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Mündliche Verhandlung in Sachen „Libyen-Einsatz der Bundeswehr“ am 28. Januar 2015, 10.00 Uhr

Pressemitteilung Nr. 105/2014 vom 25. November 2014

2 BvE 6/11

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelt am

Mittwoch, 28. Januar 2015, 10.00 Uhr,  
im Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts,
Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe

auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag zu der Frage, ob der Einsatz von Soldaten der Bundeswehr zur Evakuierung deutscher und anderer Staatsangehöriger am 26. Februar 2011 aus Libyen der Zustimmung des Deutschen Bundestags bedurfte.

1. Unter dem Einfluss der seinerzeitigen Unruhen in den Nachbarländern Tunesien und Ägypten eskalierte ab Mitte Februar 2011 in Libyen der innenpolitische Konflikt zwischen der Regierung und deren Gegnern zu einem bewaffneten Aufstand gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi. Der Krisenstab im Auswärtigen Amt befasste sich ab dem 20. Februar 2011 in täglichen ressortübergreifenden Sitzungen mit den Entwicklungen. Im Bundesministerium der Verteidigung und im Einsatzführungskommando der Bundeswehr waren frühzeitig Vorbereitungen für mögliche diplomatische und militärische Evakuierungen deutscher Staatsbürger per Luft oder über See angelaufen. Im Rahmen einer sogenannten ungesicherten Luftabholung, die hier nicht verfahrensgegenständlich ist, flogen Soldaten der Bundeswehr am 22. und 23. Februar 2011 insgesamt 103 deutsche Staatsbürger aus Tripolis aus. Ungefähr zeitgleich verließen zahlreiche Deutsche und weitere Ausländer die libysche Hauptstadt mit zivilen Maschinen einer deutschen Fluggesellschaft. Parallel zu diesen Maßnahmen wurden Kräfte aus Heer, Luftwaffe und Marine zu einem Einsatzverband für militärische Evakuierungsoperationen zusammengeführt. Die an der Operation „Pegasus“ beteiligten bis zu 1.000 Soldatinnen und Soldaten sollten gegebenenfalls isolierte oder bedrohte deutsche Staatsbürger aus Libyen evakuieren und retten.

Am 24. Februar 2011 fiel im Auswärtigen Amt und im Bundesministerium der Verteidigung die Entscheidung, die Mitarbeiter deutscher Firmen umgehend von der Bundeswehr aus dem - in der Nähe eines Ölfeldes gelegenen - ostlibyschen Wüstenort Nafurah ausfliegen zu lassen. Nach Zustimmung der Bundeskanzlerin unterrichtete am Abend des 25. Februar 2011 der Bundesminister des Auswärtigen die Vorsitzenden der Fraktionen des Deutschen Bundestages telefonisch über den bevorstehenden Einsatz. Bei der Evakuierung am Nachmittag des 26. Februar 2011 befanden sich erstmals bewaffnete Soldaten an Bord der beiden eingesetzten Transall C-160 ESS. Die Lufttransportflugzeuge waren mit einer Zusatzausstattung zum passiven Selbstschutz gegen Radarerfassung und Flugabwehrraketen ausgerüstet. In Nafurah wurden 132 Personen - darunter 22 Deutsche - an Bord genommen und nach Chania/Kreta ausgeflogen. Die Evakuierung verlief ohne Zwischenfälle. Zu weiteren Evakuierungsoperationen der Bundeswehr in Libyen kam es nicht.

2. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte gegenüber dem Bundesminister des Auswärtigen im März 2011 wiederholt, die Bundesregierung möge nachträglich ein parlamentarisches Mandat für den Einsatz einholen. Der Bundesminister teilte mit, dass er den Einsatz für einen humanitären halte, der nicht der Zustimmung des Deutschen Bundestags bedürfe. Zu einem späteren Zeitpunkt führte er aus, dass es sich bei der Evakuierung aus Nafurah nicht um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes gehandelt habe, weil keine Einbeziehung der deutschen Soldaten in bewaffnete Unternehmungen zu erwarten gewesen sei. Die bloße Möglichkeit, dass es bei einem Einsatz zu bewaffneten Auseinandersetzungen komme, führe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zur parlamentarischen Zustimmungsbedürftigkeit eines Auslandseinsatzes.

3. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 12. Juli 1994 (BVerfGE 90, 286) entschieden, dass der Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland grundsätzlich der vorherigen konstitutiven Zustimmung des Bundestags bedarf (sogenannter wehrverfassungsrechtlicher Parlamentsvorbehalt); die Bundesregierung ist nur bei Gefahr im Verzug berechtigt, vorläufig den Einsatz von Streitkräften zu beschließen. Ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte liegt nach einer weiteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2008 (BVerfGE 121, 135) vor, wenn deutsche Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind. Im Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 hat der Gesetzgeber insbesondere Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung bei einem Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte geregelt.

4. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass der Deutsche Bundestag in seinem wehrverfassungsrechtlichen Beteiligungsrecht in Form des konstitutiven Parlamentsvorbehalts verletzt ist, weil die Bundesregierung seine Zustimmung zu dem Einsatz deutscher Soldaten am 26. Februar 2011 in Libyen nicht eingeholt hat. Es habe sich um einen eilbedürftigen Einsatz gehandelt, der der nachträglichen parlamentarischen Zustimmung bedurft habe. Die Antragstellerin argumentiert, dass eine mit Maschinengewehren bewaffnete Eliteeinheit der Bundeswehr die Evakuierung mit besonders ausgestatteten Transall-Flugzeugen habe ausführen müssen, weil das Eindringen in den libyschen Luftraum und der Einsatz in dem militärischen Krisengebiet mit einer vergleichsweise hohen Gefahr eines konkreten Waffeneinsatzes verbunden gewesen sei. Weitere 1.000 Soldaten seien auf Kreta und im Mittelmeer bereitgehalten worden. Bei dem Einsatz sei es gerade auf die Möglichkeit einer Anwendung militärischer Gewalt angekommen.

Die Bundesregierung bringt im Wesentlichen vor, aufgrund der zum Zeitpunkt der Einsatzentscheidung bekannten Bedrohungslage habe die klare Erwartung bestanden, dass die deutschen Soldaten durch libysche Kräfte nicht bedroht seien und ihre Waffen nicht würden einsetzen müssen. Libyen habe aus Sicht der Bundesregierung einer Nutzung seines Luftraums konkludent zugestimmt. Bei den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen und der gewählten Bewaffnung habe es sich lediglich um flankierende Maßnahmen der Gefahrenvorsorge gehandelt, die dem humanitären Einsatz kein militärisches Gepräge verliehen hätten. Die für die Operation Pegasus zusammengeführten Kräfte seien bei der Evakuierung aus Nafurah nicht zum Einsatz gekommen; zu diesem Zeitpunkt seien sie noch gar nicht einsatzbereit gewesen.

Die Verhandlung gliedert sich wie folgt:

A.   Einführende Stellungnahmen

B.   Zulässigkeit, insbesondere: Antragsgegenstand

C.   Begründetheit

I.     Verfassungsrechtliche Grundlagen für unilaterale Auslandseinsätze der Bundeswehr

II.   Verfassungsrechtlicher Maßstab der Zustimmungsbedürftigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr

1.    Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

2.    Unilaterale militärische Evakuierungsoperationen und die Schwelle zum „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“

3.    Die nachträgliche parlamentarische Beteiligung an bereits abgeschlossenen Streitkräfteeinsätzen

III. Subsumtion

1.    Die Operation Pegasus und die Evakuierung aus Nafurah: Tatsächliche Hintergründe und Einsatzzusammenhang

2.    Zustimmung Libyens und Einsatzregeln

3.    Die qualifizierte Erwartung der Einbeziehung in eine bewaffnete Auseinandersetzung

D.   Rechtsfolgen

E.    Abschließende Stellungnahmen

Hinweise für interessierte Bürgerinnen und Bürger

Interessierte Bürgerinnen und Bürger, die an der Urteilsverkündung teilnehmen wollen, wenden sich bitte an 

Herrn Oberamtsrat Stadtler
Postfach 1771, 76006 Karlsruhe
Telefon: +49 (721) 9101-400
Telefax: +49 (721) 9101-461
E-Mail: besucherdienst@bundesverfassungsgericht.de

Bei der Anmeldung sind Name, Vorname, Geburtsdatum und die Erreichbarkeit (per Telefon, Telefax oder E-Mail) anzugeben. 

