Bundesverfassungsgericht

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Bund-Länder-Streit

Das Bund-Länder-Streitverfahren gibt dem Bund und den Ländern die Möglichkeit, ihre Kompetenzen im bundesstaatlichen Gefüge zu verteidigen. Das Verfahren ist in Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 des Grundgesetzes (GG) sowie §§ 68 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz geregelt und am Aktenzeichen „BvG“ zu erkennen. Die Zahl der Bund-Länder-Streitigkeiten ist zwar gering, weil föderative Meinungsverschiedenheiten eher im Normenkontrollverfahren ausgetragen werden. Dennoch handelt es sich häufig um Verfahren von grundlegender Bedeutung.

Beispiele

Wichtige Entscheidungen im Bund-Länder-Streit betrafen die Pflicht der Länder zum Einschreiten zugunsten des Bundes im Bereich der Kommunalaufsicht, die Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Rundfunk, die Verfassungswidrigkeit der Gewährung von Finanzhilfen des Bundes direkt an eine Gemeinde, den Umfang des Weisungsrechts des Bundes gegenüber den Ländern bei der Bundesauftragsverwaltung, die Rechte der Länder in Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaften und den Regress des Bundes bei gemeinschaftsrechtswidrigem Handeln eines Landes.

Voraussetzungen

Der Bund-Länder-Streit ähnelt dem Organstreit. Er ist ebenso ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Antragsteller und Antragsgegner. Es stehen sich jeweils die Bundesregierung und die jeweilige Landesregierung gegenüber. Andere Länder können dem Verfahren auf der Seite des beteiligten Landes beitreten.

Im Bund-Länder-Streit werden nur die verfassungsrechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Ländern geprüft. Oft geht es dabei um Meinungsverschiedenheiten über die jeweiligen Gesetzgebungskompetenzen. Alternativ oder zusätzlich können Bund und Länder ein abstraktes Normenkontrollverfahren in Gang setzen, um nicht nur eine Kompetenzüberschreitung des Gesetzgebers, sondern auch die Gültigkeit einer Norm klären zu lassen. Über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, die keinen Verfassungsbezug aufweisen, entscheiden vorrangig die Fachgerichte.

Der Antragsteller muss im Bund-Länder-Streit geltend machen, dass ein ihm zustehendes föderales Recht durch den Antragsgegner unmittelbar verletzt oder gefährdet worden ist. Es genügt nicht, allgemein zu behaupten, der Antragsgegner verstoße gegen Verfassungsrecht.

Wenn die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen (Art. 84 GG) ist bei Meinungsverschiedenheiten zunächst der Bundesrat anzurufen. Erst gegen den Beschluss des Bundesrates kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden (Art. 84 Abs. 4 GG). In anderen Fällen gibt es ein solches Vorverfahren nicht.

Der Antrag muss innerhalb von sechs Monaten gestellt werden, nachdem dem Antragsteller die gerügte Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners bekannt geworden ist. Gegen einen Beschluss des Bundesrates gemäß Art. 84 Abs. 4 GG ist eine Antragstellung nur binnen Monatsfrist möglich.

Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht stellt den Verstoß gegen das Grundgesetz fest, ohne den Antragsgegner zu einer bestimmten Handlung zu verpflichten. Die Verfassungsorgane sind jedoch gehalten, die Feststellungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu beachten und gegebenenfalls umzusetzen (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).

Sonderfall: Zwischenländerstreit

Auch bei verfassungsrechtlichen Streitigkeiten zwischen den Ländern kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Dieser sogenannte Zwischenländerstreit ist weitgehend dem Bund-Länder-Streit nachgebildet. Die Entscheidungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts geht jedoch über diejenige im Bund-Länder-Streitverfahren hinaus: Der Antragsgegner kann in den unter dem Aktenzeichen „BvH“ geführten Verfahren sogar verpflichtet werden, eine Maßnahme zu unterlassen oder durchzuführen oder eine Leistung zu erbringen.