Bundesverfassungsgericht

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Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde im Konkurrentenstreit um die Stelle des Präsidenten des Thüringer Landesarbeitsgerichts

Pressemitteilung Nr. 34/2007 vom 28. März 2007

Beschluss vom 20. März 2007
2 BvR 2470/06

Der Beschwerdeführer ist Vizepräsident des Thüringer Landesarbeitsgerichts. Im November 2004 bewarb er sich auf die Stelle des Präsidenten dieses Gerichts. Die Auswahlentscheidung fiel auf einen Mitbewerber. Dieser zog jedoch im Verlauf einer gerichtlichen Auseinandersetzung seine Bewerbung zurück. Daneben bewarb sich auch der Vizepräsident des Thüringer Oberlandesgerichts um die ausgeschriebene Präsidentenstelle. Das Justizministerium entschied sich für diesen Bewerber. Es begründete seine Entscheidung damit, dass dem Bewerber - bei ansonsten gleicher Qualifikation - gegenüber dem Beschwerdeführer ein Leistungsvorsprung im Bereich der Rechtsprechung zukomme, da er als Vizepräsident des Oberlandesgerichts ein Amt der Besoldungsgruppe R 4 BBesG innehabe, während der Beschwerdeführer nur nach R 3 mit Zulage BBesG besoldet werde. Der gegen diese Auswahlentscheidung erhobene Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde von den Verwaltungsgerichten zurückgewiesen. Dabei beschied das Thüringer Oberverwaltungsgericht ein Befangenheitsgesuch des Beschwerdeführers gegen den Vorsitzenden nicht. Der Beschwerdeführer hatte den Vorsitzenden abgelehnt, weil dieser mit dem für die Auswahlentscheidung verantwortlichen Justizminister befreundet sei. Die instanzabschließende Entscheidung wurde gefasst, als sich der abgelehnte Richter im Urlaub befand.

Die gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hob die Entscheidungen auf, da sie den Beschwerdeführer in seinem Recht auf gleichen Zugang zum öffentlichen Amt aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzten. Darüber hinaus habe das Thüringer Oberverwaltungsgericht das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt. Die Sache wurde an das Oberverwaltungsgericht zurückgewiesen.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Die Auswahlentscheidung zugunsten des Vizepräsidenten des Thüringer Oberlandesgerichts beruht auf der Erwägung, dass diesem allein aufgrund seines höheren Statusamts im Bereich der Rechtsprechungstätigkeit ein Leistungs- und Eignungsvorsprung gegenüber dem Beschwerdeführer zukomme. Diese Einschätzung ist mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht vereinbar. Das Justizministerium hat insoweit die maßgeblichen Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Grund für die statusrechtliche Besserstellung des Mitbewerbers außer Acht gelassen. Diese beruht ausschließlich darauf, dass das Oberlandesgericht eine höhere Zahl an Richterplanstellen aufweist. Ihr kann daher Aussagekraft im Hinblick auf die Leistungen des Bewerbers im Bereich der Verwaltungstätigkeit zukommen. Die statusrechtliche Besserstellung des Mitbewerbers bietet indes keinen Ansatzpunkt für eine Differenzierung zwischen dem Beschwerdeführer und dem Mitbewerber auf dem Gebiet der Rechtsprechung. Das Besoldungsrecht stuft die Spruchrichtertätigkeit des Mitbewerbers als Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts und des Beschwerdeführers als Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts vielmehr als gleichwertig ein. Die mit den angegriffenen Entscheidungen gebilligte Auswahlerwägung entbehrt daher einer tragfähigen Grundlage. Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass Beschwerdeführer und Mitbewerber um ein Amt in der Arbeitsgerichtsbarkeit konkurrieren. Der Mitbewerber verfügt nur über geringe praktische Erfahrung auf dem Gebiet des Arbeits- und Arbeitsprozessrechts, wohingegen der Beschwerdeführer seit mehr als 20 Jahren als Arbeitsrichter tätig ist. Auch aus diesem Grund hätte die Annahme, dem Mitbewerber komme ein Leistungsvorsprung im Bereich der rechtsprechenden Tätigkeit zu, einer besonderen Begründung bedurft.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat zudem das Recht des Beschwerdeführers auf den gesetzlichen Richter verletzt. Die zeitlichen Abläufe belegen, dass die Festlegung des Beratungstermins erkennbar nur zu dem Zweck erfolgte, eine Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen den Senatsvorsitzenden zu vermeiden. Dies stellt einen Verstoß gegen die Regelungen der Ablehnung von Gerichtspersonen dar. Denn ein nicht rechtsmissbräuchliches Ablehnungsgesuch ist stets vor der instanzabschließenden Sachentscheidung zu bescheiden.