Bundesverfassungsgericht

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Schleswig-Holsteinische Volksinitiative "Schule in Freiheit" unzulässig

Pressemitteilung Nr. 141/2000 vom 27. Oktober 2000

Beschluss vom 03. Juli 2000
2 BvK 3/98

Der Zweite Senat des BVerfG hat durch Beschluss vom 3. Juli 2000 einen Antrag der Schleswig Holsteinischen Volksinitiative "Schule in Freiheit" der Aktion mündige Schule e.V. einstimmig verworfen. Mit diesem Antrag wendet sich die Antragstellerin (Ast.) dagegen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag ihre Gesetzesinitiative zur Änderung der Verfassung als unzulässig abgelehnt hat.

I.

1. Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein sieht vor, dass Gesetzentwürfe auch von sogenannten Volksinitiativen dem Landtag vorgelegt werden können (Art. 41 Abs. 1 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein vom 13. Juni 1990 - LV). Nach Art. 41 Abs. 2 LV sind Initiativen zu bestimmten Bereichen, u.a. "über den Haushalt des Landes" allerdings unzulässig (parlamentarischer Haushaltsvorbehalt).

2. Die Ast. ist eine unter dem Namen "Schule in Freiheit" handelnde Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern. Sie hat einen Gesetzentwurf zur Änderung der Schulverfassung (Art. 8 der LV) mit der erforderlichen Anzahl von Unterschriften vorgelegt.

Darin verlangt sie die gleichrangige Anerkennung von Schulen in staatlicher, kommunaler und freier Trägerschaft. Die Schulfinanzierung soll nach gleichen Maßstäben erfolgen und der Höhe nach den unentgeltlichen Zugang zu allen Schulen ermöglichen.

Am 4. September 1998 beschloss der Landtag auf Antrag der Fraktionen von CDU und SPD, dass die Volksinitiative u.a. deshalb unzulässig ist, weil sie gegen das Verbot von Initiativen über den Haushalt verstoße. Ihre Annahme würde Folgekosten von ca. 50 Millionen DM jährlich auslösen.

3. Die Antragstellerin sieht sich durch den Landtagsbeschluss in ihrem Gesetzesinitiativrecht verletzt. Der parlamentarische Haushaltsvorbehalt betreffe nur unmittelbare Initiativen über den Haushalt des Landes, also Eingriffe in den Landeshaushalt.

Volksinitiativen, die - auch mittelbar - keine finanziellen Auswirkungen hätten, seien kaum denkbar. Die beabsichtigte Bürgerbeteiligung an der Gesetzgebung liefe leer, wenn es dem Volk als Souverän nicht ermöglicht würde, finanzielle Prioritäten anders oder neu zu setzen. Die angestrebte Regelung belaste den Landeshaushalt zudem lediglich in geringem Umfang.

II.

Der Zweite Senat führt in seinem Beschluss vom 3. Juli 2000 aus:

Der Antrag ist offensichtlich unbegründet. Der Landtag hat die Volksinitiative zutreffend für unzulässig erklärt, weil sie gegen das Verbot von Initiativen über den Haushalt des Landes nach Art. 41 Abs. 2 LV verstößt. Diese Norm schließt Gesetzesinitiativen aus, die gewichtige staatliche Einnahmen oder Ausgaben auslösen und damit den Haushalt wesentlich beeinflussen. Darauf, ob eine Volksinitiative unmittelbar oder mittelbar in haushaltsgesetzliche Regelungen eingreift, kommt es nicht an. Das ergibt sich u.a. aus dem Zusammenwirken des parlamentarischen Haushaltsvorbehalts (Art. 41 Abs. 2 LV) mit den Vorschriften der Landesverfassung über die Gesetzgebung und das Haushaltswesen. An der Aufstellung und Feststellung des Landeshaushalts sind nur die Landesregierung und der Landtag beteiligt.

Das Recht der Budgetinitiative liegt allein bei der Landesregierung. Sie hat den Gesetzentwurf zum Haushaltsplan in den Landtag einzubringen. Dem Landtag obliegt die Feststellung des Haushaltsplans durch Haushaltsgesetz. In das auf diese Weise austarierte Zusammenwirken von Regierung und Landtag bei Aufstellung, Feststellung und Verantwortung des Haushalts würde durch jede Art wesentlich haushaltswirksamer Volksgesetzgebung eingegriffen. Art. 41 Abs. 2 LV verlöre seinen eigenständigen Inhalt, wenn man ihn nur auf die förmliche Haushaltsgesetzgebung beschränken wollte. An dieser ist das Volk ohnehin nicht beteiligt.

Art. 42 Abs. 2 LV, der eine Haushaltsgesetzgebung ausschließt, die den Haushalt wesentlich beeinflußt, bezweckt, die Etathoheit des Landtags und die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu sichern. Haushaltswirksame Entscheidungen sind komplexer Natur, die ein plebiszitäres "Ja" oder "Nein" weitgehend ausschließt. Sie sind durch zahlreiche kaum veränderbare Eckwerte wie Personalkosten, sozialstaatliche Leistungsgesetze und vertragliche Bindungen vorbestimmt. Bei hoher Staatsverschuldung ist ein großer Teil der Ausgaben zudem durch Zins und Tilgungslasten festgelegt. Haushaltswirksame Einnahmen und Ausgaben müssen in ein sachgerechtes Verhältnis zueinander gesetzt werden. Höhere Ausgaben sind durch höhere Einnahmen im Rahmen eines finanz- und wirtschaftspolitischen Gesamtkonzepts auszugleichen. Der Vorbehalt des Art. 41 Abs. 2 LV greift demnach bei jeder finanzwirksamen Gesetzgebung ein, die geeignet ist, den Gesamtbestand des Haushalts zu beeinflussen. Dies ist auch dann der Fall, wenn dadurch die langfristige Finanzplanung des Landes wesentlich eingeschränkt wird.

Diese Auslegung des parlamentarischen Haushaltsvorbehalts führt auch nicht dazu, dass das Recht der Volksgesetzgebung leerläuft. So sind etwa Fragen nach der Reichweite staatlicher Eingriffsbefugnisse auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Fragen der Ausgestaltung der Kommunalverfassung, aber auch des Schulwesens, die weder mittelbar noch unmittelbar wesentliche haushaltswirksame Ausgaben nach sich ziehen, der Volksgesetzgebung zugänglich.

Nach diesen Kriterien greift die Volksinitiative "Schule in Freiheit" wesentlich in die zukünftige Haushaltsplanung ein; sie störte das Gleichgewicht des gesamten Haushalts und zwänge zu einer Neuordnung des Gesamtgefüges. Die Gesetzesinitiative sieht gleichmäßige öffentliche Zuschüsse für Schulen in staatlicher, kommunaler oder freier Trägerschaft vor, die in ihrer Höhe so bemessen seien müssen, dass sie den unentgeltlichen Zugang zu den Schulen ermöglichen. Das hätte zwangsläufig umfangreiche staatliche Ausgaben zur Folge. Dies legt das Gericht anhand des Haushaltsplans 1998 im einzelnen dar.

Karlsruhe, den 27. Oktober 2000