Bundesverfassungsgericht

Sie sind hier:

Begründung der einstweiligen Anordnung zum Visa-Untersuchungsausschuss

Pressemitteilung Nr. 58/2005 vom 1. Juli 2005

Beschluss vom 15. Juni 2005
2 BvQ 18/05

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat auf Antrag von 265 Abgeordneten sowie der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP den 2. Untersuchungsausschuss verpflichtet, bis zum Zeitpunkt einer etwaigen Anordnung des Bundespräsidenten, den 15. Deutschen Bundestag aufzulösen, den Visa-Untersuchungsausschuss fortzuführen (Pressemitteilung Nr. 51/2005 vom 15. Juni 2005).

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Nachteile, die entstünden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht ergeht, sich die Hauptsache später aber als begründet erweist, wiegen so schwer, dass der Erlass einer vorläufigen Regelung geboten ist. Der unerwartete Verlust von Beweismitteln, die aus Sicht der Antragsteller für die Aufklärung des Untersuchungsthemas von Bedeutung sind, würde dem Zweck des parlamentarischen Untersuchungsrechts zuwiderlaufen und die Rechte der Antragsteller in schwerwiegender Weise verletzen.

Die Antragsteller haben als qualifizierte Minderheit ein grundsätzlich schutzwürdiges Interesse, dass die Arbeit des Ausschusses so lange fortgeführt wird, bis der Untersuchungsauftrag abgeschlossen ist oder sich die Anzeichen dafür konkretisieren, dass der Untersuchungsauftrag nicht bis zu einem regulären oder vorzeitigen Ende der Wahlperiode erledigt werden kann. Dem gegenüber steht das Interesse des Antragsgegners, dem Deutschen Bundestag rechtzeitig vor Ablauf der Legislaturperiode einen Sachstandsbericht vorzulegen. Die Schutzwürdigkeit der Interessen des Antragsgegners ist derzeit nur als gering zu veranschlagen. Nachteile für die Antragsgegner können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur entstehen, wenn die Wahlperiode des 15. Deutschen Bundestages vorzeitig enden sollte. Die Entscheidung über eine vorzeitige Beendigung hängt indes, da das deutsche Verfassungsrecht ein Selbstauflösungsrecht des Bundestages nicht kennt, von Faktoren ab, deren Eintreten gegenwärtig nicht prognostiziert werden kann. Aber auch wenn man schon jetzt annähme, dass der Deutsche Bundestag aufgelöst wird und eine Neuwahl in der zweiten Septemberhälfte oder später stattfindet, wäre angesichts dessen, dass die parlamentarische Sommerpause am 5. September 2005 endet, immer noch Zeit, den Sachstand oder gar den Abschlussbericht dem Plenum vorzulegen. Zwingende oder jedenfalls gewichtige Gründe, sofort und ohne Übergang noch im Juni des Jahres die in der Sache unstreitige Beweisaufnahme abzubrechen, sind nicht ersichtlich.

Karlsruhe, den 1. Juli 2005