Bundesverfassungsgericht

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Zur Kürzung einer Betriebsrente wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit

Pressemitteilung Nr. 106/2000 vom 8. August 2000

Beschluss vom 28. Juni 2000
1 BvR 387/00

Der 2. Kammer des Ersten Senats des BVerfG lag die Verfassungsbeschwerde (Vb) eines ehemaligen Mitarbeiters einer Bundestagsfraktion gegen die Kürzung seiner betrieblichen Altersversorgung vor.

1. Der Beschwerdeführer (Bf) war von 1972 bis 1991 wissenschaftlicher Angestellter einer Bundestagsfraktion. Ab Dezember 1991 bezog er eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, daneben Leistungen einer Zusatzversorgungseinrichtung für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes (Rheinische Zusatzversorgungskasse - RZVK). 1996 wurde der Bf wegen Spionagetätigkeit für das MfS der DDR zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die RZVK kürzte die monatlichen Leistungen an den Bf daraufhin von rund 3.000 DM auf rund 500 DM. Grundlage dessen war § 56 Abs. 3 RZVK-Satzung. Danach erlischt der Anspruch auf Versorgungsrente nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren. Bei bestimmten Taten (u.a. Landesverrat) reicht bereits eine Verurteilung zu mehr als sechs Monaten.

Das Landgericht (LG) Köln wies die Klage des Bf gegen die Kürzung ab; daraufhin erhob der Bf Vb.

2. Die 2. Kammer des Ersten Senats hat die Vb nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung führt sie sinngemäß aus:

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG kann im Ergebnis nicht festgestellt werden. Zwar ist es zweifelhaft, ob eine Regelung, die den automatischen Verlust von Ansprüchen auf Versorgungs- und Betriebsrente im Falle einer strafgerichtlichen Verurteilung vorsieht, ohne dass es auf den konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis ankommen soll, uneingeschränkt den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes gerecht wird. Sie führt insbesondere zu einer Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen, die nicht bei einer Zusatzversorgungseinrichtung des öffentlichen Dienstes pflichtversichert waren, sondern eine anders geartete betriebliche Altersversorgung erhalten. Nach dem Betriebsrentengesetz und der Rechtsprechung von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof ist für diesen Personenkreis nämlich nur unter sehr viel engeren Voraussetzungen der Entzug von unverfallbaren Versorgungsansprüchen möglich. Hier ist Voraussetzung, dass die Verfehlungen des Arbeitnehmers im Einzelfall so schwer wiegen, dass sich die erbrachte Betriebstreue rückwirkend als wertlos erweist. Demgegenüber differenziert die an der Beamtenversorgung orientierte Regelung der RZVK nicht danach, ob die strafgerichtliche Verurteilung in irgend einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht oder ob die Interessen des Arbeitgebers im Einzelfall durch die Straftaten berührt waren oder sind. Die Regelung lässt nach ihrem Wortlaut auch keinerlei Ermessensentscheidung zu.

Es erscheint fraglich, ob für diese Ungleichbehandlung jeweils ein sachlicher Grund besteht. Zudem können beamtenrechtliche Regelungen nicht ohne weiteres auf die Zusatzversorgung bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen übertragen werden. Bedenklich erscheint die Heranziehung beamtenrechtlicher Grundsätze vor allem dann, wenn es sich - wie im vorliegenden Fall - beim Arbeitgeber nicht um einen Teil der öffentlichen Verwaltung handelt.

Im Ergebnis greifen diese Bedenken im Fall des Bf jedoch nicht durch. Durch geheimdienstliche Tätigkeit für einen anderen Staat hat der Bf, der als Referent für die Parlamentsfraktion einer Partei im Bundestag tätig war, eine massive und schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen. Unabhängig von der einfachrechtlichen Lage ist es aus verfassungsrechtlicher Sicht unbedenklich, einen solchen Arbeitnehmer bei Fragen der Altersversorgung anders zu behandeln als diejenigen Arbeitnehmer, die solche schwerwiegenden Pflichtverletzungen nicht begangen haben.

Karlsruhe, den 8. August 2000