. Juli 2008), dass der Schutz der Bevölkerung vor den Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen ein Gemeinwohlziel darstellt, das auf vernünftigen Erwägungen beruht und daher grundsätzlich Beschränkungen der Berufsfreiheit von Gastwirten legitimieren kann. Ebenso ist es dem Gesetzgeber aufgrund des ihm zukommenden Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraums nicht verwehrt, das Ziel des Schutzes der Gesundheit vor Passivrauchen angesichts der gegenläufigen Interessen der Gaststättenbetreiber und der Raucher mit Hilfe eines Schutzkonzeptes zu verfolgen, das den Gesundheitsschutz weniger stringent verfolgt als ein striktes Rauchverbot.

Mit der Schaffung von Ausnahmeregelungen für kleine, getränkegeprägte Einraumgaststätten und die Zeltgastronomie sowie der Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten, hat der bayerische Gesetzgeber nun sich für ein solches weniger intensives Schutzkonzept entschieden. Dieses Konzept hat er auch folgerichtig umgesetzt, weil er die spezifischen nachteiligen Auswirkungen des Rauchverbots auf die getränkegeprägte Kleingastronomie berücksichtigt hat. Insbesondere bleibt es Inhabern von Mehrraumgaststätten unbenommen, einen Rauchernebenraum einzurichten. Selbst wenn das Rauchverbot im konkreten Fall trotz der möglichen Einrichtung eines Raucherraums wegen des besonderen Gepräges der Gaststätte zu einer existenzbedrohenden wirtschaftlichen Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin führen könnte, wäre dies eine einzelne Sonderkonstellation, die den Gesetzgeber nicht zu einer weiteren Ausnahme zwingt.

Soweit der Gesetzgeber getränkegeprägte Einraumgaststätten und die Zeltgastronomie vom Rauchverbot ausgenommen hat, nicht aber sämtliche überwiegend von Rauchern besuchten oder als "Raucherkneipen" deklarierten Gaststätten, stehen dem Gesetzgeber hinreichende sachliche Gründe für diese Differenzierung zur Seite.

Im Hinblick auf die Zeltgastronomie hat sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, dass Bier-, Wein- und Festzelte dadurch charakterisiert sind, dass sie nur wenige Tage oder Wochen im Jahr an einem festen Standort aufgestellt sind und daher nicht in gleichem Maß Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen verursachen wie ortsfeste Gaststätten, die ganzjährig besucht werden können. Es dürfte zwar zutreffen, dass Veranstaltungen in Festzelten aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung typischerweise auch eine große Zahl von Nichtrauchern anziehen. Wenn der Gesetzgeber die vom Passivrauchen bei solchen Gelegenheiten ausgehenden gesundheitlichen Gefahren gleichwohl wegen der beschränkten Standzeit solcher Zelte als hinnehmbar einschätzt, überschreitet er damit nicht den ihm zukommenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum.

Bei den Ausnahmen vom Rauchverbot für kleine Einraumgaststätten hat sich der Gesetzgeber davon leiten lassen, dass dieser Bereich des Gaststättengewerbes durch ein Rauchverbot typischerweise besonders belastet ist. Dabei stellt sich die Grenze von 75 m2 nicht als willkürlich dar, denn sie geht auf eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung und dem Bundesverband des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes vom 1. März 2005 zurück. Auch die damit verbundene pauschale Grenzziehung ist nicht zu beanstanden. Weil Praktikabilität und Einfachheit des Rechts zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs gehören, ist der Gesetzgeber befugt, auch generalisierende und typisierende Regelungen zu treffen.