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Informationen zur mündlichen Verhandlung über "Verbrechensbekämpfungsgesetz/G 10" am 15. Dezember 1998

Pressemitteilung Nr. 136/1998 vom 9. Dezember 1998

Zur mündlichen Verhandlung des Ersten Senats des BVerfG im Verfahren "Verbrechensbekämpfungsgesetz/G 10" am

Dienstag, den 15. Dezember 1998, 10.00 Uhr
im Sitzungssaal des BVerfG,
Schloßbezirk 3, Karlsruhe

wird folgendes mitgeteilt:

Die drei Verfassungsbeschwerden richten sich unmittelbar gegen das durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28. Oktober 1994 geänderte Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10; der Wortlaut ist auszugsweise in der Anlage beigefügt).

Es ist zu erwarten, daß die mündliche Verhandlung am Mittwoch, 16. Dezember 1998, fortgesetzt wird.

I.

Sachverhalt

Die angegriffenen gesetzlichen Regelungen der §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 G 10 betreffen die sogenannte strategische Überwachung des Fernmeldeverkehrs. Der Begriff dient der Abgrenzung gegen die Ermächtigung zur Überwachung bestimmter Personen nach §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 G 10.

Gegenstand der Verfassungsbeschwerden sind u.a.

  • die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs (Telefon, Telex und Telefax),
  • seine Befugnisse zur Prüfung der Relevanz erlangter Daten für eigene Aufgaben,
  • die Befugnisse des BND zur Übermittlung an andere Behörden (u.a. die Staatsanwaltschaften und Polizeien sowie die Verfassungsschutzämter) sowie deren Empfangs- und Verwendungsbefugnisse, soweit sie im G 10 geregelt sind,
  • die Einschränkung und der Ausschluß der Mitteilungspflicht,
  • die Regelungen zur Vernichtung erlangter Daten
  • und der - teilweise angeordnete - Ausschluß des Rechtsweges.

1. Bis zu den Änderungen des G 10 durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz war eine strategische Überwachung nur zulässig zur Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig war, um die Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. In seiner zweiten "Abhörentscheidung" vom 20. Juni 1984 hat das BVerfG die auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 G 10 alter Fassung (a.F.) gestützten Überwachungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen für verfassungsmäßig gehalten (BVerfGE 67, 157ff.; die Pressemitteilung wird auf Anfrage übersandt).

In tatsächlicher Hinsicht ging das Gericht seinerzeit von mehreren einschränkenden Bedingungen aus: Die Überwachung sei über den Begriff der "Post- und Fernmeldeverkehrsbeziehung" regional eingrenzbar. Darunter falle ein planmäßig festgelegter Post- und Fernmeldeverkehr zwischen zwei bestimmten Endpunkten in beiden Richtungen, etwa ein mit einer Kennummer bezeichnetes grenzüberschreitendes Sammelkabel zwischen zwei Fernsprechknoten. Ihrem Zweck nach richte sich die Überwachung auf die Gewinnung einer bestimmten Kategorie von prinzipiell nicht personen-, sondern sachbezogenen Nachrichten, die zur Information der Bundesregierung über außen- und verteidigungspolitische Sachverhalte dienten. Die Wahrscheinlichkeit, von einer strategischen Kontrolle "getroffen" zu werden, sei nach den quantitativen Verhältnissen gering. Die Betroffenen blieben in aller Regel anonym.

Das Gericht stellte in dieser Entscheidung fest, daß die Regelungen nicht gegen das Übermaßverbot verstießen. Es wies jedoch gleichzeitig darauf hin, daß es mit Art. 10 GG (a.F.) nicht vereinbar sei, Überwachungsmaßnahmen nach § 3 zur Gefahrenabwehr für die innere Sicherheit einzusetzen (BVerfGE 67, 157 (157 - Leitsatz 3 -, 180f.)). Auch läge ein verfassungswidriger Mißbrauch der Kontrolle vor, wenn diese durch Verwertung von Zufallserkenntnissen gezielt zur Sammlung von Anhaltspunkten im Sinne des § 2 G 10 (a.F.) verwendet und dadurch eine Überwachung unter Umgehung der restriktiveren Voraussetzungen dieser Norm durchgeführt würde (BVerfGE 67, 157 (181ff.)). Das sei aber nach den tatsächlichen Bedingungen und den Verfahrensvorkehrungen ausgeschlossen.

