Bundesverfassungsgericht

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Zum Mitwirkungsverbot wegen Vorbefassung in derselben Sache

Pressemitteilung Nr. 22/2013 vom 11. April 2013

Beschluss vom 19. März 2013
1 BvR 2635/12

Wenn ein Mitglied des Bundesverfassungsgerichts an einer unanfechtbaren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beteiligt war und diese dennoch unzulässig vor einem Fachgericht angefochten wird, kann es im Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die fachgerichtliche Prozessentscheidung mitwirken. Dies hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem heute veröffentlichten Beschluss entschieden.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen die folgenden Erwägungen zugrunde:

1. Die 2. Kammer des Ersten Senats hatte - unter Mitwirkung der Richter Gaier und Paulus sowie der Richterin Britz - gegen den Beschwerdeführer in drei Verfassungsbeschwerdeverfahren Missbrauchsgebühren festgesetzt. Hiergegen wandte sich der Beschwerdeführer mit Klagen vor dem Verwaltungsgericht. Dieses wies seine Klagen als unzulässig ab, weil der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei. Die Verwaltungsgerichte könnten Entscheidungen über Verfassungsbeschwerden nicht überprüfen oder gar aufheben. Die dagegen vom Beschwerdeführer gestellten Anträge auf Zulassung der Berufung hatten beim Verwaltungsgerichtshof aus demselben Grund keinen Erfolg.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs; er hält die Rechtsgrundlage für die Missbrauchsgebühr und deren Festsetzung gegen ihn für verfassungswidrig.

3. Die Richter Gaier und Paulus sowie die Richterin Britz sind von der Mitwirkung an der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nicht ausgeschlossen. Das gilt auch für die Entscheidung über ihre Mitwirkungsbefugnis selbst.

a) Der Senat hat von Amts wegen über seine ordnungsgemäße Besetzung zu befinden. Das schließt die Entscheidung über einen kraft Gesetzes greifenden Mitwirkungsausschluss nach § 18 BVerfGG ein.

b) Das Tatbestandsmerkmal "derselben Sache" in § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG ist stets in einem konkreten, strikt verfahrensbezogenen Sinne zu verstehen. Die richterliche Vorbefassung mit einer Sache führt nur dann zum Ausschluss, wenn sie in einem früheren Rechtszug erfolgt ist und eine Mitwirkung an der aktuell mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen Entscheidung zum Inhalt hat.

Nicht mehr eine Tätigkeit in "derselben Sache" ist - zumindest in verfassungsgerichtlichen Verfahren - auch die Mitwirkung an solchen Entscheidungen, die endgültig ein Verfahren abschließen und gegen die Rechtsmittel unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt gegeben sind. Gegen abschließende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts können nicht - entgegen dem Prozessrecht - Rechtsbehelfe bei anderen Gerichten eingelegt werden, um gegen diese dann unter Mitwirkungsausschluss der zuvor befassten Richterinnen und Richter eine neue Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen.

c) Auch die durch eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts festgesetzte Missbrauchsgebühr ist unanfechtbar und kann deswegen nicht Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sein. Eine Vorbefassung mit "derselben Sache" im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG in einem weiteren Verfahren ist damit von vornherein ausgeschlossen.

d) Die genannten Richter können auch an der Entscheidung über die Frage des Mitwirkungsausschlusses mitwirken. Die offensichtlich unzulässigen Klagen zum Verwaltungsgericht bilden völlig eigenständige, neue Verfahrensgegenstände und sind von vornherein nicht geeignet, einen Mitwirkungsausschluss zu begründen.

4. Im Übrigen liegen Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung nicht vor.