Bundesverfassungsgericht

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Verfassungsbeschwerde gegen die stufenweise Abschaffung des Sterbegeldes durch die VBL erfolglos

Pressemitteilung Nr. 53/2011 vom 18. August 2011

Beschluss vom 20. Juli 2011
1 BvR 2624/05

Die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist eine Zusatzversorgungseinrichtung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und hat die Aufgabe, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der an ihr beteiligten Arbeitgeber im Wege privatrechtlicher Versicherung eine Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Bis zum 31. Dezember 2001 stand nach der alten Satzung der VBL Angehörigen beim Tod von Versorgungsrentenberechtigten ein Anspruch auf Sterbegeld zu. Einen Sterbegeldanspruch hatten auch Versorgungsrentenberechtigte beim Versterben ihrer Ehegatten und Angehörige bei Versterben von verwitweten Versorgungsrentenberechtigten. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 stellte die VBL ihr Zusatzversorgungssystem um. Im Zuge dessen wurde das Sterbegeld ab dem Jahr 2002 stufenweise bis zu dessen gänzlichem Wegfall im Jahr 2008 abgebaut.

Der Beschwerdeführer war bei der VBL pflichtversichert. Seit 1999 bezieht er von ihr betriebliche Altersversorgung. Seine gegen die VBL gerichtete Klage auf Feststellung, dass diese weiterhin zur Sterbegeldzahlung nach der alten Satzung verpflichtet ist, hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer. Er sieht sich durch den stufenweisen Wegfall des Sterbegeldes in seinem Eigentumsrecht und seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit verletzt. Es liege eine unverhältnismäßige, echte Rückwirkung vor. Als Rentner habe man seine Arbeitsleistung bereits vollständig erbracht und auf das über Jahrzehnte unverändert gebliebene Sterbegeld vertraut. Der Wegfall des Sterbegeldes ließe sich dann nicht mehr durch eigene Vorsorge auffangen.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Die Regelung verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der stufenweise Wegfall des Anspruchs auf Sterbegeld in das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 GG eingreift oder am Maßstab des allgemeinen Freiheitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG zu messen ist. Der Wegfall des Sterbegeldes hat jedenfalls eine sogenannte unechte Rückwirkung zur Folge. Denn es werden Sterbegeldansprüche für die Zukunft genommen, die zwar an eine Versicherungszeit und damit an eine Beitragszahlung sowie einen daraus resultierenden Versorgungsrentenbezug anknüpfen, jedoch erst mit Eintritt des Todesfalls entstehen.

Die grundsätzlich zulässige unechte Rückwirkung ist hier nicht ausnahmsweise unzulässig. Zwar war ein Vertrauen in die jahrzehntelange Tradition des Sterbegeldanspruchs durchaus berechtigt. Doch enthielt die alte Satzung der VBL einen ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, weshalb die Inhaber der Anwartschaften mit einer Neuregelung rechnen mussten und diese berücksichtigen konnten. Zudem ist in Anwartschaften von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt. Das Vertrauen auf den Fortbestand von Sterbegeldanwartschaften ist deswegen nicht schutzwürdiger als das mit der Regelung des stufenweisen Wegfalls verfolgte Anliegen. Die Neuregelung dient der finanziellen Konsolidierung der VBL und damit der Zukunftssicherung der Altersversorgung für den öffentlichen Dienst, da ein erheblicher, die Finanzierbarkeit der Altersversorgung infrage stellender Kostenanstieg zu erwarten war. Zur Erreichung dieses Zwecks war die Abschaffung des Sterbegeldes geeignet und erforderlich. Die Bestandsinteressen an den Sterbegeldanwartschaften überwiegen auch nicht die Veränderungsgründe des Satzungsgebers. Denn es war aufgrund der Übergangszeit von sechs Jahren zumutbar, sich auf den Wegfall des Sterbegeldes einzustellen. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung der Verfassung führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergeben sich hier keine Anforderungen, die weiter reichen als diejenigen, die nach dem Grundgesetz an eine Rückwirkung zu stellen sind.