Bundesverfassungsgericht

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Erfolglose Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit der Abschaffung steuerlicher Begünstigungen von Schiffsbauverträgen

Pressemitteilung Nr. 25/1998 vom 13. März 1998

Beschluss vom 03. Dezember 1997
2 BvR 882/97

Der Zweite Senat des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde einer Gesellschaft für Schiffsbeteiligungen im Zusammenhang mit der Abschaffung steuerlicher Begünstigungen von Schiffsbauverträgen als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hatte ihre Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das am 7. November 1996 beschlossene Jahressteuergesetz 1997 erhoben, soweit dieses die einkommensteuerliche Förderung auch für solche Handelsschiffe aufgehoben hat, die aufgrund eines nach dem 24. April 1996 abgeschlossenen Schiffsbauvertrages hergestellt werden.

I.

  1. Am 25. April 1996 gab die Bundesregierung ihr "Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" bekannt. Dieses Programm kündigte neben anderen Reformprojekten die Einschränkung steuerlicher Begünstigungen insoweit an, als "Die Abschreibungsbegünstigung für Schiffe und Flugzeuge für Aufträge nach dem 30. April 1996 gestrichen" werden sollte. Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 1997 sah noch die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen für Schiffe vor, wenn der Kaufvertrag vor dem 1. Mai 1996 geschlossen worden ist. Als jedoch nach der Ankündigung der Bundesregierung weitere Schiffsbauverträge geschlossen wurden, die noch für viele Jahre Abschreibungsbegünstigungen hätten beanspruchen können, beschloß der Bundestag auf Empfehlung des Finanzausschusses eine Vorverlegung des Stichtags auf den 25. April 1996. Diese Vorverlegung entspreche dem von allen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien geforderten Subventionsabbau und dämme die allseits kritisierten Steuersparmodelle ein.
  2. Die Beschwerdeführerin schloß am 30. April 1996 mit einer Werft in Taiwan einen Schiffsbauvertrag über ein Containerschiff im Auftragswert von etwa 32,2 Millionen US-Dollar. Sie erhob gegen die im Jahressteuergesetz 1997 festgelegte Stichtagsregelung (25. April 1996) Verfassungsbeschwerde und rügte eine verfassungsrechtlich nicht zulässige Rückwirkung.

II.

Der Senat hat die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführerin nicht in ihren von der Verfassung geschützten Rechten, soweit der Stichtag "25. April 1996" rückwirkend eingeführt worden ist.

Zur Begründung heißt es u.a.

  1. Bietet ein Steuergesetz dem Steuerpflichtigen eine Verschonungssubvention (Sonderabschreibung) an, die er nur während des Veranlagungszeitraums annehmen kann, so schafft dieses Angebot für diese Disposition in ihrer zeitlichen Bindung eine schutzwürdige Vertrauensgrundlage, auf die der Steuerpflichtige seine Entscheidung über das subventionsbegünstigte Verhalten stützen kann. Zwingende Gründe des gemeinen Wohls rechtfertigen hier aber eine Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots. Die weitere Schiffsbausubvention war nach Einschätzung der Bundesregierung wirtschaftlich unsinnig und sollte deshalb aufgehoben werden. Die Bundesregierung war entschlossen, die Sonderabschreibungen alsbald entfallen zu lassen. Da aber das rechtsstaatliche Gesetzgebungsverfahren eine gewisse Zeitdauer erfordert, benötigt der Gesetzgeber zur Verwirklichung des gemeinen Wohls einen Gestaltungsraum, um aufgetretenen Mißständen einer Gesetzeslage alsbald abzuhelfen, ohne daß Dispositionen der Gesetzesadressaten die Neuregelung kurz vor ihrem Erlaß durch Ausnutzung der bisherigen Regelung unterlaufen können. Wenn die Beschwerdeführerin dennoch die Ankündigung einer Gesetzesänderung nutzte, um der vom Gesetzgeber beabsichtigten Wirkung zuvorzukommen, schützt das Rechtsstaatsprinzip ihr Vertrauen in die bisherige Gesetzeslage nicht. Das Rechtsstaatsprinzip baut auf ein zwar Zeit beanspruchendes, aber im Wettlauf mit kurzfristigen Vertragspositionen dennoch effektives Gesetzgebungsverfahren. Die Beschwerdeführerin mußte bei Abschluß ihres Schiffsbauvertrages in Rechnung stellen, daß das Subventionsangebot geändert werden sollte. Steuerveranlaßte Vertragsverbindlichkeiten sind deshalb zu verschieben oder in sonstiger Weise anpassungsfähig zu gestalten.
  2. Diese zulässige Durchbrechung des Rückwirkungsverbots bewirkt auch keine Verletzung grundrechtlich geschützter Positionen. Das gesetzliche Angebot von Steuersubventionen ist keine durch Einsatz von Arbeit und Kapital erworbene Rechtsposition und folglich kein Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG. Ebenso schützt die von Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Unternehmerfreiheit nur die Dispositionsbefugnis des Unternehmers über die ihm und seinem Unternehmen zugeordneten Güter und Rechtspositionen, verfestigt aber nicht eine bestehende Gesetzeslage zu einem grundrechtlich geschützten Bestand.
  3. Die Ankündigung der Bundesregierung, die Abschreibungsbegünstigung für Aufträge nach dem 30. April 1996 streichen zu wollen, begründet kein rechtsstaatlich schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführerin in die Einhaltung dieses Termins.

    Die Bundesregierung kann dem Parlament zwar mit ihrem Initiativrecht einen Gegenstand vorgeben, Parlamentsbeschlüsse jedoch nicht - auch nicht hinsichtlich eines Zeitpunktes - vorherbestimmen und deshalb auch nicht vorankündigen. Die Mitteilung von Daten durch die Bundesregierung ist mithin nur eine programmatische Erklärung, der schon nicht der Erklärungswert definitiver Gesetzesinitiativen zukommt.

III.

Der Bundesverfassungsrichter Kruis hat dem Beschluß des Senats eine abweichende Meinung beigefügt. Er hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.