2. Die Vorschriften des Verbrechensbekämpfungsgesetzes haben die strategische Überwachung nach dem G 10 a.F. in mehreren Punkten verändert:

a) Die angegriffenen Regelungen der §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 3 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 bis 6 G 10 enthalten die Ermächtigungen, den nicht leitungsgebundenen internationalen Fernmeldeverkehr zur Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte zu überwachen und aufzuzeichnen, deren Kenntnis notwendig ist, um bestimmte Gefahren rechtzeitig zu erkennen und ihnen zu begegnen. Über die Befugnis zur Überwachung wegen der Gefahren eines bewaffneten Angriffskrieges (G 10 a.F.) hinaus sind sie auf die Berechtigung zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs im Hinblick auf abstrakte Gefahrenlagen im Bereich strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen ausgedehnt worden. Dazu gehören die Begehung internationaler terroristischer Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland, die internationale Verbreitung von Kriegswaffen im Sinn des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie des unerlaubten Außenwirtschaftsverkehrs mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien in Fällen von erheblicher Bedeutung, die unbefugte Verbringung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus dem Ausland in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, im Ausland begangene Geldfälschungen sowie die Geldwäsche im Zusammenhang mit den zuvor genannten Handlungen.

Zum Vorgehen wird in § 3 Abs. 2 G 10 gesetzlich festgehalten, daß der BND für solche Beschränkungen nur Suchbegriffe verwenden darf, die zur Aufklärung von Sachverhalten über den in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich bestimmt und geeignet sind. Die Suchbegriffe dürfen keine Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Fernmeldeanschlüsse führen. Dies gilt jedoch weitgehend nicht für Fernmeldeanschlüsse im Ausland.

b) § 3 Abs. 3 G 10 regelt, daß personenbezogene Daten, die bei Durchführung der Überwachungsmaßnahmen erlangt worden sind, nur zur Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung bestimmter Straftaten verwendet werden dürfen, soweit gegen die Person eine Beschränkung nach § 2 angeordnet ist oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand eine der in einem nachfolgenden Katalog genannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. Die dem BND obliegende Berichtspflicht gegenüber der Bundesregierung bleibt davon unberührt.

c) § 3 Abs. 4 G 10 ermächtigt den BND zur Prüfung, ob personenbezogene Daten, die durch Maßnahmen nach Abs. 1 erlangt worden sind, für die dort genannten Zwecke erforderlich sind.

d) § 3 Abs. 5 G 10 enthält die Übermittlungsbefugnis. Danach sind die nach Abs. 1 erlangten Daten vollständig zu den in Abs. 3 bezeichneten Zwecken den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt für den militärischen Abschirmdienst, dem Zollkriminalamt, dem Bundesausfuhramt, den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien zu übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. § 3 Abs. 7 G 10 enthält eine § 3 Abs. 4 G 10 entsprechende Prüfungskompetenz der Empfangsbehörden.

e) § 3 Abs. 6 G 10 und § 3 Abs. 7 S. 2 G 10 regeln die Vernichtung erlangter Daten.

f) § 3 Abs. 8 G 10 gibt dem BND und den Empfangsbehörden Benachrichtigungspflichten auf. Sie werden mit der Maßgabe eingeschränkt, daß eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung und der Verwendung ausgeschlossen sein muß. Eine Mitteilung unterbleibt, wenn die Daten vom BND oder von der Behörde, der sie übermittelt worden sind, innerhalb von drei Monaten nach Erlangung bzw. nach Empfang vernichtet worden sind.

g) § 9 Abs. 6 sieht im Falle einer Überwachung wegen der Gefahren eines bewaffneten Angriffskrieges einen Ausschluß des Rechtsweges vor.