Die Vergabe der Besucherplätze erfolgt nach der Reihenfolge des Eingangs.

Akkreditierungsbedingungen und Hinweise

Akkreditierung

Das Akkreditierungsverfahren beginnt mit Veröffentlichung der Pressemitteilung und endet am Donnerstag, 22. Januar 2015, 12.00 Uhr. Nach Ablauf der festgesetzten Frist sind keine Akkreditierungen mehr möglich.

Für Akkreditierungsgesuche ist das bereitgestellte Formular zu benutzen. Das Formular muss vollständig ausgefüllt und unterschrieben sein. Zudem ist, soweit vorhanden, eine Kopie des gültigen Presseausweises beizufügen; dies ist bei den folgenden Akkreditierungen während der Laufzeit des Presseausweises nicht mehr erforderlich. Das Akkreditierungsgesuch kann per E-Mail an die Adresse presse@bundesverfassungsgericht.de oder per Telefax an die Rufnummer +49 (721) 9101-461 übermittelt werden. Akkreditierungsgesuche an sonstige E-Mail-Adressen oder Telefaxanschlüsse des Gerichts werden nicht berücksichtigt.

Die Mitglieder der Justizpressekonferenz Karlsruhe e.V. können ihr Akkreditierungsgesuch formlos an die Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts übermitteln.

Akkreditierungsgesuche werden in der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Einige Tage nach Ablauf der Frist versendet das Bundesverfassungsgericht eine Benachrichtigung über die erfolgreiche bzw. nicht erfolgreiche Akkreditierung.

Verfügbare Sitzplätze und Sitzplatzvergabe

Für Medienvertreter stehen auf der Presseempore im Sitzungssaal insgesamt 60 Sitzplätze zur Verfügung. Davon sind 11 Plätze für die Mitglieder der Justizpressekonferenz reserviert. Jeder Sitzplatz wird an die Person vergeben, die ihn zuerst einnimmt. Soweit Medienvertreter auf der Presseempore keinen Platz finden, können sie die mündliche Verhandlung bzw. Urteilsverkündung im Presseraum oder - soweit dort Sitzplätze verfügbar sind - im Sitzungssaal verfolgen.

Im Presseraum findet eine Tonübertragung aus dem Sitzungssaal statt. Hier stehen 44 Arbeitsplätze an Tischen zur Verfügung; Steckdosen für Laptops sind in begrenzter Zahl vorhanden. Die Kapazität von mobilen Telefon- und Datennetzen kann vom Bundesverfassungsgericht nicht garantiert werden.

Ergänzende Regelungen für den Sitzungsaal

Das Telefonieren, Twittern und sonstige Versenden von Nachrichten, das Abrufen von Daten sowie jegliche Nutzung des Internets im bzw. aus dem Sitzungssaal sind nicht gestattet. Alle für diese Zwecke nutzbaren elektronischen Geräte, insbesondere Mobiltelefone, Laptop-Computer oder Tablet-Computer, dürfen im Sitzungssaal nicht verwendet werden. Medienvertretern kann die Nutzung von Computern im Offline-Betrieb auf der Presseempore gestattet werden, soweit sichergestellt ist, dass mit den Geräten weder Ton- und Bildaufnahmen sowie Datenübermittlungen durchgeführt werden.

Foto- und Fernsehaufnahmen; Pool-Bildung

Bei mündlichen Verhandlungen sind Foto-, Film-, und Tonaufnahmen zulässig bis zum Abschluss der Feststellung der Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten durch den Vorsitzenden des Senats. Danach haben Fotografen und Kamerateams die Ebene des Sitzungssaals (auch den äußeren Flurraum und die Presseempore) zu verlassen. Zum Aufenthalt steht der Empfangsraum im ersten Obergeschoss zur Verfügung. Urteilsverkündungen können vollständig in Bild und Ton übertragen werden.

