Bundesverfassungsgericht

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Zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Pressemitteilung Nr. 85/2001 vom 24. August 2001

Beschluss vom 10. August 2001
2 BvR 569/01

Das Bundesverfassungsgericht hat erneut betont, dass die Gerichte bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) keine zu strengen Maßstäbe anlegen dürfen.

I.

Im Ausgangsfall ging es um die Anerkennung der beiden Beschwerdeführer (Bf) als Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG. Ihre Mutter war 1987 als Vertriebene eingebürgert worden und hat im gleichen Jahr für ihre fünf in Rumänien verbliebenen Kinder eine sogenannte Übernahme-genehmigung erhalten. Die Bf reisten aber erst 1991 bzw. 1992, jeweils mit einem Besuchervisum, aus Rumänien ein. Sie wurden weder als Aussiedler noch als Vertriebene anerkannt, erhielten jedoch zeitweise Aufenthaltserlaubnisse nach ausländerrechtlichen Bestimmungen. Nachdem diese nicht verlängert wurden, klagten die Bf gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung. In erster Instanz verloren sie, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ließ ihre Berufung zu und bewilligte PKH. Im Laufe dieses Verfahrens äußerte der Senat, er neige der Auffassung zu, dass die Bf als "Statusdeutsche" anzusehen seien und daher das Ausländergesetz auf sie keine Anwendung finde. Dementsprechend setzte er das Verfahren aus, damit die Bf durch eine Feststellungsklage gerichtlich klären lassen könnten, ob sie Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG seien. Innerhalb des ausländerrechtlichen Berufungsverfahren könne diese Frage nicht entschieden werden.

Die Bf erhoben daraufhin eine entsprechende Feststellungsklage und beantragten für diese gleichzeitig PKH. Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte den PKH-Antrag mangels Erfolgsaussichten ab. Die Bf hätten nicht aufgrund der Übernahmeerklärung von 1987 Aufnahme im Bundesgebiet - die zu ihrer Anerkennung als Deutsche führen würde - gefunden. Diese Übernahme-erklärung sei zur Zusammenführung minderjähriger Kinder mit ihren Eltern erteilt worden, die Bf seien bei ihrer Einreise aber nicht mehr minderjährig gewesen. Zudem sei zweifelhaft, ob die Bf wegen der Familienzusammenführung eingereist seien. Wer eine dauerhafte Übersiedlung zum Zwecke der Zusammenführung mit einem Elternteil anstrebe, reise nicht mit einem zeitlich befristeten Besuchervisum ein und stelle auch nicht - wie die Bf´in zu 1 - einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag auf Zulassung der Beschwerde gegen den abschlägigen PKH-Beschluss ab.

II.

Die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat diese Beschlüsse auf die Verfassungsbeschwerde (Vb) der Bf aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht Regensburg zurückverwiesen. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Die angefochtenen Beschlüsse verstoßen gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG. Diese Normen gebieten eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Die Gewährung von PKH kann davon abhängig gemacht werden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten hat. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das PKH-Verfahren vorzuverlagern. Wenn die Fachgerichte einen Auslegungsmaßstab verwenden, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung unverhältnismäßig erschwert wird, deutet dies auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung der Rechtsschutzgleichheit hin.

Hier überspannen die angegriffenen Beschlüsse die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht. Den Fachgerichten hätte sich aufdrängen müssen, dass die Frage, ob die Bf im Sinne des Art.116 Abs. 1 GG Aufnahme in Deutschland gefunden haben, besondere rechtliche Schwierigkeiten aufwarf, die der Klärung im Hauptsacheverfahren bedurften. So ist bereits die Annahme des Verwaltungsgerichts, die hier zu beurteilende Übernahmegenehmigung sei nur zum Zweck der Zusammenführung minderjähriger Kinder mit ihren Eltern erteilt worden, nicht haltbar. Die Genehmigung erstreckte sich auch auf die zum damaligen Zeitpunkt bereits volljährigen älteren Geschwister der Bf. Auch spricht nichts für eine zeitliche Beschränkung der Gültigkeit der Übernahmegenehmigung, wie die Kammer weiter ausführt. Soweit das Verwaltungsgericht die Ablehnung der PKH ergänzend darauf stützt, dass auch der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen Übernahmegenehmigung und Einreise zweifelhaft erscheine, wird dies dem an die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellenden Maßstab ebenfalls nicht gerecht. Tatsachen- und Rechtsfragen, die nicht eindeutig beantwortet werden können, sind im Hauptsacheverfahren zu klären.

Karlsruhe, den 24. August 2001