Bundesverfassungsgericht

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Wahlprüfungsbeschwerde

Im Zusammenhang mit Bundestagswahlen gibt es zwei Verfahrensarten vor dem Bundesverfassungsgericht: Zum einen entscheidet es über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4c GG und §§ 96a ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Zum anderen ist es zuständig für Beschwerden, die die Gültigkeit der Wahl oder den Erwerb oder Verlust der Abgeordnetenstellung betreffen (Art. 41 Abs. 2 GG und § 48 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Beide Verfahren sind am Aktenzeichen „BvC“ zu erkennen. Sie stehen auch für die Wahl der deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament zur Verfügung.

Bislang hat das Bundesverfassungsgericht zwar noch keine Wahl für ungültig erklärt. Die Feststellung von Wahlfehlern trägt jedoch dazu bei, dass bei künftigen Wahlen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Ein Beispiel ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Verwendung sogenannter Wahlcomputer zur Erfassung der Wählerstimmen und elektronischen Ermittlung des Wahlergebnisses gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verstößt.

Nichtanerkennungsbeschwerde

Die bereits in den Parlamenten vertretenen Parteien ebenso wie noch nicht vertretene Vereinigungen können beim Bundeswahlausschuss einen Wahlvorschlag einreichen, um bei der Bundestagswahl anzutreten (vgl. § 18 ff. Bundeswahlgesetz). Der Bundeswahlausschuss prüft einerseits, ob die formalen Voraussetzungen eingehalten sind, und andererseits, ob einer Vereinigung die Eigenschaft einer Partei zukommt. Dies hat nichts mit einer inhaltlichen Prüfung des Parteiprogramms zu tun. Entscheidend ist, ob die Vereinigung ernsthaft ihre erklärte Absicht verfolgt, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Hieran kann es zum Beispiel fehlen, wenn die Vereinigung über kein Programm oder keine gefestigten organisatorischen Strukturen verfügt.

Gegen die Entscheidung des Bundeswahlausschusses ist binnen kurzer Frist die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht möglich. Das Bundesverfassungsgericht entscheidet bis zum 59. Tag vor der Wahl; so lange ist die Vereinigung wie eine wahlvorschlagsberechtigte Partei zu behandeln (vgl. § 18 Abs. 4a Satz 2 Bundeswahlgesetz).

Wahlprüfungsbeschwerde

Das Wahlprüfungsverfahren gemäß Art. 41 GG soll die verfassungs- und gesetzmäßige Zusammensetzung des Bundestages gewährleisten. Die Wahlprüfung ist zunächst und vor allem Sache des Bundestages, der über die Gültigkeit der Wahlen zum Bundestag und die Verletzung von Rechten bei der Vorbereitung oder Durchführung der Wahl selbst entscheidet (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG und § 1 Abs. 1 Wahlprüfungsgesetz). Gegen die Entscheidung des Bundestages ist die Beschwerde zum Bundesverfassungsgericht zulässig (Art. 41 Abs. 2 GG und § 48 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Der Beschluss des Bundestages muss vor Erhebung der Wahlprüfungsbeschwerde bereits ergangen sein. Eine „vorverlegte“ Wahlprüfung, etwa im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz, ist nicht zulässig.

Das Bundesverfassungsgericht prüft zum einen, ob das angewendete Wahlgesetz mit höherrangigem Recht, insbesondere mit dem Grundgesetz, im Einklang steht. Zum anderen wird im Rahmen der vorgebrachten Rügen untersucht, ob das Wahlgesetz zutreffend angewendet worden ist. Prüfungsmaßstab sind vor allem die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG sowie die Regelungen im Bundeswahlgesetz und in der Bundeswahlordnung.

Im Interesse des Bestandsschutzes eines gewählten Parlamentes darf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur so weit gehen, wie es der festgestellte Wahlfehler verlangt. Zur Ungültigkeit der Wahl können nur Wahlfehler führen, die sich auf die Sitzverteilung im Bundestag ausgewirkt haben oder ausgewirkt haben könnten (sog. Mandatsrelevanz). Rechtsverletzungen, die nicht zur Ungültigkeit der Wahl führen, sind vom Bundesverfassungsgericht dennoch festzustellen (vgl. § 48 Abs. 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).