Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Versagung von Beratungshilfe - ausreichende Möglichkeit zur Selbsthilfe bei Bewilligung von Beratungshilfe in Parallelfällen

Pressemitteilung Nr. 15/2012 vom 29. Februar 2012

Beschluss vom 08. Februar 2012
1 BvR 1120/11

Die Beschwerdeführer in den miteinander verbundenen Verfahren sind jeweils Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II. Sie beantragten Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz, um Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes durchzusetzen. Das Amtsgericht bewilligte die Beratungshilfe nicht für jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, sondern erachtete es als ausreichend, wenn die Eltern - wie im Verfahren 1 BvR 1120/11 - bzw. der der im Haushalt lebende Partner - wie im Verfahren 1 BvR 1121/11 - Beratungshilfe erhalten. Minderjährigen Kindern könne als Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft Beratungshilfe nicht bewilligt werden, da sie weder einer rechtlichen Beratung bedürften noch eine solche in Anspruch nähmen. Soweit die Bedarfsgemeinschaft durch eines ihrer Mitglieder vertreten werde, sei nur diesem Beratungshilfe zu gewähren, da es allein berechtigt sei, die Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu beantragen, die dann grundsätzlich hinsichtlich der gesamten Bedarfsgemeinschaft erfolge.

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die hiergegen erhobenen Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer sind durch die Ablehnung von Beratungshilfe nicht in ihrem Grundrecht auf Rechtswahrnehmungsgleichheit verletzt, das eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten im Bereich des Rechtsschutzes garantiert.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Im Rahmen des grundrechtlich garantierten Rechtsschutzes sind Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichzustellen, die bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen. Die Versagung von Beratungshilfe ist kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Rechtswahrnehmungsgleichheit, wenn auch Bemittelte vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden, einen Anwalt einzuschalten.

Die Notwendigkeit anwaltlicher Beratung kann allerdings nicht stets und pauschal mit der Begründung verneint werden, einem anderen Mitglied der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II sei Beratungshilfe für ein parallel gelagertes Verfahren bewilligt worden. Auch minderjährigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft kann nicht generell mit dem Hinweis auf die gesetzliche Vertretung durch andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft Beratungshilfe versagt werden.

Ist jedoch die Parallelität der Fallgestaltung offensichtlich und die in einem Fall erhaltene Beratung ohne Schwierigkeiten übertragbar, gebietet es das Grundrecht auf Rechtswahrnehmungsgleichheit nicht, Beratungshilfe in parallel gelagerten Fällen zu bewilligen. Aus der rechtlichen Beratung eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft lassen sich bei mehreren gleich gelagerten Fällen diejenigen Rechtskenntnisse ziehen, die eine sonst eventuell rechtlich anspruchsvolle Materie auch ohne juristische Vorbildung handhabbar machen können.

In den vorliegenden Verfahren waren die Amtsgerichte von Verfassungs wegen nicht gehalten, neben den Eltern bzw. dem Partner auch den zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Beschwerdeführerinnen und dem Beschwerdeführer Beratungshilfe zu bewilligen. Der Vortrag der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaften in den Verwaltungsverfahren hatte jeweils dieselbe Zielrichtung, so dass die Beschwerdeführerinnen und der Beschwerdeführer die Beratung, die die Eltern bzw. der Partner erhalten haben, auf ihre eigene Situation übertragen konnten.