II.

Verfassungsbeschwerden

Bei den insgesamt fünf Beschwerdeführern handelt es sich um einen Strafrechtsprofessor (Verfahren 1 BvR 2226/94), eine freie Journalistin und einen uruguayischen Staatsbürger, der nach eigenen Angaben in Zeiten der dienstlichen Abwesenheit der Journalistin deren Fernmeldeverkehr betreut (Verfahren 1 BvR 2420/95), sowie die Verlegerin der "taz" und einen weiteren Journalisten (Verfahren 1 BvR 2437/95). Sie haben vorgetragen, wissenschaftlich oder journalistisch auf den Feldern tätig zu sein, auf die sich die Überwachungsbefugnisse beziehen.

In den Verfassungsbeschwerden wird die Verletzung der Art. 10 (Fernmeldegeheimnis), Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 (Recht auf informationelle Selbstbestimmung), Art. 5 Abs. 1 S. 2 (Pressefreiheit) und Art. 19 Abs. 4 GG (Garantie umfassenden Rechtsschutzes) gerügt.

Die Beschwerdeführer tragen u.a. vor:

Die tatsächlichen Voraussetzungen, aufgrund derer das BVerfG Überwachungsmaßnahmen nach Maßgabe des § 3 G 10 (a.F.) für verfassungsmäßig gehalten habe, seien entfallen. Eine Eingrenzung der Kontrolle auf räumlich definierte Gefahrenfelder sei nicht möglich, insbesondere nicht bei der Überwachung von Satellitenübertragungen. Wenn oder sobald die technischen Einrichtungen und die Möglichkeit einer vollautomatischen Ausfilterung des aufgezeichneten Materials zur Verfügung stünden, könnten sämtliche internationalen Funk- und Fernmeldeverkehrsvorgänge vollständig überwacht werden. Infolge der Digitalisierung des Fernmeldeverkehrs könnten erlangte Daten und Informationen in der Regel personenbezogen zugeordnet werden.

Die veränderten technischen Bedingungen und die zudem zu berücksichtigende Auflösung des Warschauer Pakts führten dazu, daß die strategische Kontrolle selbst im Falle der Gefahren eines bewaffneten Angriffskrieges (nur hierauf erstreckte sich das G 10 a.F.) nicht mehr verfassungsmäßig sei. Bei den neu aufgenommenen Gefahrenlagen werde sie darüber hinaus in einer mit der Verfassung unvereinbaren Weise Zwecken der "Verbrechensbekämpfung" und der "inneren Sicherheit" dienstbar gemacht. Die vom Gesetz in Bezug genommenen Gefahrenlagen seien nicht eigentlich außenpolitische, sondern würden durch vermutete strafbare Handlungen von Personen konstituiert. Eine Vielzahl von Fernmeldekommunikationsbeziehungen werde, ohne daß irgendein Verdacht gegen die betroffenen Personen bestehe, nach allen in einer geheimen Anordnung enthaltenen Suchbegriffen erfaßt und aufgezeichnet. Die strategische Kontrolle werde, wie sich auch aus der bei Ausländern zugelassenen Möglichkeit einer gezielten Erfassung ihrer Fernmeldeanschlüsse ergebe, zur Einzelüberwachung von Personen eingesetzt. Sie führe auch etwa dazu, daß wirksame Presserecherchen auf den bezeichneten Gefahrenfeldern und redaktionelle Vorhaben beeinträchtigt würden. Die Ausgestaltung der Übermittlungs- und Verwendungsregelungen zeige, daß eine Verwendung durch Verfassungschutz-, Polizei- und Strafverfolgungsbehörden von Anbeginn an als Zweck einbezogen sei.

III.

Auf Antrag des Beschwerdeführers in dem Verfahren 1 BvR 2226/94 hatte der Erste Senat des BVerfG mit Beschluß vom 5. Juli 1995 eine einstweilige Anordnung erlassen und die Regelungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes teilweise außer Vollzug gesetzt (die Pressemitteilung vom 13. Juli 1995 wird auf Anfrage übersandt).

Anlage zur Pressemitteilung Nr. 136/98 vom 9. Dezember 1998

Wortlaut G 10 (auszugsweise)

§ 1

(1) Es sind

  1. die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, das Amt für den Militärischen Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes einschließlich der Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages,
  2. der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1 Abs. 2 des BND-Gesetzes auch zu den in § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 bis 6 bestimmten Zwecken

berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, in den Fällen der Nummer 1 auch die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen...

§ 2

(1) Beschränkungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 dürfen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen angeordnet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand

  1. Straftaten des Friedensverrats oder des Hochverrats (§§ 80, 80a, 81, 82 und 83 des Strafgesetzbuches),
  2. Straftaten der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates (§§ 84, 85, 86, 87, 88, 89 des Strafgesetzbuches, § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 3 und 4 des Vereinsgesetzes),
  3. Straftaten des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit (§§ 94, 95, 96, 97a, 97b, 98, 99, 100, 100a des Strafgesetzbuches),
  4. Straftaten gegen die Landesverteidigung (§§ 109e, 109f, 109g des Strafgesetzbuches),
  5. Straftaten gegen die Sicherheit der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen der nichtdeutschen Vertragsstaaten des Nordatlantik-Vertrages (§§ 87, 89, 94, 95, 96, 98, 99, 100, 109e, 109f, 109g des Strafgesetzbuches in Verbindung mit Artikel 7 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes vom 11. Juni 1957 in der Fassung des Achten Strafrechtsänderungsgesetzes),
  6. Straftaten nach § 129a des Strafgesetzbuches oder
  7. Straftaten nach § 92 Abs. 1 Nr. 7 des Ausländergesetzes

plant, begeht oder begangen hat. Gleiches gilt, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand Mitglied einer Vereinigung ist, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind...

§ 3

(1) Außer in den Fällen des § 2 dürfen auf Antrag des Bundesnachrichtendienstes Beschränkungen nach § 1 für internationale nicht leitungsgebundene Fernmeldeverkehrsbeziehungen angeordnet werden, die der nach § 5 zuständige Bundesminister mit Zustimmung des Abgeordnetengremiums gemäß § 9 bestimmt. Sie sind nur zulässig zur Sammlung von Nachrichten über Sachverhalte, deren Kenntnis notwendig ist, um die Gefahr

  1. eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik Deutschland,
  2. der Begehung internationaler terroristischer Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland,
  3. der internationalen Verbreitung von Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen sowie des unerlaubten Außenwirtschaftsverkehrs mit Waren, Datenverarbeitungsprogrammen und Technologien im Sinne des Teils I der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) in Fällen von erheblicher Bedeutung,
  4. der unbefugten Verbringung von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus dem Ausland in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland,
  5. im Ausland begangener Geldfälschungen sowie
  6. der Geldwäsche im Zusammenhang mit den in den Nummern 3 bis 5 genannten Handlungen

rechtzeitig zu erkennen und einer solchen Gefahr zu begegnen. In den Fällen der Nummer 1 dürfen Beschränkungen nach Satz 1 auch für leitungsgebundene Fernmeldeverkehrsbeziehungen und für Postverkehrsbeziehungen angeordnet werden

(2) Für Beschränkungen im Sinne des Absatzes 1 darf der Bundesnachrichtendienst nur Suchbegriffe verwenden, die zur Aufklärung von Sachverhalten über den in der Anordnung bezeichneten Gefahrenbereich bestimmt und geeignet sind. Die Suchbegriffe dürfen keine Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Fernmeldeanschlüsse führen. Satz 2 gilt nicht für Fernmeldeanschlüsse im Ausland, sofern ausgeschlossen werden kann, daß Anschlüsse

  1. deutscher Staatsangehöriger oder
  2. von Gesellschaften mit dem Sitz im Ausland, wenn der überwiegende Teil ihres Vermögens oder ihres Kapitals sowie die tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft deutschen natürlichen oder juristischen Personen zusteht und die Mehrheit der Vertretungsberechtigten deutsche Staatsangehörige sind,

gezielt erfaßt werden. Die Suchbegriffe sind in der Anordnung zu benennen. Die Durchführung ist mit technischen Mitteln zu protokollieren; sie unterliegt der Kontrolle gemäß § 9 Abs. 2. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen.

(3) Bei der Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten dürfen nur zur Verhinderung, Aufklärung oder Verfolgung von Straftaten verwendet werden, die in § 2 dieses Gesetzes und in § 138 des Strafgesetzbuches bezeichnet sind, sowie von Straftaten nach den §§ 261 und 264 des Strafgesetzbuches, § 92a des Ausländergesetzes, § 34 Abs. 1 bis 6 und 8 und § 35 des Außenwirtschaftsgesetzes, §§ 19 bis 21 und 22a Abs. 1 Nr. 4, 5 und 7 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen oder § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 1, 4 oder § 30a des Betäubungsmittelgesetzes, soweit gegen die Person eine Beschränkung nach § 2 angeordnet ist oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß jemand eine der vorgenannten Straftaten plant, begeht oder begangen hat. § 12 des BND-Gesetzes bleibt unberührt.

(4) Der Bundesnachrichtendienst prüft, ob durch Maßnahmen nach Absatz 1 erlangte personenbezogene Daten für die dort genannten Zwecke erforderlich sind.

(5) Die nach Absatz 1 erlangten Daten sind vollständig zu den in Absatz 3 bezeichneten Zwecken den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, dem Amt für den Militärischen Abschirmdienst, dem Zollkriminalamt, dem Bundesausfuhramt, den Staatsanwaltschaften und, vorbehaltlich der staatsanwaltschaftlichen Sachleitungsbefugnis, den Polizeien zu übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Die Entscheidung erfolgt durch einen Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat.

(6) Sind nach Absatz 1 erlangte Daten für die dort genannten Zwecke nicht oder nicht mehr erforderlich und sind die Daten nicht nach Absatz 5 anderen Behörden zu übermitteln, sind die auf diese Daten bezogenen Unterlagen unverzüglich unter Aufsicht eines Bediensteten, der die Befähigung zum Richteramt hat, zu vernichten und, soweit die Daten in Dateien gespeichert sind, zu löschen. Die Vernichtung und die Löschung sind zu protokollieren. In Abständen von jeweils sechs Monaten ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Vernichtung oder Löschung vorliegen.

(7) Der Empfänger prüft, ob er die nach Absatz 5 übermittelten Daten für die in Absatz 3 bezeichneten Zwecke benötigt. Benötigt er die Daten nicht, hat er die Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand möglich ist; eine Verwendung dieser Daten ist unzulässig.

(8) Betroffenen, deren Daten durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangt worden sind, ist die Beschränkung des Fernmeldegeheimnisses mitzuteilen, sobald eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung und der Verwendung ausgeschlossen werden kann. Eine Mitteilung unterbleibt, wenn die Daten

  1. vom Bundesnachrichtendienst innerhalb von drei Monaten nach Erlangung oder
  2. von der Behörde, der sie nach Absatz 5 übermittelt worden sind, innerhalb von drei Monaten nach Empfang

vernichtet worden sind. Die Mitteilung obliegt dem Bundesnachrichtendienst, im Falle der Übermittlung nach Absatz 5 der Empfängerbehörde.

(9) Die Kommission kann dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz vor ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Maßnahme nach § 9 Abs. 2 Gelegenheit zur Stellungnahme in Fragen des Datenschutzes geben. Die Stellungnahme erfolgt ausschließlich gegenüber der Kommission.

(10) Das Gremium nach § 9 Abs. 1 erstattet dem Bundestag jährlich einen Bericht über die Durchführung der Maßnahmen nach den Absätzen 1 bis 9.