BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2822/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn M...
gegen | das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (Hessisches Nichtraucherschutzgesetz - HessNRSG) vom 6. September 2007 (GVBl I S. 568) |
hier: | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier
und die Richter Hoffmann-Riem,
Eichberger
gemäß § 32 Abs. 1 in Verbindung mit § 93d Abs. 2 BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14. Januar 2008 einstimmig beschlossen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Gründe:
1. Die Rechtssatzverfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Hessische Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens (Hessisches Nichtraucherschutzgesetz - HessNRSG). Wegen des aus seiner Sicht bestehenden Eilbedürfnisses beantragt der Beschwerdeführer, im Wege einer einstweiligen Anordnung die Anwendung von § 1 Abs. 1 Nr. 10 HessNRSG auszusetzen.
Das am 1. Oktober 2007 in Kraft getretene Hessische Nichtraucherschutzgesetz verbietet das Rauchen in verschiedenen, weitgehend öffentlichen Räumen, darunter insbesondere in Gaststätten, und bedroht Verstöße gegen dieses Verbot mit Bußgeldern.
Der Beschwerdeführer ist starker Raucher und Stammgast in einer Gaststätte, in der das Rauchen seit dem 1. Oktober 2007 verboten ist. Er hält das Gesetz für formell verfassungswidrig und materiell für unverhältnismäßig, weil es ihn in seiner Handlungsfreiheit sowie die betroffenen Gastwirte in ihrer Berufsfreiheit und in ihrem Eigentum über Gebühr einschränke.
2. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG liegen nicht vor.
Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 111, 147 <152 f.>; st. Rspr.). Bei einem offenen Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens sind gem. § 32 Abs. 1 BVerfGG die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 71, 158 <161>; 96, 120 <128 f.>; st. Rspr.).
Ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt das Hessische Nichtraucherschutzgesetz bis zur abschließenden Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde anwendbar, so dass es dem Beschwerdeführer, falls seine Verfassungsbeschwerde Erfolg hat, im Ergebnis zu Unrecht zeitweilig verwehrt wäre, während seines Aufenthalts in den in § 1 des Gesetzes aufgeführten Räumlichkeiten, insbesondere in Gaststätten, zu rauchen. Soweit davon auszugehen ist, dass die vom Beschwerdeführer - allerdings nur zum Teil - in zulässiger Weise angegriffenen Vorschriften des Gesetzes auch Dritte, etwa Gastwirte unmittelbar oder mittelbar betreffen, ist nach den Ausführungen des Beschwerdeführers denkbar, dass diese in diesem Zeitraum Umsatzrückgänge erleiden werden. Bei Erlass der Anordnung und damit der zeitweiligen Wiedereinführung einer Erlaubnis, an den genannten Orten zu rauchen, würde dagegen der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck, die in diesen Räumlichkeiten anwesenden Nichtraucher vor den gesundheitlichen Gefahren des Passivrauchens zu schützen, bis zur abschließenden Entscheidung vereitelt. Diejenigen Nichtraucher, die gegenwärtig von der Möglichkeit Gebrauch machen können, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit durch den Besuch von Gaststätten am sozialen Leben teilzunehmen, würden diese Entfaltungsmöglichkeit verlieren. Ferner würden Investitionsentscheidungen derjenigen Gastwirte, die im Vertrauen auf die Gültigkeit des Rauchverbots ihr Angebot den neuen Verhältnissen angepasst, etwa Nebenräume im Sinne des § 2 Abs. 4 des Gesetzes geschaffen haben, zeitweilig entwertet.
Die Abwägung dieser Gesichtspunkte führt dazu, dass von schweren Nachteilen, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen könnten, nicht auszugehen ist. Für den Beschwerdeführer selbst wiegen die Nachteile eher gering, da er in der Zwischenzeit bis zur abschließenden Entscheidung nicht allgemein am Rauchen und auch nicht am Besuch von Gaststätten, sondern nur an einer einzelnen, während des Gaststättenbesuchs bis September 2007 zulässigen Verhaltensweise gehindert wird. Dem stehen die mit dem Erlass einer Eilentscheidung verbundenen Beeinträchtigungen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gegenüber. Die bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde möglichen wirtschaftlichen Einbußen betroffener Gastwirte - ihre Berücksichtigungsfähigkeit im Rahmen dieser Verfassungsbeschwerde hier unterstellt - können im vorliegenden Verfahren mangels hinreichenden Vortrags des Beschwerdeführers keine Berücksichtigung finden.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Papier | Hoffmann-Riem | Eichberger |