Bundesverfassungsgericht

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Zum Schutz eines Kindes gegenüber Medienberichterstattung - hier: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen zivilgerichtliche Verbote, Fotos des Sohnes von Prinzessin Caroline von Monaco und bestimmte Äußerungen über das Kind zu veröffentlichen bzw. weiter zu verbreiten

Pressemitteilung Nr. 66/2000 vom 23. Mai 2000

Beschluss vom 31. März 2000, Beschluss vom 31. März 2000
1 BvR 1454/97
1 BvR 1353/99

Die 1. Kammer des Ersten Senats des BVerfG hat zwei Verfassungsbeschwerden (Vb) eines Zeitungsverlags gegen zivilgerichtliche Urteile einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen. Mit den Urteilen war es dem Verlag zum einen untersagt worden, Fotos abzubilden, auf denen der Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco u.a. mit seiner Mutter abgebildet ist. Weiterhin ist es ihm untersagt worden, bestimmte Äußerungen über den Sohn weiter zu verbreiten.

Die Kammer des Ersten Senats betont in beiden Entscheidungen, dass Kinder hinsichtlich der Gefahren, die von einer Wort- oder Bildberichterstattung der Medien ausgehen, eines besonderen Schutzes bedürfen. Soweit der Schutz ihres eigenen Persönlichkeitsrechts zur Beschränkung bestimmter Mitteilungsformen der Medien führt, ist dies von den Medien hinzunehmen, da wirkungsvoller Persönlichkeitsschutz anderenfalls unmöglich wäre.

I. 1 BvR 1454/97

1. Die Bf - eine GmbH - verlegt verschiedene Zeitschriften. Im Zeitraum von 1993 bis 1995 veröffentlichte sie in den Zeitschriften "Echo der Frau" und "Neue Welt" insgesamt 17 Fotografien, auf denen der minderjährige, älteste Sohn von Prinzessin Caroline u.a. mit seiner Mutter abgebildet ist.

Der Sohn verklagte den Verlag auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung. Das Landgericht gab dieser Klage in vollem Umfang statt. Die Berufung der Bf zum Oberlandesgericht blieb erfolglos.

Zur Begründung führten die Gerichte u.a. aus, die Fotografien zeigten vollkommen alltägliche Situationen, so dass den Belangen des Klägers im Sinne des § 23 Kunsturhebergesetz gegenüber der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG) der Vorrang zu geben sei.

§ 23 Abs. 2 Kunsturhebergesetz lautet:

"Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird."

Gegen diese Urteile erhob der Verlag Vb und rügte einen Verstoß gegen die Pressefreiheit.

2. Die Vb hat keinen Erfolg.

Sie hat zum einen keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung, weil die aufgeworfenen Fragen durch das Urteil des Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 (vgl. Pressemitteilung Nr. 140/99 vom 15. Dezember 1999) bereits geklärt sind.

Die Vb ist mangels Erfolgsaussicht auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte der Bf angezeigt.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Das Ergebnis, den Belangen des Kindes gegenüber Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG den Vorrang zu geben, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Wie der Senat bereits im Urteil vom 15. Dezember 1999 ausgeführt hat, bedürfen Kinder hinsichtlich der Gefahren, die von dem Interesse der Medien und ihrer Nutzer ausgehen, eines besonderen Schutzes. Das folgt nicht nur aus dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 1 GG, sondern auch aus dem eigenen Recht des Kindes auf ungehinderte Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht jedes Kindes auf Entwicklung zur Persönlichkeit - auf "Person werden" - umfasst sowohl die Privatsphäre als auch die kindgemäße Entfaltung in öffentlichen Räumen. Zur Entwicklung der Persönlichkeit gehört es, sich in der Öffentlichkeit angemessen bewegen zu lernen. Dies gilt auch für Kinder, deren Eltern Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung sind. Dieses Schutzbedürfnis entfällt nicht bereits bei einem kindgemäßen Verhalten, das üblicherweise in der Öffentlichkeit geschieht. Auch die Kinder der Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung haben ein Recht, wie andere Kinder auch von ihren Eltern in öffentlichen Räumen begleitet zu werden, ohne allein durch die Anwesenheit der Eltern zum Objekt der Medienberichterstattung zu werden. Die Annahme der Bf, durch das Verbot solcher Bildveröffentlichungen werde ein erheblicher Teil der Bildberichterstattung nachhaltig behindert, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Soweit der Schutz des Persönlichkeitsrechts zur Beschränkung bestimmter Mitteilungsformen der Medien führt, ist dies von den Medien hinzunehmen, da wirkungsvoller Persönlichkeitsschutz anderenfalls unmöglich wäre. Der Umfang des Persönlichkeitsschutzes verringert sich entgegen der Auffassung der Bf auch nicht dadurch, dass die Bildberichterstattung heute einen wesentlich breiteren Raum in den Medien einnimmt als in früheren Zeiten.

Beschluss vom 31. März 2000

II. 1 BvR 1353/99

1. In diesem Verfahren geht es um ein im Juni 1998 unter der Überschrift "Der neue Mädchenschwarm" erschienenes Foto in der von der Bf herausgegebenen Zeitschrift "Neue Welt". Das Foto zeigt u.a. den minderjährigen Sohn der Prinzessin Caroline von Monaco bei offiziellen Anlässen. Der dazugehörige Artikel handelt u.a. davon, dass auch Prinzen - wie u.a. der minderjährige Sohn der Prinzessin - zu Idolen geworden seien. Der Minderjährige habe noch keine Freundin und verbringe viel Zeit mit Sport; er liebe Fußball.

Das Landgericht verbot der Bf, solche Äußerungen weiter zu verbreiten.

Die Berufung zum Oberlandesgericht blieb erfolglos.

2. Auch die gegen diese Urteile erhobene Vb des Verlages hat die 1. Kammer des Ersten Senats nicht zur Entscheidung angenommen.

Zur Begründung heißt es u.a.:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers des Ausgangsverfahrens schützt jedenfalls auch seine Privatsphäre. Hierunter fallen u.a. Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als "privat" eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen in der Umwelt auslöst.

Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Kinder auch vor den Gefahren, die von einer Wortberichterstattung der Medien ausgehen, besonders zu schützen sind.

Die Feststellung der Fachgerichte, wonach die Äußerungen über den Minderjährigen, er habe noch keine Freundin, in den Bereich der Privatsphäre falle, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt im Ergebnis auch für die übrigen Aussagen, da die Gerichte zu recht berücksichtigt haben, dass sich der Betroffene auf Grund seines Alters in einer besonders schutzwürdigen Phase seiner Persönlichkeitsentwicklung befindet.

Es ist verfassungsrechtlich schließlich auch nichts dagegen einzuwenden, dass im konkreten Fall die Pressefreiheit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes zurückzutreten hat. Auch wenn die bloße Unterhaltung ebenfalls in den Grundrechtschutz eingezogen ist und sie in mehr oder weniger weitreichendem Umfang meinungsbildende Funktion haben kann, darf im Rahmen der Abwägung berücksichtigt werden, ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden.

Beschluss vom 31. März 2000

Karlsruhe, den 23. Mai 2000