Für Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal werden Medienpools gebildet. Zugelassen werden zwei Fernsehteams (ein öffentlich-rechtlicher und ein privat-rechtlicher Sender mit jeweils maximal drei Kameras) sowie sechs Fotografen (vier Agenturfotografen und zwei freie Fotografen). Die Poolführer verpflichten sich, gefertigte Foto- und Filmaufnahmen anderen Rundfunk- und Fernsehsendern sowie Fotoagenturen auf Anfrage zur Verfügung zu stellen.

Die Bereitschaft zur Übernahme einer Poolführerschaft ist mit dem Akkreditierungsgesuch ausdrücklich zu erklären. Die Vergabe der Poolführerschaft erfolgt nach der Reihenfolge des Eingangs; bei etwaiger Zeitgleichheit entscheidet das Los. Die Bestimmung der konkret mitwirkenden Personen bleibt den Fernsehsendern bzw. den Agenturen und Fotografen selbst überlassen.

Bei Foto- und Filmaufnahmen im Sitzungssaal darf durch Fotografen und sonstige Medienvertreter das freie Blickfeld des Senats nach allen Seiten nicht verstellt werden. Der Aufenthalt hinter der Richterbank ist nicht gestattet. Entsprechenden Anweisungen der Amtsmeister ist Folge zu leisten. Foto- und Filmaufnahmen sind ausschließlich mit geräuscharmen Apparaten ohne Blitzlicht gestattet.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. Urteilsverkündung sind Interviews sowie Fernseh- und Fotoaufnahmen mit Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen im Sitzungssaal lediglich für den Zeitraum von 20 Minuten zugelassen. Für weitere Aufnahmen stehen der Empfangsraum im ersten Obergeschoss oder das Foyer im Erdgeschoss zur Verfügung.

Fahrzeuge der Radio- und Fernsehteams sowie Techniker

Für SNG-, Schnitt- und Übertragungsfahrzeuge steht nur eine begrenzte Anzahl von Standplätzen zur Verfügung. Falls Standplätze benötigt werden, ist dies bereits mit dem Akkreditierungsgesuch im bereitgestellten Formular anzugeben. Die Standplätze werden nach Eingang des Antrags vergeben. Für die Zuweisung der Standplätze werden folgende Angaben benötigt: Kennzeichen, Fahrzeug-Typ, Fabrikat, Abmessungen (LxBxH in m), Gewicht und evtl. Bedarf an Strom, der über das Bundesverfassungsgericht bezogen werden soll.

Nachgereicht werden können die Namen, Geburtsdaten und Personalausweisnummern der begleitenden Techniker sowie die Fahrzeugdaten. Hierfür ist – auch für Medien, die durch Mitglieder der Justizpressekonferenz vertreten sind – ausschließlich das bereitgestellte Formular zu benutzen. Das Formular kann innerhalb der festgesetzten Frist per E-Mail an die Adresse presse@bundesverfassungsgericht.de oder per Telefax an die Rufnummer +49 (721) 9101-461 übermittelt werden, spätestens bis 26. Januar 2015, um 12.00 Uhr.

Anfahrt und Aufbau sind am Vortag der mündlichen Verhandlung bzw. Urteilsverkündung von 9:00 bis 18:00 Uhr sowie am Tag der mündlichen Verhandlung bzw. Urteilsverkündung zwischen 7:00 und 9:00 Uhr möglich.

Aufbau von Studios

Der Aufbau von Studios ist vorab mit der Pressestelle abzustimmen. Hierfür stehen ausschließlich der Presseempfangsraum im ersten Obergeschoss sowie das Foyer im Erdgeschoss zur Verfügung.

Diese Hinweise finden ihre Grundlage in § 17a BVerfGG in Verbindung mit den ergänzenden Regelungen des Ersten und Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts.