BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 2167/03 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn A...
Königsallee 26, 40212 Düsseldorf -
gegen a) | den Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Oktober 2003 - 2 Ws 578/03 -, |
b) | den Beschluss des Landgerichts Bonn vom 19. September 2003 - 54 StVK 731/03 - |
hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Vizepräsidenten Hassemer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Mellinghoff
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 29. Januar 2004 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
1. a) Die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 und 2 GG) darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden. Daraus ergeben sich für die Strafgerichte Mindesterfordernisse für eine zuverlässige Wahrheitserforschung, die auch bei den im Vollstreckungsverfahren zu treffenden Entscheidungen zu beachten sind. Sie setzen unter anderem Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für eine hinreichende tatsächliche Grundlage richterlicher Entscheidungen. Denn es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht (vgl. BVerfGE 70, 297 <307>).
b) Um eine diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegende Entscheidung handelt es sich, wenn darüber zu befinden ist, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Bei der nach § 57 Abs. 1 StGB zu treffenden Entscheidung ist es jedoch zunächst Sache der Strafgerichte, das Gesetzesrecht auszulegen und anzuwenden. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob das Strafvollstreckungsgericht in objektiv unvertretbarer Weise vorgegangen ist oder die verfassungsrechtliche Bedeutung und Tragweite des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 104 Abs. 2 GG verbürgten Freiheitsrechts verkannt hat (vgl. BVerfGE 18, 95 <92 f., 96>; 72, 105 <113 ff.>).
c) Für die tatsächlichen Grundlagen der Prognoseentscheidung gilt von Verfassungs wegen das Gebot der bestmöglichen Sachaufklärung. Danach muss sich der Richter, der die Grundlagen seiner Prognosen selbständig bewertet, ein möglichst umfassendes Bild über die zu beurteilende Person verschaffen (vgl. BVerfGE 70, 297 <308 f., 310 f.>).
d) Ein lediglich pauschaler Hinweis auf eine ungeklärte ausländerrechtliche Situation vermag regelmäßig eine konkrete Begründung der gerichtlichen Prognose nicht zu ersetzen. Auf der Basis einer rechtsstaatlich unzureichenden Tatsachengrundlage wäre die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Strafhaft in rechtsstaatlich unzulässiger Weise zur Abschiebehaft umfunktioniert und der Strafvollzug für ausländische Verurteilte zum bloßen "Verwahrvollzug" wird (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juni 2002 – 2 BvR 461/02 -, <juris>).
2. Die angegriffenen Entscheidungen tragen diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben Rechnung.
a) Die vom Beschwerdeführer vorgetragenen günstigen Umstände für die zu treffende Prognose wurden von der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln bei der erforderlichen Gesamtwürdigung berücksichtigt. Es wird nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht Köln, dessen angegriffener Beschluss sich auf die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer bezieht, die günstigen Prognoseumstände außer Acht gelassen hätte.
b) Soweit der ungeklärte ausländerrechtliche Status des Beschwerdeführers betroffen ist, beschränkten sich die Strafvollstreckungskammer und das Oberlandesgericht Köln nicht auf einen darauf bezogenen und lediglich pauschalen Hinweis. Die ungewisse berufliche Perspektive wurde ungeachtet der ausländerrechtlichen Problematik auch auf der Grundlage einer vorangegangenen Anhörung des Beschwerdeführers konkret begründet. Das Oberlandesgericht Köln hat zudem auf wiederholte - mit den Anlassstraftaten thematisch zusammenhängende - Gesetzesverstöße des Beschwerdeführers im Zeitraum zwischen Ende 1998 und Anfang 2003 abgestellt. Dagegen ist von Verfassungs wegen nichts zu erinnern.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hassemer | Osterloh | Mellinghoff |