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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2343/14 -
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der eG W…, |
- Bevollmächtigte:
-
Rechtsanwälte Dr. Küchenmeister & Wiedermann,
Eschenburgstraße 31, 23568 Lübeck -
gegen |
a) |
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2014 - OVG 9 N 54.14 -, |
b) |
das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 1. April 2014 - VG 6 K 1287/12 -, |
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c) |
den Widerspruchsbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus vom 4. Dezember 2012 - II-70/Faß -, |
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d) |
den Beitragsbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus vom 25. November 2011 - 644105950 - |
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Gaier,
Schluckebier,
Paulus
am 22. Dezember 2015 einstimmig beschlossen:
- Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Juli 2014 - OVG 9 N 54.14 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 1. April 2014 - VG 6 K 1287/12 -, der Widerspruchsbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus vom 4. Dezember 2012 - II-70/Faß - und der Beitragsbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Cottbus vom 25. November 2011 - 644105950 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wird aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.
- Das Land Brandenburg hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.
G r ü n d e :
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen ihre Heranziehung zu einem Kanalanschlussbeitrag auf der Grundlage des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG Bbg).
I.
1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das bereits vor dem 3. Oktober 1990 an die Schmutzwasserkanalisation im Gebiet der beklagten Stadt (im Folgenden: Beklagte) angeschlossen wurde. Im Jahr 2011 zog die Beklagte die Beschwerdeführerin für das Grundstück zu einem Kanalanschlussbeitrag heran. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
2. Die Beklagte und das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg hatten Gelegenheit, zu der Verfassungsbeschwerde Stellung zu nehmen. Die Akten des Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten der Beschwerdeführerin angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die im Wesentlichen zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die Anwendung des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Bbg in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Kommunen von pflichtigen Aufgaben vom 17. Dezember 2003 (GVBl I S. 294) in Fällen, in denen Beiträge nach der ursprünglichen Fassung dieser Vorschrift vom 27. Juni 1991 (GVBl I S. 200) nicht mehr erhoben werden könnten, verstößt gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (vgl. im Einzelnen BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 12. November 2015 - 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 -, www.bverfg.de).
III.
Die angegriffene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2, § 95 Abs. 2 BVerfGG).
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
Gaier | Schluckebier | Paulus | |||||||||